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LEIPZIG: RIGOLETTO

23.03.2014 | KRITIKEN, Oper

LEIPZIG: RIGOLETTO am 21.3.2014  (Werner Häußner)

 Verdi-Wochenende in Leipzig: Die Oper zeigt Hilsdorfs desillusionierten, politischen „Nabucco“, Homokis bejahrte, aber immer noch stringente „Traviata“ und den „Rigoletto“ von Anthony Pilavachi, der 2012 die erste vom neuen Intendanten Ulf Schirmer verantwortete Spielzeit eröffnete. Der Regisseur, der unter anderem mit seinem Lübecker „Ring“ überregional bekannt wurde, zeigt uns den Hof von Mantua als einen Ort der Abwesenheit jeglicher Humanität: Ein lebloser Mädchenkörper auf die Tafel des eröffnenden Banketts drapiert, eine brutale Massenvergewaltigung zu den leichtfüßigen Rhythmen von Verdis Musik. Dem alten Monterone (Jürgen Kurth) spart die Clique der Höflinge den Gang zum Henker: Sie stechen ihn eigenhändig ab.

In dieser Gesellschaft ist Rigoletto selbst deutlich als Täter markiert. Sein Fluch ist, zu glauben, er könne privates und öffentliches Leben strikt trennen. Aber Zynismus im Dienst des Herzogs und sentimentale Vaterliebe in den Kellerverliesen seiner Behausung passen nicht zusammen. Rigoletto scheitert – auch, weil er seiner Tochter keine Chance gibt, die dekadente Vita des Herzogs mit einer Spur echter Menschlichkeit zu kreuzen. Rache soll triumphieren, nicht Liebe und Vergebung. In den – an Mantuas Palazzo Ducale erinnernden – feucht und tückisch glitzernden Ziegelmauer-Ruinen (Tatjana Ivschina) versucht nur Gilda einen humanen Kontrapunkt zu rücksichtloser Libertinage zu setzen: Ihr Opfer bleibt ohnmächtig gegen eine abgründige Amoralität, in deren Dunst ein seriöser Auftragsmörder wie Sparafucile – James Moellenhoff mit schwarz funkelndem Bass – wie ein rechtschaffener Mann wirkt.

Wie bei der Premiere lag die musikalische Leitung in den Händen von Matthias Foremny: Bei seinem Streben, Verdis Musik aus lärmender Vordergründigkeit zu erlösen, gelingen ihm hitzige, aber nicht spektakelhafte Dramatik, aber auch leuchtende Innerlichkeit. Andere Momente wirken klanglich pauschal, weil das Gewandhausorchester wieder einmal Sonorität mit Lautstärke verwechselt. Sorgsam modellierte Phrasierungen stehen gegen einen steifen Umgang mit dem „tempo rubato“. Und die mechanisch abgefetzte Einspielung der Bühnenmusik im ersten Bild führt dazu, dass die Sänger ihre abgerissenen Sätze und hastigen Einwürfe nicht formen können, sondern dauernd dem starren Tempo nachhecheln.

Das legendäre Quartett im letzten Akt lässt die Probleme der Verdi-Interpretation heute gebündelt offenbar werden: Da fehlt der gelassene Gang des Tempos, die Ruhe für das Entfalten des melodischen Bogens als Kontrast zum Staccato-Gelächter der Maddalena, die Karin Lovelius viel zu matt ins Spiel der Stimmen einbringt. Leonardo Capalbo singt keinen leichten, eleganten Duca. Sein Tenor wird steif in Position gehalten; die Steigerung auf „und detto sol“ klingt gezwungen, das Pianissimo von „le mie pene consolar“ eher eng als „dolce“.

Eun Yee You erfüllt die langbogigen Klagen Gildas inzwischen auch nicht mehr locker und mit der geforderten dynamischen Feinabstimmung im Piano-Bereich – nicht zuletzt, weil sie gegen vollhalsig ins Forte getriebene Töne der Männer irgendwie die Balance halten muss. Bei David Cecconi, dem Rigoletto des Abends, war zwar das verquollene Timbre des Anfangs aufgeklart, aber zu lockerer Strahlkraft und unverfärbtem Ton konnte er sich nicht verständigen. Von subtiler Ensemblekunst war dieses Quartett ein schmerzliches Stück entfernt. Dass sich in den enthusiasmuslosen Beifall ein „Bravo“ mischte, mag ein Hinweis darauf sein, wie genügsam stilistisch abgemagerter Verdi-Gesang akzeptiert wird. Eine Erfahrung, die auch in Wien ja längst nicht mehr unbekannt ist.

Werner Häußner

 

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