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LINZ/ Landestheater: SCHOOL OF ROCK – Musical von Andrew Lloyd-Webber nach dem Film von Mike White. Premiere

10.09.2023 | Allgemein, Operette/Musical

Linz: „SCHOOL OF ROCK“ – Premiere im Musiktheater des Landestheaters Linz, Großer Saal, 09. 09.2023

Musical nach dem Film von Mike White (2003) von Andrew Lloyd Webber (Musik), Glenn Slater (Gesangstexte) und Julian Fellowes (Buch), Deutsch von Timothy Roller

Eine Kooperation des Landestheaters Linz mit dem OÖ. Landesmusikschulwerk

Deutschsprachige Erstaufführung

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Max Nimführ, Enrico Treuse, Jana Engler, Divine Bira. Copyright: Reinhard Winkler

Dieses Musical, das am 6. Dezember 2015 im Winter Garden Theatre seine Uraufführung erlebte, war erst das zweite Webber- Musical (nach Jesus Christ Superstar, 1971), das nicht im Londoner West End, sondern am Broadway erstmals zu sehen war. Grund dafür waren angeblich die strikteren Arbeitsgesetze für Kinder in Großbritannien. Der Erfolg war mit einer Laufzeit bis Anfang 2019 und über 1.300 Vorstellungen „Webber-gemäß“.

 

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Max Nimführ, Gabriel Federspieler. Copyright: Reinhard Winkler

Zu den auditions der Originalproduktion waren für die Rollen der Kinder und Jugendlichen Neun- bis Fünfzehnjährige aufgerufen, und dieser Klammer folgt auch Linz. Zudem: waren bei der „Krieg und Frieden“-Produktion der letzten Saison Erwachsene aus dem Musicalensemble und aus verschiedenen Musikerprofessionen gefordert, Instrumente zu spielen, zu tanzen, zu schauspielern und zu singen, so geht diese schwierige Aufgabe in diesem Werk auch an sehr junge Nachwuchskräfte. Aber vielleicht kann Begeisterung auch einiges an Erfahrung ersetzen? Andrew Lloyd Webbers Musik rockt großteils fröhlich und rhythmisch ansteckend dahin, ohne großes Schlagerpotenzial, aber mit ein paar sehr gut ausgearbeiteten nachdenklichen und psychologisch intensiven Momenten dazwischen, die dann auch nicht in Klischees verfallen.

Die Inszenierung (Matthias Davids) ist kein franchise, sondern eine Eigenentwicklung – nicht selbstverständlich bei neueren Musicals und ein Ausweis für das Renommee des Linzer Musicalteams: Bühne Andrew D. Edwards, Kostüme Adam Nee, Choreografie Hannah Moana Paul, Lichtdesign Michael Grundner; Dramaturgie Arne Beeker, Miteinstudierung und bei einigen der künftigen 29 Aufführungen als Dirigent: Juheon Han.

Herausgekommen ist ein dichter, temporeicher, unterhaltsamer Abend, mit äußerst schnell komplex wandelbarer und atmosphärisch wie mit witzigen Details überzeugender Drehbühnenkulisse zwischen Wohnung (mit „Cats“-Plakat), Schule und Rockpalast. Der Orchestergraben ist (bis auf ein winziges cockpit für den Dirigenten am keyboard, Tom Bitterlich) überdeckt, der Bühnenrahmen ist weitestmöglich ausgefahren – viel Platz für das ausgefeilte Spiel der jugendlichen und erwachsenen Bühnenpersönlichkeiten.

Letzterer Begriff ist mit Bedacht gewählt, weil die vielen hier wesentlich involvierten Kinder nicht nur exzellent singen und der Choreographie folgen können, sondern wirklich ausgefeilte Charaktere darstellen. Einige (an diesem Abend Max Nimführ, Amy Parshad, Sam Göll und Anna Krainz) spielen dazu tatsächlich und live und mehr als ordentlich E-Gitarre, keyboard, Schlagzeug und E-Bass – zusammen mit der „eigentlichen“, unter der Bühne im Graben spielenden band „Die Schulschwänzer“ rocken die 4 einfach mitreißend!

Neu im Linzer Ensemble sind die Darsteller der zwei wichtigsten Erwachsenenrollen: Dewey Finn, der falsche Lehrer (und richtige Lehrmeister) der Kinder, Enrico Treuse – großartige Stimme, erstklassiges Schauspiel ohne Rücksicht auf Verluste, und noch dazu ein wahrer Marathonmann, da er sich mit minimalen Absenzen (und die auch nur zum schnellen Garderobenwechsel) die ganzen netto 2 ½ Stunden der Aufführung auf der Bühne befindet, dabei meist im Mittelpunkt. Seine unmittelbare Gegenspielerin ist die gestrenge (dabei innerlich merklich hin- und hergerissene) Schuldirektrice Rosalie Mullins. Deren Darstellerin, Alexandra-Yoana Alexandrova, die nicht nur im Laufe der Handlung ihre unterdrückte Liebe für Rockmusik (vor einer wahrhaftigen Wurlitzer-Jukebox Typ 1800) besingen wird, schafft andererseits auch ein gar nicht kurzes, blitzsauberes Koloraturzitat aus der Rachearie der Königin der Nacht!!

