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LINZ: DIE WALKÜRE – Ein Pferd und die Walküren

23.03.2014 | KRITIKEN, Oper

LANDESTHEATER LINZ – DIE WALKÜRE Premiere 22. März 2014

Ein Pferd und die Walküren

Unbenannt
Schlussapplaus: Dennis Russel Davies nimmt ihn an der Rampe auch stellvertretend für sein Orchester entgegen, dahinter Karen Robertson, Michael Bedjai, Brit Tone Müllertz, Elena Nebera und Gerd Grochowski. Foto: Dr. Klaus Billand

 Der Linzer „Ring“ kommt auf Touren. Wirkte der Vorabend des Bühnenfestspieles von Richard Wagner im Rheingold im Vorjahr noch etwas schaumgebremst, lieferte Regisseur Uwe Eric Laufenberg am 1. Tag, also in der Walküre, ein wirklich durchdachtes Konzept ab. Dass er dem vierteiligen Meisterwerk eine Zeit-Reise zugrunde legt, ist nicht unbedingt neu und besonders originell (der Detmolder Ring marschierte unlängst auch durch die Zeitepochen), aber die Durchführung erwies sich als handwerklich geschickt und in der Personenführung exzellent. Der Raub des Rheingolds spielte noch in einer archaisch anmutenden Ur-Zeit und führte mit dem Bau der neuen Burg bis in den industriellen Frühkapitalismus. Nunmehr spitzte sich die Handlung aufs „Gewalttätige“ zu: Siegmund betritt zu Beginn die Bühne und ist auf der Flucht vor nicht genau bezeichneten Militärs (in Fantasieuniformen, Kostüme Antje Sternberg), ob WW II oder Spanischer Bürgerkrieg steht dabei aber auch nicht zur Debatte. Er findet schließlich Zuflucht in einer Pub-ähnlichen Kneipe (Bühnenbild Gisbert Jäkel), in der Sieglinde und zwei junge Frauen den Eindringling beäugen. Ob es sich bei den beiden im Libretto nicht existierenden Figuren um die Töchter des Hauses oder Bedienstete handelt, wird nicht so richtig klar, eine fällt auf die Knie und betete, später wird sie Sieglinde „schutzengelhaft“ begleiten.

 Hunding erweist sich wirklich als knallharter Typ, mit ihm ist nicht zu spaßen. Das Gastrecht für die Nacht wird zugestanden, die Aufforderung zum Duell des nächsten Tages, spricht er mit dem Fleischerbeil in der Hand aus. Währenddessen beobachtet Brünnhilde die Szene, ihre Walküren-Schwestern sehen sich auch schon um ihre Helden um, die sich nach Walhall bringen können. Im Liebesspiel zwischen den beiden Wälsungen kommt eher die Geschwisterschaft zum Vorschein, die erotische Komponente schimmert nur sehr selten durch. Szenenwechsel zu Wotans Außenstation, die ist ein militärisches Feldzelt, die kriegerische Geschäftigkeit wird durch den Auftritt Frickas unterbrochen, die ihrem Mann die Leviten liest. Nicht keifend oder meckern, sondern straight, direkt und keine Widerrede duldend. Ganz im Gegensatz dazu die zarte Person, das Nesthäkchen Brünnhilde, die sich gegen Wotans Befehl stellt. Besonders gelungen fiel ihre Überredungsrede aus, mit der sie Siegmund Walhall mit all seinen Wunschmädchen schmackhaft machen möchte: Die imaginären Bilder sind dabei live auf der Bühne zu sehen! Der beeindruckende Showdown im Finale des zweiten Aktes: Hunding und seine Leute stellen das flüchtende Liebes- und Geschwisterpaar, Sieglinde wird von den Soldaten noch vergewaltigt, ehe Siegmund erschlagen wird, aber noch die Hand heben kann, die ihm sein restlos in sich selbst gefangener Vater Wotan zart drückt.

