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LINZ/ Landestheater: RIGOLETTO. Premiere

23.09.2012 | KRITIKEN, Oper

LANDESTHEATER LINZ: RIGOLETTO. Premiere am 22. September 2012

 Melodramma in drei Akten von Francesco Maria Piave nach dem Versdrama Le Rois’amuse von Victor Hugo, Musik von Giuseppe Verdi
Premiere des Landestheaters Linz am 22. 9. 2012

 
Nikolai Galkin, Gerard Kim. Foto: Linzer Landestheater/Reinhardt Winkler

Seit 2007 (La Traviata) sind nun Verdis „Große Drei“ (wieder einmal, zum letzten Mal im alten Haus) komplett; diesmal hat sich der Intendant selbst um die Inszenierung der düsteren Geschichte um einen verbitterten Hofnarren und seine ängstlich beschützte Tochter angenommen. Er hat sie intelligent interpretiert, präzise erzählt, den teils hervorragenden Sängerinnen und Sängern Luft zum Atmen gelassen und den Emotionen Raum gegeben.

Während der Ouverture wird in einer kurzen Vignette eine denkbare Ursache der Einsamkeit und Verbitterung Rigolettos (Gérard Kim) enthüllt.

Am Hofe des Herzogs (Pedro Velásquez Diaz) geht es hoch her, in Gold maskierte Herren und Damen mit phantastischem Kopfschmuck (von Leherb oder Arik Brauer inspiriert?) feiern und intrigieren, angestachelt vom Hofnarren. Die Stimmung kippt, als der erniedrigte und verhöhnte Graf von Monterone (überzeugend gespielt, sehr gut bei Stimme: Melih Tepretmez) Rigoletto verflucht.

Als Rigoletto heimkehrt in sein Haus, zu seiner Tochter Gilda (Myung Joo Lee), wird deutlich, daß er nicht wahrhaben will, daß sie zur jungen Frau herangewachsen ist, sondern sieht in ihr immer noch das kleine Mädchen, als das sie auch im Vorspiel aufgetreten war. Wie es sein soll ist das „Caro nome“ einer der Höhepunkte des Abends (mehrminütiger Szenenapplaus), denn Frau Lee ist eine perfekte Gilda, nicht nur in Erscheinung und als Schauspielerin, sondern sie verfügt auch über eine grandiosen Stimme und erstklassige Technik: vom zarten pianissimo bis zum lautesten Ausbruch immer perfekt angesetzt, inklusive völlig gleichförmiger crescendi und decrescendi; ihr Gesang ist niemals scharf, er ist höchst präzise in Intonation und timing. Das alles kommt aber nicht kalt und glatt über die Rampe, sondern ist vollgepackt mit allen Emotionen, die diese Rolle zum Leben erwecken und so bewegend machen.

Sosehr Herr Kim auch den liebevollen und (ängstlich über)beschützenden Vater überzeugend gespielt und gesungen hat, sein Ausbruch in „Cortigiani, vil razza…“ könnte noch intensiver und erschreckender sein – über gute Stimme und Technik verfügt er, wie er den Abend über immer wieder gezeigt hat. Schlägt sein Auftritt jedoch ins Flehen um, kann Kim seine Stärken voll ausspielen. Als er seine Tochter – seine kleine Tochter – zurückerhält, ist sie geschändet.

Im dritten Akt wird die Tenorarie aller Tenorarien fast bedächtig, aber sehr elegant ausschwingend genommen, was Herrn Diaz entgegen kommt, der hier (neben seinem Duett mit Gilda im ersten Akt) sicherlich seinen besten Moment des Abends hat. Das wunderbare Quartett, in dem sich doch emotionell so Abgründiges tut, funktioniert perfekt.

Im schrecklichen Finale zeigt sich eine interessante Facette der Inszenierungsidee mit der immer wieder einmal doppelt (als die junge Frau und das kleine Mädchen) erscheinende Gilda – denn im Bündel, das Rigoletto vom gedungenen Mörder ausgehändigt erhält, liegt Gilda wieder als kleines Mädchen; die erwachsene, die ja noch einiges zu singen hat (was inszenatorisch bekanntlich nicht immer ohne Peinlichkeiten abläuft, à la „die Stimme aus dem Sack“), erscheint auf der Bühne als eine Vision des Verzweifelten: eine Szene, die zutiefst ergreifend gelungen ist, wo Herr Kim auch zu seiner größten Leistung aufläuft.

Die weiteren größeren Rollen wurden von Nikolai Galkin (Sparafucile), Martha Hirschmann (Maddalena) und Vaida Raginskyè (Giovanna) sängerisch und schauspielerisch kompetent verkörpert; sie trugen zum hervorragenden Gesamtbild des Abends ebenso bei wie der Chor (Einstudierung Georg Leopold).

Das Bruckner-Orchester war perfekt disponiert. Ingo Ingensand als Dirigent schaffte mit ihm ein transparentes, bis in feinste Details präzises Klangbild von ausgewogenem Dynamikumfang, das mit dem Bühnengeschehen perfekt harmonierte.

Die Inszenierung von Rainer Mennicken setzte auf sorgfältige Ausarbeitung des Stoffes und Personenzeichnung (Dramaturgie: Wolfgang Haendeler); Stefan Brandtmayrs Bühnenbild nutzte Elemente bekannter Gemälde aus der Renaissance- und Barockzeit, in dem das Haus Rigolettos als glatter, äußerlich eisig abweisender Block imponierte, mit einem heimeligen, aber auch beengendem Kinderzimmer für Gilda. Der Fürstenhof wurde durch großzügige und luxuriöse Versatzstücke charakterisiert, das Haus von Sparafucile und Maddalena wies einen Empfangsraum mit Bar zu ebener Erde und eine Kammer im ersten Stock auf. Die Kostüme (Cornelia Kraske) setzten zwar auf generelle Unauffälligkeit, wobei aber durch zum Teil außerordentlich prachtvolle Accessoires ein sehr lebendiges Bild auf der Bühne erzeugt wurde; auch wurden die Charakteristika der Figuren mit geschickten Varianten alter Stereotype, von der weiß-unschuldigen Gilda über die rote Verführerin Maddalena bis zum schwarzen Sparafucile, verdeutlicht.

Begeisterter, lange dauernder Applaus, auch ganz einhellig für das leading team; das alte Linzer Landestheater gibt als Opernhaus noch kräftige Lebenszeichen von sich – auch wenn im April dann eine neue Ära beginnt.

 H & P Huber

 

 

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