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Alexandra-Yoana Alexandrova und das Kinderensemble. Copyright: Reinhard Winkler

Ned Schneebly, ehemalig Bandmitglied bei Dewey, jetzt nerdiger Lehrer, als solcher sowie nicht ganz freiwilliger Quartiergeber Opfer von Deweys Identitätsklau, ist punktgenau Ensemblestütze Christian Fröhlich, dessen über weite Teile des Stückes dominierende Graumäuslichkeit wohl auch durch seine recht dominante Lebensgefährtin Patty di Marco (mit Saft und Kraft: Sanne Mieloo) mitbestimmt ist.

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Karsten Kenzel, Lukas Sandmann, Enrico Treuse. Copyright: Reinhard Winkler

Die anfangs und zum Ende auftauchende band “No Vacancy” besteht aus Theo (Lukas Sandmann), Bob (Karsten Kenzel), Doug (Joel Parnis) und Snake (Christian Funk); sie ist dermaßen (herrlich parodistisch dargestellt und gesungen) dem Glitz- & Glamrock verfallen, daß sogar der Stinkefinger, mit dem sie das erdig-proletarische und dem Slimfitismus abholde Rocktier Dewey verjagen, vor Straßsteinen glitzert. Die vier brillieren auch in weiteren Rollen als vom Beruf deformierte Lehrer und mehr oder weniger seltsame Eltern der Schulkinder, wie auch Richard McCowen, Max Niemeyer, Celina dos Santos, Valerie Luksch, Tina Schöltzke und Linda Krischke. Im Lehrkörper sticht einmal mehr Daniela Dett hervor, die als schon ziemlich alte Ms. Sheinkopf nicht nur mehr ahnt und weiß als alle anderen im Kollegium, sondern die sich auch schlußendlich als wahrer Glamrockfan outet.

Unter den nicht instrumentalistisch tätigen Schülerinnen und Schülern fällt Summer Hathaway (Elisabeth Baehr) als Klassenstreberin und Genauigkeitsfan auf – was dann vom falschen Lehrer und echten Menschenkenner Dewey in den Posten der Bandmanagerin sublimiert wird. Aber auch Billie (Michael Falkner), James (Jakob Blaimschein), Josie (Emilia Eder), Madison (Greta Winkelhofer), Marcy (Selina Edwards), Mason (Gabriel Federspieler), Shonelle (Valentina Dieplinger) und Sophie (Eva Winkelhofer) sind ausgeprägte, glaubwürdige Charaktere – egal, ob da mehr Begeisterung oder mehr Erarbeitung dahintersteht. Tomika (Divine Biira) glänzt mit tief empfundenem Sologesang. Zu danken ist jedenfalls den coaches Olga Bolgari und Johannes Astecker (Gesang) sowie Hannah Moana Paul mit Linda Krischke (Tanz).

Alle Kinderrollen sind doppelt besetzt, nicht zuletzt wegen des Schulbetriebes… Zum Schlußapplaus (und zur Vorstellung bei der Premierenfeier) treten deshalb diesmal auch Dominik Ehlers, Noah Grubinger (wenig überraschend in der Rolle des jungen Drummers), Csongor Laszlo, Luisa Kircher, Jana Engler, Moritz Schmuckermair, Eva Abraham, Maja Jany, Leo Kurowski, Lea Steigerstorfer, Emilia Seitlinger, Ella Stelzel, Anna Kathan und David Pfister an.

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Regisseur Matthias Davids, das Kinderensemble und dessen Coaches. Copyright: Reinhard Winkler

Witzig an der ganzen Sache ist freilich, daß einerseits die Disziplin der sehr leistungsorientierten Schule von Dewey in Frage gestellt wird, andererseits aber die gebotenen darstellerischen und musikalischen Leistungen nur mit Strebsamkeit und Disziplin – aber sicher auch nicht ohne großen Spaß an der Freud‘! – zu erreichen sind.

Jedenfalls eine rundum perfekt gelungene, positiv gestimmte Saisoneröffnung, die vom Publikum mit größtem Jubel für Bühnenpersonal, Musik und Produktionsteam belohnt wurde.

 

Petra und Helmut Huber

 

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