Linz: „DER ROSENKAVALIER“ – Landestheater – Pr. 19.5.2012
Ein Fest für Aug und Ohr! Wunderbar traditionell – dennoch mit einigen Änderungen.
Foto: Reinhard Winkler
Anthony Pilavachi inszeniert, es klingt beim Pressegespräch beinahe entschuldigend, als er sagt, man könne dieses Werk einfach nicht aus seiner Zeit herausreißen. ‚Bin ungeschauter einverstanden‘ denke ich. Und so erfreuen uns nicht nur ein traumhaftes Bühnenbild sondern auch bezaubernde Kostüme (beides von Tatjana Ivschina). Die perfekte Choreographie liegt in den Händen von Guido Markowitz. Entstanden ist die Produktion in Kooperation mit dem Theater Lübeck und so konzipiert, dass sie auch in das voll Sehnsucht erwartete neue Haus passen soll (Eröffnung: April 2013). Ich bin aber ehrlich überrascht, was sich durch Drehbühne, verspiegelte Wände (quasi ein Zeitspiegel) für phantastische Effekte sogar in unserem guten alten Haus erzielen lassen.
Apropos Überraschungen! Da ist zum Ersten einmal eine kleine List der Marschallin. Octavian hat ihr einen Strauß roter Rosen gebracht, nachdem der lästige Ochs das Futteral mit der silbernen Rose dagelassen hat und endlich wieder verschwunden ist. Sie tauscht diese einfach mit einer roten aus und behält die silberne für sich. Der arme Octavian ist beim Öffnen des Kästchens ob des Farbwechsels völlig verblüfft. Aber das spielt sowieso keine Rolle, weil Sophie sich die Rose einfach selbst schnappt. Der Zauber des Augenblicks bleibt nahezu ungetrübt, auch wenn man es halt anders gewöhnt ist. Der Ochs wird nicht etwa von Octavian verletzt, sondern von seinem eigenen Bastard Leopold – der Tumult bleibt derselbe. Mohamed, das Mohrenknäblein, ist hier ein entzückender blondgelockter Amor mit weißen Flügeln. Und „Amor“ ist nichts anderes als ein als ein Wortspiel. Amor = a Mohr (im Dialekt). Verzichtbar – der Tod, welcher am Ende seinen Auftritt hat. In einem makabren Reigen zieht er eine Anzahl der Akteure hinter sich her, sie schlängeln sich schwächelnd von einem Raum durch den anderen. Zweimal drehen sie ihre Runde, als Letzte schließt sich die Marschallin, leicht widerstrebend, aber doch, ihnen an.
Abgesehen davon geht es sowohl im Hause der Marschallin als auch in jenem Faninals und erst recht im Wirtshaus höchst amüsant zu. Und – in bester Manier von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss! Zudem bleibt nicht verborgen, dass alle Protagonisten mit Herzblut bei der Sache sind.
Sternstundengleich und seligmachend war der Abend aber dank der Musik! Das Bruckner Orchester unter Dennis Russell Davies präsentiert sich in Höchstform, die Sängerinnen und Sänger waren allesamt überwältigend! Astrid Weber ist eine exquisite Marschallin, mit modulationsfähiger Stimme, zudem geht sie ganz und gar in ihrer noblen Rolle auf. Dominik Nekel ist der Ochs auf den Leib geschneidert, das stimmliche Rüstzeug hat er in seiner Kehle, zudem ist er ein Erzkomödiant. Valentina Kutzarova als Octavian bzw. Mariandl ist einfach zum Niederknien! Stefan Heidemann ist ein respektabler Faninal, Mari Moriya die kapriziöse Sophie – mit Engelsstimme. Die resolute Jungfer Leitmetzerin ist bei Cheryl Lichter bestens aufgehoben. Köstlich das Intrigantenpaar Valzacchi (Mathäus Schmidlechner) und Annina (Christa Ratzenböck). Pedro Velásquez Díaz ist für seinen kleinen aber feinen Auftritt als Sänger (hier: Die Allegorie der Zeit genannt) in Bestform.
Weil es gar so viele handelnde Personen gibt, möchte ich namentlich nur Leopold Köppl als Notar und Nikolai Galkin als Polizeikommissar erwähnen, das übrige „Bagagi“ kann sich aber durchaus sehen und erst recht hören lassen. Ebenfalls der Chor und die Herren des Extrachores (Leitung: Georg Leopold) sowie der Kinder- und Jugendchor (Leitung: Ursula Wincor).
Das Publikum war jedenfalls hellauf begeistert – und das zu Recht!
Heide Müller