 Der Walkürenritt beginnt mit einem Riesenspektakel: Eine Walküre auf trabendem Pferd kommt mit den Leichen in eine Reithalle, ihre Schwestern delektieren sich an den Gefallenen und holen sich sogar noch sexuelle Befriedigung an ihnen. Der Übergang zum Walkürenfelsen verlief dann eher unaufgeregt, ein Brünnhildendenkmal, in welches sich Wotans Lieblingswalküre zum Schlaf begibt. Dennoch erlebte das Publikum dabei den emotionellsten Augenblick des Abends, als Brünnhilde nochmals in die Arme ihres Göttervaters sinkt. Die lodernden Flammen gehen dann in der Projektion (Video Falko Sternberg) in eine Großstadtlandschaft über und münden in der Straßenszene einer amerikanischen Großstadt. Man kann gespannt sein, wie dort „Siegfried“ anknüpft.

 Insgesamt eine interessante Sicht Laufenbergs mit vielen Details, die „dazuerfunden“ wurden, aber total schlüssig erscheinen. Und auch in musikalischer Hinsicht braucht sich der Linzer Ring bislang nicht zu verstecken. Dennis Russell Davies führt das Bruckner Orchester Linz auf sicheren Schienen durch die Partitur, der Sound des neuen Hauses in Linz ist zumindest im ersten Rang als ideal zu bezeichnen und kommt den Stimmen zugute, die vielleicht in größeren Häusern an ihre Grenzen stoßen dürften.

 Dies gilt in erster Linie für die Brünnhilde von Elena Nebera, die sich aber sehr wacker schlägt. Getrübt wird ihre Leistung nur durch die Wortundeutlichkeit und die manchmal fahle Tiefe. Aber wenn es in die obere Regionen geht, dann ist Nebera voll auf dem Posten, kein störendes Vibrato, auch im Spiel bringt sie das jugendliche und verletzliche Brünnhildes ideal rüber. Die größte positive Überraschung war für mich aber die Sieglinde von Brit-Tone Müllertz, die nach eher zaghaftem Beginn eine tolle Vorstellung gab. Vielleicht könnte die erotische Ausstrahlung noch ein wenig stärker werden, mit ihrem sehr berührende Timbre und ihrer stets sattelfeste Höhe punktete sie aber bis zum Schluss und entlockte auch dem Publikum den lautesten Applaus. Über Michael Bedjai gehen die Meinungen stets auseinander. Diesmal gelang ihm als Siegmund eine feine Partie, allerdings musste man das eine oder andere Mal doch ein wenig zittern. die Wälse-Rufe kamen aber bombensicher, nur beim Finale im ersten Akt kratzte es beim „Wäsungenblut“. Bedjai ist zu wünschen, dass diese Parforceritte noch lange Zeit gut gehen. Weniger Sorge muss man sich dagegen um den Oberösterreicher Albert Pesendorfer machen, der als richtig schwarzer Bass mit toller Röhre in jeder Hinsicht furchteinflößend war. Wesentlich differenzierter legte hingegen Gerd Grochowski seinen Wotan an. Eher auf der intellektuellen Schiene, mit differenzierter Gesangstechnik, die bei der Stelle „Das Ende, das Ende!“ besonders beeindruckte. Leider nicht ganz auf diesem Niveau agierte Karen Robertson als Fricka, die Stimme klang doch schon ziemlich verbraucht. Ein Extralob verdienen hingegen die acht Walküren, die nicht nur kräftig bei Stimme waren (und locker mit dem fortissimo des Orchesters mithalten konnten), sondern auch in schauspielerischer Hinsicht eine Augenweide waren: Mari Moriya, Christa Ratzenböck, Gotho Griesmeier, Valentina Kutzarova, Bernadett Fodor, Kathryn Handsaker, Vaida Raginskyté und Inna Savchenko.

 Berechtigter Jubel des Publikums nach fünf Stunden Wagner vom Feinsten, neun Minuten Applaus, keine Buhs.

Ernst Kopica

 

 

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