Österreichischer Opernabend in Lübeck:
„Der Ring des Polykrates“ von Erich Wolfgang Korngold und „Das geheime Königreich“ von Ernst Křenek (Vorstellung: 5. 4. 2012)
Hugo Mallet und Ausrine Stundyte im „Ring des Polykrates“ von Korngold (Foto: Jochen Quast)
Als Koproduktion mit dem renommierten, auf Opernraritäten spezialisierten „Festival della Valle d’Itria“ im apulischen Martina Franca zeigt das Theater Lübeck zurzeit zwei Einakter österreichischer Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts: „Der Ring des Polykrates“ von Erich Wolfgang Korngold und „Das geheime Königreich“ von Ernst Křenek. Beide Komponisten vereint das Schicksal der Emigration in die USA, nachdem ihre Werke in der Nationalsozialistischen Ära 1933 mit einem Aufführungsverbot belegt wurden.
„Der Ring des Polykrates“ wurde im Jahr 1916 in München uraufgeführt und ist das Werk eines 19-Jährigen! „Dies ist wahrhaftig ein Märchen vom Glück, ein Glückskind, das nur einem Glückskindgelingen konnte“, schrieb Richard Strauss über die Oper, wie dem gut illustrierten Programmheft zu entnehmen ist. Das Libretto stammt von Leo Feld und Julius Leopold Korngold, dem Vater des Komponisten, und basiert auf einem Lustspiel von Heinrich Teweles. Es ist eine komödienhafte Variation auf das von Herodot überlieferte und von Friedrich Schiller in Erinnerung gebrachte Schicksal des Tyrannen Polykrates, der auf Rat eines Freundes seinen Lieblingsring opfert, ohne sich damit dem neidischen Zorn der Götter entziehen zu können.
Die Handlung der Oper in Kurzform: Florian und Lieschen, Bedienstete beim Hofkapellmeister Wilhelm Arndt und dessen Frau Laura, planen ihre Heirat nach dem Vorbild ihrer glücklichen Dienstherren. Wilhelms Freund Peter versucht aus Neid, Unruhe zu stiften, indem er dem vom Schicksal Verwöhnten ein „Opfer“ auferlegt: Er möge seine Frau nach einer früheren Liebe fragen, was Laura tatsächlich vorübergehend aus der Ruhe bringt. In Imitation seines Herrn stellt auch Florian sein Lieschen auf die Probe. Im Streit ihrer Bediensteten erkennen Wilhelm und Laura ihre eigenen Fehler. In der allgemeinen Versöhnungsstimmung muss Peter Vogel als störender Gast das Haus verlassen.
Die einaktige Oper entpuppt sich als musikalisches Juwel mit üppigen Orchesterfarben, köstlichen Anspielungen an die Zeit der Handlung und Wiener Walzermotiven. Die Inszenierung von Franco Ripa di Meana besticht durch eine eloquente Personenführung, während die merkwürdig anmutende Bühnengestaltung in zwei Ebenen von Tiziano Santi vermutlich mehr auf das Festival in Martina Franca abgestimmt ist.
Von den Sängern traf den „Wiener Ton“ am besten der britische Tenor Hugo Mallet, der mit seiner lyrischen Stimme dem Hofkapellmeistern Wilhelm Arndt das nötige Profil verlieh. Ihm stand mit der litauischen Sopranistin Ausrine Stundyte als Laura eine ebenbürtige Partnerin zur Seite. Sehr wortdeutlich und stimmlich überzeugend der Tenor Daniel Szeili als Florian, ein wenig blass blieb zu Anfang die Sopranistin Anne Ellersiek als Lieschen, steigerte sich aber. Den „Störenfried“ Peter Vogel, der mit seiner „Schicksalsfrage“ für gehörige Unruhe sorgte, gab stimmkräftig der Bariton Antonio Yang.
Zum großen musikalischen Erlebnis trug neben dem Sängerensemble auch das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck unter der Leitung des österreichischen Gastdirigenten Anton Marik bei, das Korngolds feine, oft witzige Partitur mit ihren irisierenden Klängen exzellent wiedergab.
Antonio Yang und Zuzana Marková in Křeneks „Das geheime Königreich“ (Foto: Jochen Quast)
Nach der Pause kam die Märchenoper „Das geheime Königreich“ von Ernst Křenek zur Aufführung, die 1928 in Wiesbaden uraufgeführt wurde und deren Libretto der Komponist selbst verfasste. Es wird die Geschichte eines Konflikts zwischen dem König, der Königin, dem Narren und zwei Rebellen erzählt, die den Zweifel des Königs an seiner eigenen Legitimität für ihre Zwecke auszunützen versuchen. Als sich der König erhängen will, spricht wundersam die Stimme der geläuterten Königin zu ihm. Er erkennt die Größe der Natur als eigentliche Autorität und geht im Schlaf in sein eigentliches Königreich ein. Der Narr, der zu Beginn über den schwachen König, das Volk und sich sinnierte, wendet sich ein letztes Mal ans Publikum.
Als Narr, der in seiner Konzeption an Shakespeare-Dramen erinnerte, bot der schottische Bariton Gerard Quinn eine Meisterleistung sowohl stimmlich wie auch schauspielerisch. Seine Bühnenpräsenz war beeindruckend. Die Rolle des Königs, der an sich selbst verzweifelte, gab der Bariton Antonio Yang voller Schwermut und Larmoyanz. Mit tollen Koloraturen wartete die Sopranistin Zuzana Marková als Königin auf, die selbst den Thron besteigen möchte. Der lyrische Tenor Hyo Jong Kim beeindruckte als Rebell durch seinen unglaublich langen Atem. Die drei singenden Damen wurden von Anne Ellersiek und den beiden Mezzosopranistinnen Theresa Fauser und Wioletta Hebrowska, zwei Revolutionäre von Daniel Szeili und dem Bass Andreas Haller, ein Wächter vom Tenor Tomasz Mysliwiec gegeben.
In einer kurzen Szene kam auch der Chor des Theaters Lübeck (Einstudierung: Joseph Feigl) recht stimmkräftig zum Einsatz. Das Leadingteam war dasselbe, wobei festzuhalten ist, dass die Inszenierung der Märchenoper sehr einfallsreich und phantasievoll ausfiel, wieder durch exzellente Personenführung bestach und auch die Gestaltung der Bühne beeindruckend war.
Die Kostüme, die Marco Idini entwarf, zeichneten sich durch eine „märchenhafte“ Buntheit aus.
Zur expressiven Musik von Ernst Křenek ein interessantes Zitat des Komponisten aus dem Programmheft: „Musikalisch gesehen … schwelgte ich in einem süßlich romantischen, eher vorwagnerschen Stil, ein wenig >atonal< gewürzt, Schubert nahekommend, dem Ideal >meiner< Phase.“ Auch seine Partitur war jedenfalls beim Orchester und seinem Dirigenten in besten Händen.
Der nicht enden wollende Beifall mit vielen Bravorufen des Publikums zeigte, wie begeistert die beiden Opernraritäten in Lübeck aufgenommen wurden.
Udo Pacolt, Wien – München
PS: Der Doppelabend steht in Lübeck noch am 12. und 20. Mai sowie am 15. Juni 2012 auf dem Programm.