Alcina; Opera de Lausanne, Aufführung vom 26. Februar 2012
Foto: Theater Lausanne
Barockes Lebensgefühl, einen gewissen Hang zur Theatralik und folgerichtig nicht zuletzt die grosse Lust an der Oper schreibt man dem Lausanner Opernpublikum inzwischen gerne zu. Ein herausstechendes Faible für die Epoche der Barockoper ist hierzulande gut zu erkennen denn, in jeder Spielzeit der letzten Jahre wurde eine Barockoper auf den Spielplan gesetzt. Kritik und Publikum bewundern die glanzvollen, auf hohem Niveau angesetzten Aufführungen mit den seit längerer Zeit angesetzten Frühwerken der Oper.
Lausanne brachte die erfolgreiche Inszenierung vom Stadttheater St. Gallen auf die hiesige Theaterbühne (Bühne und Choreographie vom Ballett-Chef des Theater St. Gallen, Marco Santi) . Gesungen und getanzt wurde auf einem Holzbalkengerüst mit zwei Plattformen. Die Tanzeinlagen waren sehr ästhetisch und fügten sich angenehm in die Handlung ein, wirkten nie störend und ergänzten das Sängerensemble subtil.
Schade nahm Santi Kürzungen vor, denn, rund ein Drittel der Arien fielen weg, darunter leider das einzige Ensemblestück „non è amor“ und die Nebenhandlung um Oberto wurde reduziert auf die stumme Rolle des Tänzers. Damit hing der Schlusschor textlich im Leeren.
Kaum zu überbieten war das gekonnt erlesene Ensembles, Sänger und Sängerinnen von höchster Qualität, welche gesanglich wie darstellerisch kaum Wünsche offen liessen.
Sophie Graf ist eine hervorragende Morgana, lief in dieser mit Koloraturen gespickten Partie zu ganz grosser Form auf. Sichere Technik und gute Atemstütze ermöglichten ihr eine beneidenswerte Brillanz.
Olga Peretyatko. Foto: Theater Lausanne
Die grossen Momente der Alcina wurden von Olga Peretyatko mit ihrem charakteristisch warmen, runden Ton verkörpert. Sie setzte Glanzlichter als bedrückende, betörend intensive und zutiefst leidende Frau. Auf die bravouröse Virtuosität dieser hervorragenden Sängerin übertrug sich die stimmliche Intensität gänzlich uneingeschränkt.
Wohl die glanzvollste Leistung des Abends bot Florin Cezar Quatu (Countertenor), welcher als Ruggerio brillierte. Er gestaltete die Rolle mit einer bemerkenswerten Sicherheit, meisterte auch die anspruchsvollen Koloraturen hervorragend und bestach gerade in den lyrischen Passagen mit einem geschmeidigen, warmen Ton, dem für diese komplexe Partie die Potenz und Klangtiefe zum dramatischen Zugriff vorhanden waren.
Delphine Galou als Bradamante verfügte über eine expressive Gestaltung und sichere Geläufigkeit und auch die weniger furiosen Auftritte gelangen ihr sehr überzeugend.
Oberto (Paolo Lopez) wurde ebenfalls mit einem Countertenor besetzt. Die kleinere aber nicht unbedeutende, sehr anspruchsvolle und differenziert gestaltete Partie, wurde sehr überzeugend dargeboten.
In dieser von eher hohen Stimmen dominierten Oper fiel einzig dem Tenor eine tragende Rolle zu, der sich Juan Francisco Gatell (Oronte) mit bestechend schön fokussierter Stimme und gut phrasiertem Gesang annahm, während die einzig tiefe Partie (Melisso) die starke charakteristische Interpretation Giovanni Furlanettos mit geschmeidig fokussierter Stimme bewältigte.
Getragen wurden die tollen solistischen Darbietungen von Ottavio Dantones kundigem Dirigat und bot eine kompakte, in sich schlüssige Interpretation. Das gut vorbereitete Vokalensemble „Choeur de l’Opéra de Lausanne„ unter der profunden Führung von Véronique Carrot stand dem gewohnten Niveau der Instrumentalisten in nichts nach.
Marcel Paolino