Georg Friedrich Händel (1685 – 1759)
Rarität im Musiktheater Linz: „Joseph and his Brethren“ von Georg Friedrich Händel (Premiere: 16. 6. 2018)
Am 16. 6. 2018 fand in der BlackBox-Lounge des Musiktheaters Linz die vierte Vorstellung der in der heurigen Saison neuentwickelten Reihe „Oper am Klavier“ statt. Diesmal wurde das Geistliche Drama genannte Oratorium „Joseph and his Brethren“ von Georg Friedrich Händel in Kombination mit einer Lesung von Thomas Manns Roman Joseph und seine Brüder konzertant aufgeführt.
In diesem 1744 in London uraufgeführten Werk in drei Teilen von Händel (Libretto: James Miller) wird Joseph von seinen elf Brüdern aus Neid in die Sklaverei nach Ägypten verkauft, wo er aus Eifersucht verklagt und ins Gefängnis geworfen wird. Wegen seiner erfolgreichen Traumdeutungen, durch die er das Land vor einer Hungersnot bewahrte, stieg er zum engsten Berater des Pharao auf. Als Joseph durch Zufall seinen Brüdern wieder begegnet, muss er sich zwischen Rache und Vergebung entscheiden.
Die konzertante Vorstellung wurde wieder vom Dramaturgen Christoph Blitt moderiert, der in seiner Einführung des Abends über die biblische Vorlage des Oratoriums sprach und dabei ausführlich über Thomas Mann referierte, der dieses Thema in seinem gleichnamigen Roman behandelte, aus dem Hermann Schneider anschließend Ausschnitte in pointierter Art und Weise las.
In seinem Referat wies der Dramaturg darauf hin, dass Thomas Mann zurzeit im Linzer Musiktheater stark vertreten ist: Händels Oratorium wird als „Oper am Klavier“ am 21. Juni 2018 in der BlackBox-Lounge wiederholt, außerdem steht Benjamin Brittens Oper „Tod in Venedig“ nach Manns gleichnamiger Novelle am 19. Juni sowie am 2. und 6. Juli im Großen Saal des Musiktheaters auf dem Programm. Und im November und Dezember 2018 wird die Oper „Die vertauschten Köpfe“ von Peggy Glanville-Hicks nach Manns gleichnamiger Novelle in der BlackBox aufgeführt.
Die Sopranistin Fenja Lukas (Copyright: Peter Philipp / Linzer Landestheater)
Die musikalische Leitung des Abends hatte die Pianistin Katharina Müllner vom Klavier aus inne. Sie war dem vierköpfigen Sängerensemble, das auch als Chor fungierte, eine sehr einfühlsame Begleiterin. Aus dem Ensemble ragte die in München geborene Sopranistin Fenja Lukas in der Rolle der Asenath, der Tochter des Hohepriesters, heraus. Mit ausdrucksstarker und höhensicherer Stimme bezauberte sie das Publikum, das immer wieder mit Szenenapplaus reagierte. Ihr Duett mit der südkoreanischen Mezzosopranistin Yoon Mi Kim-Ernst in der Rolle des Joseph zählte zu den musikalischen Höhepunkten der Vorstellung.
Für die hohe Qualität des Abends zeichneten auch die beiden männlichen Darsteller mitverantwortlich: der Tenor Mathias Frey als Simeon, Josephs Bruder, und der Bariton Marius Mocan in der Rolle des Pharao. Gemeinsam mit den beiden Sängerinnen bildeten sie überdies den stimmkräftigen Chor.
Das begeisterte Publikum dankte am Schluss allen Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall für den mehr als gelungenen Opernabend. Es wäre eine Bereicherung des Linzer Musiktheater-Programms, diese Reihe Oper am Klavier mit konzertanten Aufführungen von selten gespielten Werken der Opernliteratur auch in der Saison 2018 / 19 fortzusetzen.
Udo Pacolt