Lübeck: Eine arg unterkühlte „Entführung“ – 27.4.2012
Von Horst Schinzel
Foto: Lutz Rößler
Generationen von Regisseuren haben in Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ in erster Linie den Lobpreis auf edle Menschlichkeit – auf den Edelmenschen, den „guten Türken“ Bassa Selim – gesehen. Ein Pathos, vor dem der Regisseur Wolf Widder der letzten Neuinzsenierung dieser Spielzeit am Lübecker Musiktheater zurückschreckt. Und der überdies die in der Handlung angelegten Partnerprobleme der vier jungen Europäer herausarbeiten möchte. Und so legt er denn die Geschichte als „Theater auf dem Theater“ an.
Ein Gutsbesitzer der Rokokkozeit hat sich eine wandernde Theatertruppe ins Haus geholt. Die soll ihm die „Entführung“ vorspielen. Und er übernimmt die Rolle des Bassa Selim.
Eine Idee, die weder neu noch originell ist. Und die Mozart, vor allem aber dieser Insznierung arg schlecht bekommt. Und so kommt denn das doch eigentlich fröhliche Spiel sehr unterkühlt über die Rampe – und zum Teil auch aus dem Orchestergraben. Um es vorweg zu sagen: Das Premierenpublikum hat sich daran nicht gestört. Erst zaghafte Versuche, dann immer lebhafterer Szenenbeifall und lang anhaltender herzlicher Schlussapplaus.
Am wenigsten zu Recht kommt an diesem Abend mit den Intentionen des Regisseurs der Darsteller des Belmonte, Daniel Szeili. Sein Spiel ist arg hölzern. Hinzu kommen stimmliche Probleme. Streckenweise presst er Töne und Text. Erst in dem doch arg unsinnigen Duett über die Freuden des gemeinsamen Sterbens lebt er auf. Von diesem Sänger sind wir entschieden Besseres gewohnt. Die Lustigkeit des Patrick Busert als Pedrillo ist aufgesetzt, und auch er kann nicht zufrieden stellen. Das eigentliche Erlebnis dieses Abends ist Martin Blasius als Osmin. Mit schön geführter Stimme weiß er die Möglichkeiten seiner Rolle trefflich auszuloten. Ein Erlebnis auch die Stimmen der beiden Frauen: Lea-Ann Dunbar als Konstanze und Jeanette Wernecke als Blonde.
Die Sänger und der von Joseph Feigl einstudierte Chor agieren in einem arg verwirrenden Bühnenbild, für das – neben den Kostümen – Katja Lebelt verantwortlich zeichnet. Dem Programmheft zufolge will der Gastdirigent Jochem Hochstenbach auch musikalisch Neues bieten. Dazu kommt er kaum – ist er doch vollauf damit beschäftigt, das Geschehen auf der Bühne und seinen Klangkörper zusammen zu halten.
Fazit: Nicht immer das Neue das Bessere
Die nächsten Aufführungen
4. Mai, 19.30 Uhr, 13. Mai, 16 Uhr, 24. Mai, 18 Uhr