Löbejün: LOEWE-SCHUBERT-KONZERT – 12. 5.2013
Zum Gedenken an den 144. Todestag (20.April) von Carl Loewe bat die Internationale Carl-Loewe-Gesellschaft zu einem Lieder- und Balladennachmittag in die Stadthalle Löbejün, der mit dem Namensträger der Gesellschaft und Franz Schubert zwei Meistern dieses Genres gewidmet war, wobei der erstere der beiden Komponisten 1796 in eben jenem Löbejün das Licht der Welt erblickte. Schon früh zur Halbwaise geworden, besuchte er als Gymnasiast die Franckeschen Stiftungen im nahe gelegenen Halle, Napoleons Bruder Jérome gewährte ein Stipendium. Nachdem der 24jährige bei Zelter in Berlin eine glänzende Prüfung abgelegt hatte, trat er in Stettin eine 46 Jahre währende Stellung als Kantor und Organist, Gymnasiallehrer und städtischer Musikdirektor an. Auf Spontinis Fürsprache ernannte ihn die Greifswalder Universität zum Ehrendoktor, 1837 wurde er Mitglied der Berliner Akademie der Künste.
Aus Anlass des 200. Geburtstages von Loewe nahm die Internationale Carl-Loewe-Gesellschaft 1996 ihre Tätigkeit auf, die einen Schwerpunkt ihres Wirkens in dessen Geburtsstadt gelegt hat und dort regelmäßig ihm gewidmete Festtage veranstaltet, die sich das schöne Ziel gesetzt haben, nicht nur die Balladen, die „einen unentbehrlichen Anteil am Bild der deutschen Musikromantik“ (H. J. Moser) bedeuten, in meisterlichen Interpretationen zu Gehör zu bringen, sondern darüber hinaus das übrige Schaffen des Löbejüners dem Vergessen zu entreißen. Etliche seiner Kompositionen für Klavier (und Orchester) und anderes aus dem Bereich der Kammermusik, aber auch beeindruckende Chorwerke, wie das Oratorium „Die Zerstörung Jerusalems“, gelangten hier zur Aufführung. Gesangssolisten vom Range eines Theo Adam, Dietrich Fischer-Dieskau, Kurt Moll, Hermann Prey oder Peter Schreier nahmen in der sächsisch-anhaltinischen Kleinstadt die Ehrenmitgliedschaft dieses Gremiums in Empfang.
Das Konzert am 12. Mai wurde von Gästen aus Wien gestaltet, einer Stadt, der Loewe stets innig gedachte, weilte er doch 1844 als Interpret (er besaß eine ausdrucksvolle Gesangsstimme) eigener Werke in deren Mauern, wo ihm ein äußerst liebevoller Empfang bereitet wurde. Als Interpreten waren die Sopranistin Edith Meiszl, der Bassbariton Erwin Schmiedel und die vorzügliche Pianistin Noriko Shibata angereist. Werner Mixan, von Haus aus ebenfalls Pianist, führte charmant, teilweise zu theorielastig, durch das Programm, wies auf Loewe und Schubert Verbindendes hin und ließ es sich nicht nehmen, gemeinsam mit der aparten Japanerin Schuberts Militärmarsch zu musizieren. Edith Meiszl, im Fach der Opernsoubrette beheimatet, brachte manch Ansprechendes zu Gehör, wobei sich ihre Höhe partiell verflachte und Schuberts „Gretchen am Spinnrad“ zu privat geriet, für Loewes „Heinzelmännchen hätte ich mir eine komödiantischere Wiedergabe gewünscht. Einen Problemfall stellte Erwin Schmiedel dar, der sich demnächst in heldentenorale Sphären begeben möchte. U. U. trug dieser geplante Fachwechsel zu seiner derzeitigen stimmlichen Verfassung bei. Oder sollte gar eine verschwiegene arge Indisposition den ungünstigen Eindruck bewirkt haben? Insgesamt klang mir etliches zu dumpf und uninspiriert, geriet die Stimme zu oft aus dem Fokus, aus den Schwierigkeiten beim Piano resultierte eine angestrengte Höhe. Dass sich der Sänger schließlich gar noch an „Gregor auf dem Stein“, jenen Fels Loewescher Vokalkomposition, wagte, erschien mir, nicht nur in Anbetracht weitgehender Textunverständlichkeit, einigermaßen vermessen. Da musste man freilich den guten Willen für die Tat nehmen.
Joachim Weise