Linz: „TSCHAIKOWSKIS FÜNFTE“ – Konzert im Brucknerhaus, Großer Saal, 14. 05.2022
Vorporamm des Konzerts unter Leitung eines prominenten Gastes: Charles Dutoit“. Das rote Sofa“ mit Leonhard Schmidinger, Benedict Mitterbauer und Norbert Trawöger. Foto: Petra und Helmut Huber
Das Bruckner-Orchester-Abonnement in Linz verläßt sich nicht nur auf Chefdirigent Markus Poschner, sondern es dürfen auch teils junge, teils etablierte Gäste aufs Pult. Diesmal war dies Charles Dutoit, der in seinen gut 85 Lebensjahren buchstäblich rund um die Welt die Crème de la Creme der Orchester dirigiert und ebenso an den ersten Häusern Opern und Ballettmusik geleitet hat – zum ersten Mal in Österreich im Oktober 1964 auf Einladung von H. v. Karajan.
Dutoit hat natürlich auch zahlreiche Leitungsfunktionen und Ehrentitel, bis hin zur Gold Medal der Royal Philharmonic Society eingesammelt; einer davon ist „Erster Gastdirigent“ der St. Petersburger Philharmoniker. Heute sicher zwiespältig … aber das bei der Planung nicht abzusehen. Jedenfalls wurde ein russisch betontes Programm gegeben, dessen Hauptstück ohnedies von einem Komponisten stammt, dessen vita nicht den uneingeschränkten Beifall von Putin finden dürfte.
Einlaß war 45 Minuten vor dem geplanten Beginn – normalerweise öffnen sich die Türen etwas früher; „es wird noch geprobt“, hieß es vom Publikumsdienst. Jedenfalls begann kurz danach das Vorprogramm „Rote Couch“ – wie immer interessant, mit professionellen Details aus dem Orchesterleben, präsentiert diesmal von Orchestervorstand Norbert Trawöger mit dem Paukisten Leonhard Schmidinger und dem Solobratschisten Benedict Mitterbauer.
Wir hörten als Erstes das Adagio for Strings von Samuel Barber (1936/1938): himmlisch transparente Geigen, auch die tiefen Streicher in tadelloser Verfassung – aber trotzdem fehlte die Zuspitzung, das gewisse Bohren in der Seele, zu dem dieses Stück in der Lage ist. Technisch perfekt, aber zu glatt.
Petra hat im Juni 2009 unter Dennis Russell Davis dieses Orchester mit dem nächsten Stück erlebt – Feuervogel-Suite Nr. 2, das „Hörerbonbon“ von Igor Stravinsky; damals war sie davon restlos begeistert und mitgerissen, heute aber war der Eindruck, ähnlich wie beim Barber, für uns beide eher flach – nimmt etwa der Druck in der russischen Gasleitung schon ab? Jedenfalls forderte der Dirigent, der das Stück auswendig leitete, sichtlich Expressivität, erhielt aber bestenfalls Glut, nicht Feuer. Dabei überzeugte das nun um Bläser und Schlagwerk angewachsene Orchester erneut zumindest technisch.
Nach der Pause stand das titelgebende Hauptwerk, Peter I. Tschaikowskis „Schmerzenskind“, die 5. Symphonie in e-Moll, am Programm. Und jetzt war endlich der Funke übergesprungen, plötzlich stimmte alles: man hörte buchstäblich das Herzblut von Musikerinnen und Musikern pulsieren; die Dynamik der 60 Streicher alleine war schon aufregend, die Bläser setzten dazu noch die Glanzlichter – wenn nicht zu Beginn des 2. Satzes die 5 perfekten Hörner, soweit zu erkennen angeführt von Christian Pöttinger, makellose und noble Lyrik verströmten. Hat sich die last-minute-Probe doch ausgezahlt…
Schlussapplaus. Foto: Petra und Helmut Huber
Nach dem abschließenden Marsch, der das Publikum zwingend in seinen Bann zog, tosender Applaus, gut 10 Minuten lang – und ein schlußendlich zufriedenes Publikum strömte in die letzte Dämmerung des Frühlingsabends am Donauufer.
Petra und Helmut Huber