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LONDON / ROH im Kino: DIE WALKÜRE

29.10.2018 | KRITIKEN, Oper


Fotos: ROH / Bill Cooper

LONDON / ROH Covent Garden im Kino / UCI Kinowelt Millennium City:
DIE WALKÜRE von Richard Wagner
28.
Oktober 2018

Inszenierungen von Einzelteilen des „Rings“ lassen sich nicht so leicht beurteilen, weil sie ja im Zusammenhang mit den übrigen Teilen stehen können und man solcherart in einer „Walküre“ möglicherweise Bedeutungen nicht versteht, die etwa in „Rheingold“ angelegt sein mochten und dann in den nächsten Teilen weitergeführt werden. Die nicht mehr ganz frische Londoner Inszenierung von Keith Warner von 2005 gibt von der Ausstattung her einige Rätsel auf, versagt in der Wirkung an entscheidenden Stellen (so Kleinigkeiten wie dem Walkürenritt und dem Feuerzauber), funktioniert aber in der Personenführung.

Hundings Haus, in dem sich trotz der Winterstürme ein Ventilator dreht, wie er in den Tropen üblich ist, kommt einem noch seltsamer vor, wenn diese Szenerie mit ihren teils unerklärlichen Elementen mehr oder minder auch für den zweiten Akt gilt (sogar das Essen, das Sieglinde im ersten Akt serviert hat, steht noch auf dem Tisch). Gewissermaßen als „fatales Requisit“, das durch alle drei Akte geht, kann man ein Sofa mit großen Widderhörnern betrachten – im ersten Akt verletzt sich Hunding mit der Axt die Hand und schmiert das Blut auf die Hörner, was man als Versprechen an Fricka, diesen Siegmund zu töten, gewissermaßen nachvollziehen kann. Im zweiten Akt verstecken sich Siegmund und Sieglinde hinter diesem umgestürzten Sofa – ja, und im dritten stellt es sich dann als umgewidmetes Bett für Brünnhildes tiefen Schlaf heraus… Der dritte Akt ist dann „ganz anders“, die Walküren wüten vor einer weißen Mauer (mit vagen Videobildern und Schattenspielen), die später auf der Drehbühne von Wotan hin und her geschoben wird… weder optisch noch inhaltlich sehr sinnvoll. Der „Feuerzauber“ ist mikrig, beim Walkürenritt werden die Skelette von Pferdeköpfen geschwungen… Da hat man von Keith Warner, von dem Wikipedia verrät, dass er sich nach eigenen Angaben seit seinem 14. Lebensjahr für Wagner begeistert, in Wien schon Überzeugenderes gesehen – den „Hotel-Don Giovanni“ im Theater an der Wien beispielsweise oder ebenda die „Elegie für junge Liebende“. Aber, wie gesagt, ein „Ring“ will als Ganzes gesehen und beurteilt werden.

Details der Personenführung überzeugen, andere sind schockhaft extrem wie der lange, sinnliche Kuss auf dem Mund, den Wotan Brünnhilde gibt – sie erschrickt, der Zuschauer auch, noch ein Inzest in der Familie? Im übrigen ruht die Aufführung auf der – unterschiedlichen – Kraft der Interpretin.

Die Königin des Abends ist Nina Stemme, nicht nur, weil ihr „Schwedenstahl“ beweist, dass man auch Wagners Höchst-Dramatik schlechtweg schön singen kann. Abgesehen davon ist sie ein so unheldisches, empfindsames, liebenswertes Wotanskind, wie es selten gelingt.

Sarah Connolly, die wir in Wien als verhaltenen Ariodante kennen gelernt haben, hat damals erzählt, dass sie bei Wagner nie weiter gehen wird als zu Brangäne, Fricka und Waltraute (die sie an der Met singen wird). Ihre Fricka ist ein Erlebnis – eine Verführerin im roten Abendkleid, mit roten Haaren, die Wotan nicht mit Zorn, sondern Raffinesse zusetzt, so dass er sie auf bewusstem Sofa fast verführen würde… Prächtig gesungen, gibt es dem 2. Akt noch einen besonderen Kick, wenn Fricka am Ende im Hintergrund steht und sich die Toten (Siegmund und Hunding) nicht ohne Befriedigung betrachtet…

Für Emily Magee ist die Sieglinde, die man stimmlich nicht unterschätzen sollte (manchmal wird sie gefordert wie Brünnhilde), vielleicht eine Spur zu dramatisch, aber sie stürzte sich mit vollen Einsatz in die Figur, und oft ist die Überzeugungskraft wichtiger als der eine oder andere verrutschte Ton.

Das konnte Stuart Skelton nicht passieren. Dieser australische Tenor war bisher nur selten in Wien (und es ist eineinhalb Jahrzehnte her). Mittlerweile hat er Weltkarriere gemacht. Er ist ein Stimmprotz, der die „Wälse“-Rufe ausreizt bis zum letzten (der Dirigent ließ ihn) und auch noch das blühende „Wälsungenblut“ weit länger hielt als vorgesehen – einfach, weil er es konnte und offenbar Spaß daran hatte, noch und noch an Kraft hören zu lassen. Was nicht heißt, dass er die Rolle nicht stimmlich differenziert hätte. So „schön“ wie Botha (dem er auch optisch gleicht) hat er sie nicht gesungen, aber ein Siegmund, der gar keine Probleme kennt, ist ja auch etwas Schönes.

Der Schwede John Lundgren, auch bei uns noch nicht aufgetaucht, obwohl international viel unterwegs, ist natürlich schon optisch nicht ganz der Mann, den man sich als Wotan vorstellt – schlank, schmal, ziemlich glatzköpfig, Typ: Manager -, aber das Problem war vor allem, dass er seinen hellen Bariton durchwegs ungemein hart und kalt führte, um durch die Anforderungen der Rolle zu kommen. Das war dann ein wenig eintönig, obwohl gegen einen neurotischen Göttervater ja grundsätzlich nichts einzuwenden ist.

Hunding war „unser“ Ain Anger, aber er ist uns ja bis auf gelegentliche Gastspiele ziemlich verloren gegangen. Ein wirklich rabenschwarzer, wirklich großer Baß ist er nicht, aber wer war das schon seit Frick und den gewaltigen Finnen? Den brutalen Kerl elegant zu spielen, das bekam er sehr gut hin.

Acht Walküren machten gewaltigen Lärm, und das tat auch Dirigent Antonio Pappano, wobei man nicht sicher ist, ob nicht die hervorragende Quadrophon-Tonanlage des UCI Kinowelt Millennium City seinen handfesten, dramatisch gepeitschten, schwelgerischen Wagner noch dichter und lauter gemacht hat, als er im Original geklungen haben mag. Da der Dirigent fast ausschließlich auf große, starke Stimmen zurückgreifen konnte, stimmte das auch als Konzept. Der Abend riß mit, und manches – die Stemme, die Connolly – prägte sich als unvergesslich ein.

Renate Wagner

 

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