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LINZ/Internationales Brucknerfest: Markus POSCHNER, Ricarda MERBETH, das BRUCKNER ORCHESTER LINZ mit Richard Wagner und Anton Bruckner


Ricarda Merbeth: Copyright: Mirko Joerg Kellner

LINZ / Internationales Brucknerfest: Markus POSCHNER, Ricarda MERBETH, das BRUCKNER ORCHESTER LINZ mit Richard Wagner und Anton Bruckner

28.9. 2018 – Karl Masek

Unter dem Motto „WAS DU ERERBT VON DEINEN VÄTERN – Bruckner und die Tradition“ finden beim Internationalen Brucknerfest 2018 zwischen dessen Geburtstag (4. September) und seinem Todestag (11. Oktober) über 30 Veranstaltungen im 1974 eröffneten Brucknerhaus Linz und anderen Veranstaltungsorten in und um Linz statt.

Die Sinfonie Nr. 3, d-Moll, WAB, widmete Bruckner seinem besonderen Idol Richard Wagner, fuhr dafür auch nach Bayreuth, um sie „dem Meister“ vorzulegen. Die Erstfassung von 1872/73 hatte etliche geschickte Anspielungen auf Wagner-Motive enthalten, ohne ihn freilich zu zitieren.

Leider, ist man versucht zu sagen, hat Bruckner in zwei weiteren Fassungen fast alle diese Stellen wieder gestrichen und den Finalsatz auf Ratschlag seiner Schüler („Ratschläge“ waren im Falle Bruckners nicht selten „Schläge!) völlig verändert, heute meinen manche, „verstümmelt“. Die Uraufführungen der „Zweiten“ und „Dritten“ Fassung fanden noch zu Lebzeiten des Meisters statt (vor allem die UA 1877 unter dem Dirigat des Komponisten war ein Fiasko, wie berichtet wurde).Schließlich setzte sich die „Dritte“ Fassung, die endlich ein Erfolg war (UA 1890), durch…


Markus Poschner, seit 2017 Chef des Bruckner-Orchesters Linz. Foto: Linzer Landestheater

Markus Poschner, seit 2017 Chefdirigent des Bruckner Orchesters Linz, setzte diesmal verdienstvoller Weise die sonst kaum gespielte Urfassung von 1873 an. Ich neige immer mehr zur Auffassung, bei den Sinfonien des großen St. Florianers sind die Urfassungen die kühnsten, innovativsten Versionen und hätten nicht der Beeinflussung von Freunden und Ratgebern bedurft, die den im persönlichen Umgang offenbar wenig selbstbewussten und bei kleinster Kritik allzu leicht beeinflussbaren und autoritätsgläubigen Meister zu Änderungen veranlassten.

Als Schüler des Simon Sechter, der berühmt-berüchtigt für seine strikten Unterrichtsmethoden war, ging es Bruckner lange um die reine Lehre des Tonsatzes, des Kontrapunkts – bis er als Komponist die Sakralwerke hinter sich ließ, sogar in Werken Beethovens „Fehler im Sechter’schen Sinne“ gefunden hatte, und sich selbst die „Erlaubnis erteilte“, auch diese Fehler machen zu „dürfen“. Da war Bruckner aber bereits 40 –  begründete auf der Beethoven’schen Tradition fußend, eine völlig andere „Tradition“ – und bei Entstehung der „Dritten“ war er längst in Wien. Sechter war bereits gestorben. Der Stecker war „umgelegt“. „Eine enorme Schaffenskraft und ein enormer Drang brechen sich da Bahn“, so der Dirigent in einem Interview, das im Programmheft abgedruckt ist.

Markus Poschner bewies in einem stürmisch bejubelten Konzert immenses Gespür für die eruptiven und zugleich spielerisch-experimentell anmutenden Kreativschübe dieser Urfassung. Als Jazzpianist, der er auch ist, konnte er besonders überzeugend mit „Improvisatorischem“ des Orgelimprovisators Bruckner umgehen. In der „Dritten“ wird mit musikalischen Bausteinen gespielt, gleichzeitig mit Farben experimentiert – wie ein Kind, das selbstvergessen beim konzentrierten Spielen die Welt rundum ausblendet. Immer wieder zwischendurch unterbricht, um das bisher Aufgebaute zu betrachten – daher die vielen Generalpausen. Alle sind sie sinnfällig und niemals Stillstand. Mittendrin scheinen aber auch die Bauklötze zusammenzustürzen. Dann geht’s wieder anders, scheinbar völlig neu, weiter. Trotzdem bleibt das Gesamte eines musikalischen Bauwerks immer im Fokus.

