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LONDON/ ROYAL OPERA IM KINO (Dresden-Rundkino): EUGEN ONEGIN

20.02.2013 | KRITIKEN, Oper

Dresden / Rundkino: LIVE AUS DEM ROYAL OPERA HOUSE LONDON: „EUGEN ONEGIN“ – 20.2.2013


Onegin fühlt sich von Tatjana umklammert. Foto: Rundkino Dresden

 Der markante Rundbau des großen Kinos inmitten des Stadtzentrums lädt in einer besonderen Reihe mit perfekter Bild- und Tonqualität immer wieder zu ausgesuchten Live-Übertragungen aus den berühmtesten Opernhäusern der Welt mit namhaften Solisten ein. Jetzt stand eine Live-Übertragung aus dem Royal Opera House London mit P. I. Tschaikowskys 7 „Lyrischen Szenen“ nach einem Roman von Alexander Puschkin auf dem Programm.

 Vor Beginn der Aufführung und in der Pause wird der Zuschauer von Regisseur, Dirigent, und Sängern mit den Regieabsichten und den charakteristischen Eigenschaften der Operngestalten in der speziellen Lesart von Kasper Holten vertraut gemacht, bis sich der Vorhang hebt.

 Das Bühnenbild (Mia Stensgaard) zeigt durchgängig eine große Wand mit hohen Säulen, die gleichzeitig als Bücherschrank, Rückzugsort für die enttäuschte junge Tatjana, die der gereiften Tatjana noch lange vor Augen schwebt, usw. dienen. Sie eignet sich als Haus des Landadels und als Fürstenpalast, als Ballsaal und als Mauer, vor der das Duell stattfindet. Große Türen, zwischen, vor und hinter denen sich die Handlung abspielt, geben durch entsprechendes Öffnen und Schließen jeweils den Blick in eine neue Situation frei, in die bäuerliche Natur mit beachtlichen, fast bedrohlich wirkenden Getreidemassen, leicht rot gefärbt vom Blut der schwer auf Larinas Gut arbeitenden Landbevölkerung, auf eine friedliche Natur und eine bedrohliche, klatschsüchtige Gesellschaft. Durch eben diese Türen kommt der Chor von hinten auf die Bühne und mischt sich in das Geschehen ein.

 Die Kostüme (Katrina Lindsay) sind stimmig. Sie reichen vom anfangs schlicht fließenden roten Kleid der Tatjana bis hin zur fürstlichen Robe, von den (Fantasie-)Uniformen der Entstehungszeit der Oper bis hin zum opulenten überhöhten Biedermeier-Outfit in schwarz, mit dem der Chor die bedrückenden gesellschaftlichen Konventionen zum Ausdruck bringen soll.

 Die beiden Hauptakteure Krassimira Stoyanova mit ihrer besonders schönen, beseelten Stimme als Tatjana, die durch ihr Spiel trotz ihrer sonst sehr fraulichen Erscheinung mitunter doch wie die junge Endzwanzigerin wirkte und mit ihrer Mimik sehr viel auszudrücken vermochte, und Simon Keenlyside als Onegin, mit guter, ausdrucksvoller Stimme und großartigem Spieltalent, verfügen über ausgezeichnete stimmliche und darstellerische Fähigkeiten und viel Bühnenerfahrung. Sie können sich mit ihren Rollen voll identifizieren. Leider sah man zumindest durch die allzu nahen Nahaufnahmen neben einer sehr guten Mimik auch ihre Falten, die beide nicht unbedingt als die, im Leben noch unerfahrenen jungen Leute erscheinen ließen. Die Besucher im Opernhaus hatten da einen beneidenswerten Abstand und konnten sich vermutlich besser auf die großartigen sängerischen und schauspielerischen Leistungen konzentrieren.

 Möglicherweise wurde nicht nur deshalb aus der Not eine Tugend gemacht. Die Handlung wird teils von hinten aufgerollt, wobei zusätzlich zwei „Doubles“ auftreten, die junge, hübsche Balletttänzerin Vigdis Hentze Olsen mit ihren beachtlichen tänzerischen Qualitäten als junge Tatjana und Thom Rackett als junger Onegin, zeitweilig gleichzeitig mit ihren Hauptprotagonisten als eine Vision der Erinnerung, der Wünsche und Sehnsüchte.

 Bei Diana Montague störten die Falten als Madame Larina nicht, da sie eine ältere, für ihre Töchter und die Landbevölkerung sorgende Gutsbesitzerswitwe darstellt, die die Last ihres Lebens getragen, aber sich dennoch Herzenswärme und Wohlwollen mit einem gütigen Lächeln bewahrt hat.

 Sehr gut in seine Rolle als Lensky passte Pavol Breslik. Er wirkte auch in Nahaufnahmen hinreichend jung, spielte sehr überzeugend und verfügt über die erforderliche lyrische Stimme. Nur musste der Ärmste nach seinem Duell-Tod bis zum Ende der Vorstellung am vorderen Bühnenrand unbeweglich liegenbleiben (eine nicht leichte physische Leistung für einen Sänger), um deutlich zu machen, dass sein unnützer Tod alles, was Onegin von da an auch beginnt, ihn seelisch belastet, auch wenn in einer sehr guten, einfallsreichen Szene zur berühmten „Polonaise“ eine geschmeidige Tänzerin nach der anderen als Vision der Olga an ihm vorbeischwebt, ihm scheinbar Liebe verheißt und wieder entschwindet (Choreografie: Signe Fabricius). Hier zeigte sich auch Keenlyside mit besonderer Agilität und tänzerischer Leichtigkeit.

 Es gab auch zwei „echt“ russische Typen, Elena Maximova, die ihrer Rolle als Olga, die voller Erwartungen das Leben leicht nimmt, gerecht wird und Peter Rose als Fürst Gremin mit beachtlicher Leibesfülle und zahlreichen Orden auf der stolzen Brust. Beide wurden auch ihren Gesangspartien durchaus gerecht.

 Der ältliche Monsieur Triquet wurde von Christophe Mortagne nicht schlecht, dem dargestellten Alter entsprechend, gesungen, und auch die Nebenrollen wie Elliot Goldie als singender Bauer, Jihoon Kim als Zaretzky, Michel de Souza als Hauptmann und Luke Price als Onegins Freund Guillot passten gut ins Bild und erfüllten ihre sängerischen Aufgaben gewissenhaft.

 Am Pult stand Robin Ticciati, seit 2009/10 Chefdirigent des Scottish Chamber Orchestra, der die Aufführung mit viel Engagement und Einfühlungsvermögen leitete.

 Ingrid Gerk

 

 

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