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LUDWIG HEVESI UND SEINE ZEIT

08.07.2015 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover Ludwig Hevesi~1 Ludwig Hevesi xx

LUDWIG HEVESI UND SEINE ZEIT
Hsg. von Ilona Sármány-Parsons und Csaba Szabó
350 Seiten, Publikationen der Ungarischen
Geschichtsforschung in Wien, Wien 2015

„Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit.“

Diese Formulierung, so prägnant wie richtig, so fordernd wie nachdrücklich, steht auf der Wiener Secession und ist wahrscheinlich so berühmt wie das Gebäude selbst. Wollte man fragen, auch sich selbst, wer diesen Satz für die Secessionisten fand, die wenigsten wüssten es. Es war keiner von den Künstlern selbst. Es war ein Journalist: Ludwig Hevesi.

Den Journalisten flicht die Nachwelt wenige Kränze, wenn sie sich nicht selbst zum Ereignis stilisierten wie Karl Kraus oder Geschichte beeinflussten wie Zola. Wenn jemand als Persönlichkeit so bescheiden blieb wie Ludwig Hevesi, dann ist er in der Nachwelt nur noch den Kunsthistorikern (und den Studenten der Kunstgeschichte) bekannt, die ohne seine Berichte und Urteile aus dreieinhalb Jahrzehnten (von 1875 bis 1910) die damalige Kunst gar nicht im Kontext ihrer Zeit beurteilen könnten.

Hevesi war gebürtiger Ungar und überzeugter Österreicher, einer, der seinen Kopf, seinen Fuß und seine Seele immer in beiden Hauptstädten hatte, in Budapest ebenso wie in Wien, wo er zu einer „Institution“ wurde. Es sind die Ungarn, die nun seiner in einer ausführlichen Publikation gedenken, worin die hoch interessanten Ergebnisse eines Hevesi-Symposions zusammengefasst werden.

Da steht nun in erster Linie er selbst dort, wo er sich stets herauszuhalten suchte: im Mittelpunkt. Geboren wurde er am 20. Dezember 1843 in der ungarischen Stadt Heves, damals noch unter dem Namen Lajos Löwy, Sohn eines assimilierten jüdischen Arztes. Bildung war der Weg aus der Provinz – früh schon sprach er viele Sprachen, zum Medizinstudium ging er nach Wien, er übersetzte – von Anfang an unter dem Künstlernamen „Hevesi“ – , um sein Studium zu finanzieren. Doch er wählte schließlich den Journalismus, begann in Budapest für den angesehenen „Pester Lloyd“ zu schrieben, und das in einer Zeit, wo gleichzeitig mit Wien auch Budapest neu gestaltet wurde, die einzelnen Stadtteile (Buda, Pest, Ofen) zusammen gefasst: Hevesi schrieb 1873 den ersten Reiseführer der neuen, vereinigten Hauptstadt.

Schon damals verfasste Hevesi Kunstkritiken und –berichte, geschult an den großen Stilisten seiner Zeit. 1875 übersiedelte er nach Wien, wo er eine Stellung beim renommierten „Fremdenblatt“ bekommen hatte und bis zu seinem Tod 1810 als einer der führenden Kulturjournalisten Wiens anerkannt war. Trotz seiner 35 Jahre in dieser Stadt (abgesehen davon, dass er viel reiste!) soll er übrigens seinen ungarischen Akzent nie verloren haben…

Hevesi war ein Workaholic ohne viel Privatleben (man erfährt, dass er die Malerin Tina Blau heiraten wollte, aber sie wählte einen anderen), und er leistete vor allem viel für die Kunstkritik in einer Epoche, die voll von Talenten und voll von Bewegung war. Ausstellungen behandelte er in mehreren Berichten von verschiedenen Aspekten und in aller Ausführlichkeit. Er verfolgte mit intelligenter Beobachtungsgabe alle neu auftretenden Strömungen, wo es auch heftige Kämpfe der „Neuen“ (in diesem Fall die Secessionisten) gegen die „Alten“ (den Historismus, die akademische Malerei) gab. Dabei war es Hevesi, der der Welt der Secession bei ihrem Durchbruch half (und Klimt war sein Lieblingskünstler). Warum sich Hevesi, anerkannt, geschätzt, ja berühmt in seiner Zeit, am 27. Februar 1910 in Wien das Leben nahm, geht aus dem ausführlichen biographischen Abschnitt nicht hervor.

Der Sammelband bietet noch einige fesselnde Übersichten, darunter über das Kulturleben der Franzisko-Josephinischen Zeit, aber am interessanten scheint doch noch der Artikel über ungarische Journalisten in Wien, da es unter ihnen so viele bedeutende gab, die meisten tatsächlich jüdischer Abstammung. Der erste unter ihnen, einer der Sargnägel Johann Nestroys, war Moritz Gottlieb Saphir, später sind unter ihnen Männer, die Weltgeschichte machten wie Theodor Herzl oder jene, die ihre ganz eigentümlichen Spuren in der Welt der Literatur hinterließen wie Felix Salten, mit dem lieblichen „Bambi“ einerseits, der vollmundigen Dirne Josefine Mutzenbacher andererseits…

Journalismus war, wie der Artikel zeigt, gerade für Juden, die nicht in ihren „klassischen“ Professionen als Ärzte oder Juristen oder Geschäftsleute unterkamen, eine Welt, in denen sie ihre besonderen Fähigkeiten der Sprachbeherrschung und ihre talmudische Geistesschulung ausleben konnten. Die Kultur wurde ihr Zuhause, und das im breitesten Sinn – das galt für einen ernsthaften Mann wie Hevesi genau wie für jene, die nebenbei auch Operettenlibretti schrieben…

Hevesi ist natürlich das Schwergewicht dieses Buches, das auch die Gelegenheit bietet, zahlreiche seiner heute im Buchhandel nicht mehr greifbaren Artikel zur Kunst seiner Zeit nachzulesen.

Renate Wagner

 

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