Faszinierend, wie das an diesem Abend Klang wurde, so als könnte es gar nicht anders sein. Das Bruckner Orchester Linz begeisterte, vom souveränen Dirigenten mit klarer Gestik geführt, mit einer Farbpalette und Balance des Kollektives, die ihresgleichen suchte. Zugleich entstand der beglückende Eindruck, jede/r einzelne Musiker/in hätte unersetzbare Wichtigkeit. Da traten die Blechbläser/innen nicht ungebührlich hervor, sondern blieben im Klanggeschehen homogen eingebunden. Der Pauker war ein kongenialer Mitgestalter der Strukturen, setzte, ohne krachend oder sonst wie vorlaut zu klingen, perfekt seine Akzente. Butterweich die Hörner, ohne unangenehme Schärfe die Trompeten, wunderbare Valeurs kamen von allen Holzbläser/innen, von seidig bis kraftvoll-erdig die Streicher/innen – hier fällt die große weibliche Mehrheit auf! Das Scherzo hatte einen Hauch von Dämonie, das Trio (im „gleichen Zeitmaß“) , „oberösterreichisch“ getönte Leichtfüßigkeit. Das „unverstümmelte“ Allegro-Finale krönte schließlich das „Bauwerk“.

Vor der Pause das Bruckner-Idol Wagner. „Dich, teure Halle, grüß‘ ich wieder…!“ eröffnete den Abend. Die deutsche Sopranistin  Ricarda Merbeth, seit 2010 österreichische Kammersängerin, befindet sich mittlerweile auf dem Weg von der jugendlich Dramatischen ins hochdramatische Fach. Uns in Wien ist sie (seit 1999) als Donna Anna und Freia, später als Senta, Tannhäuser-Elisabeth, Chrysothemis, Fidelio-Leonore und vor allem als Daphne in sehr positiver Erinnerung.

Selten die Hallenarie (Tannhäuser) so souverän gesungen gehört! Mit Freude, Entschlossenheit, mit jubelnden, explosiven Höhen. Das abschließende „H“ herrlich ausgesungen, wo Kolleginnen mitunter ins Schreien verfallen.

Der Weg zur Isolde mutet (seit dem Hamburger Rollendebüt) sehr erfolgreich an. „Isoldes Liebestod“: Das liegt Ricarda Merbeth ideal in der Kehle! Mit „Mild und leise …“ hob sie an, farbenreich die Schwebetöne platzierend. Die Stimme flutete, hatte Weichheit, steigerte die Dramatik wohldosiert bis zum verklärten „In des Weltatems wehendem All-, ertrinken, versinken-,unbewusst-,höchste Lust!“ Man bekam  Lust, die gesamte Partie auch in Wien zu hören! Der in allen Lagen ausgeglichene, höhenpotente, absolut gesund klingende Sopran wird auch die Elektra bewältigen, die im November an der Mailandere Scala kommen wird. Nächste Meilensteine dieses Weges: Turandot (in Marseille) und Ägyptische Helena (wieder in Mailand).

Das Orchester begleitete ideal, Markus Poschner, hier mit heißem Herz, zugleich kühlem Kopf, gab er der Musik die nötige Hitze in den Steigerungen des Tristan-Vorspiels. Jedoch: Keine feuchte Schwüle! Die Musik „dampft“ nicht, sie „schwitzt“ nicht, hätte Richard Strauss vermutlich gesagt. Stürmischer Jubel des enthusiastischen Publikums schon zur Pause. Er galt Frau Merbeth – man  scheint  zu wissen, was man an dem neuen GMD in Linz hat und akklamierte auch das Orchester, das Vergleiche mit den ganz Großen der Branche nicht zu scheuen braucht!

Karl Masek

 

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