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LONDON / WIEN ROH im Kino: DON QUIXOTE

LONDON / WIEN
ROH Covent Garden im Kino / UCI Kinowelt
Millennium City
DON QUIXOTE von Ludwig Minkus
19.
Februar 2019

Mit der Übertragung in 1139 Kinos in 26 Länder kann das Royal Opera House Covent Garden in London vielleicht nicht ganz mit der „Met im Kino“ mithalten, findet aber auch weltweit ihr Publikum. Vor allem, wenn es um Ballett geht (das ja in der Met gar keine Rolle spielt). Mehr als die Hälfte der Übertragungen des ROH pro Saison gelten Balletten, was auf den überragenden Ruf von „The Royal Ballet“ zurückzuführen ist.

Vor allem in den farbigen Handlungsballetten genießen die Londoner höchstrangige Reputation, und sie versuchen, diese auch zu halten – auch wenn man die Klassiker von Frederick Ashton und Kenneth MacMillan hegt und pflegt und immer wieder hervorholt, so wird auch Neues im „alten“ Stil gemacht. Was ein Publikum mit konventionellem Geschmack (und das findet sich ja nicht nur in London) begeistern muss. Das gilt mit Sicherheit für den „Don Quixote“ von Ludwig Minkus.


Foto: ROH

Der aus Kuba stammende Carlos Acosta (derzeit in dem biographischen Film „Yuli“ in den Kinos) hat an der Royal Opera als Tänzer große Karriere gemacht, ist aber auf vielen Ebenen als Choreograph tätig. Seine Fassung von „Don Quixote“ beruht auf dem Original von Marius Petipa, auf das sich ja auch Rudolf Nurejew bei seiner Wiener Premiere 1966 bezogen hat (und wie oft haben wir ihn als Basil gesehen, bewundert und vergöttert!)

Das Rahmenprogramm der Übertragung aus London (keine sonderlich begabten Moderatoren diesmal…) zeigte nicht nur seine Arbeit, sondern auch die Mühe, die sich etwa Ausstatter Tim Hatley mit der Szenerie oder Dirigent Martin Yates mit der Musik von Ludwig Minkus genommen haben. (Diesen hält man immer für einen Russen, tatsächlich war er ein Wiener, der die meiste Zeit seines Lebens in Russland gearbeitet und zahlreiche Ballette geschaffen hat, von denen „La Bayadere“ und eben „Don Quixote“ unsterblich wurden.)

Tatsächlich ist es das Ausreizen des spanischen Milieus berauschend, teils in der Optik (wogende bunte Volants der Röcke geben halt schon in der Bewegung so viel mehr her als Tütüs), teils in der Choreographie – das Akzentuierte des Tanzes, die winzigen Rubati in den Bewegungen, das stolze Schwingen von Hals, Schultern, Hüften… alles an diesem Abend sprüht vor Temperament und Kraft, die Musik, die Tänzer, der Gesamteindruck.

Der Japanerin Akane Takada passt das Gewand der Kitri wie angegossen, nicht zuletzt, weil ihre Bewegungen durch ihren extrem knochigen Körperbau wie „eckig“ wirken und damit perfekt den Stil treffen, der mit leiser Ironie durchwirkt ist. In ihren „weißen Szenen“ (die es natürlich auch hier, wie in jedem klassischen Ballett, geben muss) mögen andere sie an Eleganz übertreffen, aber der Gesamteindruck ist – auch durch die absolute Brillanz ihres Spitzentanzes – bestrickend.

Da kam ihr Partner, der Australier Alexander Campbell, in der (Nurejew-)Rolle des Basil nicht ganz mit. Man wird ihm erstrangiges Können nicht absprechen, aber zur Begeisterung reißt er nicht hin. Andere Herren taten sich da mit kraftvollen oder komischen Charakterstudien leichter, vor allem Valentino Zucchetti zog als rassiger Zigeuner Espada alle Blicke auf sich. Witzig war Thomas Whitehead als Kitris abgewiesener, dumm-tapsiger Liebhaber, und selbstverständlich sorgte auch der Sancho Panza des Philip Mosley für manchen Schmunzler.

Etwas Lyrik und Besinnlichkeit kommt in den vordringlich stürmischen Abend, der Solisten- und Corps-Virtuosität nur so durchpeitscht, von der Titelgestalt des Ritters Don Quixote. Obwohl Christopher Saunders nicht so alt und hager ist, wie man sich den Ritter von der traurigen Gestalt vorstellt, hat er eine ungemein liebenswerte Ausstrahlung. Wenn er auf seinem Strohpferd einreitet, weiß man, warum der Abend nach ihm – einer Nebenfigur ja nur – heißt…

Wer altmodisches Ballett mag, für den war es ein herrlicher Abend.

Renate Wagner

 

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