Leo Lukas:
MÖRDER QUOTEN
Kriminalroman
224 Seiten, Verlag Ueberreuter, 2020
Ein Auftragskiller in einem österreichischen Krimi! Also, an die Klassiker des Genres (der John Rain des Barry Eisler oder der Victor des Tom Wood), darf man nicht denken, hierzulande geht es gemütlicher zu. Vor allem, wenn der Autor auch eine Reputation als Kabarettist hat… Kurz, „Mörder Quoten“ von Leo Lukas (Steirer, Kabarettist, Schriftsteller, erstmals auf Krimi-Wegen) erzählt hier launig, wenn auch handlungsmäßig ein wenig diffus, zwei Geschichten nebeneinander.
Der Auftragskiller, von dem man persönlich absolut nichts erfährt (das gehört zum Image), nennt sich „Bravo“ – nicht nach der Teenager-Zeitschrift, die in Google auf dieses Stichwort zuerst hoch springt, sondern nach dem Tizian-Gemälde „Il Bravo“ im Kunsthistorischen Museum. Da bleibt der Mörder, der den Dolch hinter dem Rücken versteckt, für den Betrachter auch fast unsichtbar, während das Opfer, das er am Kragen gepackt hat, erschreckt schaut.
Der „Bravo“ ist ein seriöser Auftragskiller, er erledigt, wofür er bezahlt wird, und wenn er zu seinem potentiellen Opfer kommt und der ist schon „hinüber“, dann will er wissen, was da passiert ist. Die Geschichte des Bravo wird in dritter Person erzählt, und die größte Überraschung bereitet er dem Leser, wenn er in die Votivkirche kommt… und sich da im Beichtstuhl Ungewöhnliches abspielt.
Eigentlicher Held der Geschichte ist Ich-Erzähler Pez (bürgerlich Peter Szily), ein Ebenbild des Autors, Gelegenheitsschauspieler mit Spezialität südsteirischer Dialekt (aber er macht auch Tirolerisch, wenn es verlangt wird). Wie er den Bravo kennenlernt, in der Grazer Praxis eines Psychiaters, mit dem er befreundet ist, ist nicht die einzige Kabarett-Nummer der Geschichte, jedenfalls hat der Pez ihn jetzt den ganzen Krimi hindurch am Hals.
Das Geschehen führt in die Wiener Unterwelt, die der Autor offenbar gut recherchiert hat, man erfährt vor allem eine Menge über das illegale Glücksspiel, über Süchtige, über unfassbare Ideen, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen (und auch noch andere nützliche Informationen gibt es: Worauf wetten die Engländer am meisten? Auf die Farbe des Hutes, den die Queen bei ihrem nächsten öffentlichen Auftreten tragen wird…)
Dem Pez ist der Bravo nicht unsympathisch, aber er hat auch noch anderes zu tun, etwa Dreharbeiten in der Provinz, wo er die hübsche Alice näher kennen lernt, Kellnerin aus dem Café Winterholzner, das noch eine Rolle spielen wird. Sie ist auch Schauspielerin, man kommt sich bei den Dreharbeiten näher, aber in einem Milieu, wo man Unliebsames auch durch Mord erledigt, kann auch ein hübsches junges Mädchen dran kommen – sehr zum Entsetzen unseres Helden Pez.
Am Ende erfährt man, wer da in der Wettbranche, wo es recht schmutzig zugeht, wem so in die Quere kam, dass er dem Bravo die Arbeit abgenommen hat. Der Genuß, mit dem Leo Lukas die Geschichte seiner beiden Helden erzählt, lässt den Verdacht aufkommen: Das gibt eine Fortsetzung.
Draufgabe: Wiener Schmäh-G’stanzeln und offenbar die Menükarte aus einem Wiener Wirtshaus, täglich neu. Ohne kulinarische Einschübsel geht gar nichts mehr.
Renate Wagner