„Von dem Manne werden Sie noch Großes hören!“ Constantin Trinks im Gespräch Redakt.: Der Titel unseres Gespräches ist ein Zitat Anton Bruckners über seinen Schüler Hans Rott. Wie kommt man als deutscher Dirigent zum österreichischen Komponisten Hans Rott, der selbst hierzulande immer noch nur wenigen ein Begriff ist? CT: Als ich 15 Jahre alt war, fiel mir die gerade erschienene Erstaufnahme der RottSinfonie in die Hände. In dieser Zeit beschäftigte ich mich hauptsächlich mit der Musik von Wagner, Bruckner und Mahler. Da Hans Rott zu eben diesen dreien einen starken Bezug hatte, entfachte die Sinfonie sofort meine Begeisterung. Seit dieser Zeit ist mir dieses Werk besonders ans Herz gewachsen, da Rott darin neben den zweifellos vorhandenen Anklängen an seine Vorbilder wie Wagner und Bruckner doch auch zu einer sehr individuellen Tonsprache findet. Die Musik dieses jungen Mannes, der so tragisch mit nicht einmal 26 Jahren in der Irrenanstalt verstarb, umfasst viele Facetten des Ausdrucks: heroisch und erhaben, dabei auch verletzlich und zerbrechlich, dann wieder derb und trotzig. Ein erschütterndes Nebeneinander von Verzweiflung und Optimismus. ‚Redakt.: Zufall oder doch Schicksal, zumal Sie einen beachtlichen Teil Ihrer künstlerischen Schaffenskraft der Musik Richard Wagners widmen, von dem auch Hans Rott deutlich hörbar beeinflusst war? CT: Mit dem Menschen Hans Rott verband mich damals ganz sicher ein gewisser jugendlicher Überschwang in der Begeisterung für die Werke Richard Wagners. Dieses willige SichHingeben an diese zuweilen rauschhafte Musik, welches ich als junger Mann besonders genossen habe, spürt man auch ganz stark in der Musik von Hans Rott. Als Dirigent, der stark im deutschösterreichischen spätromantischen Repertoire unterwegs ist, ist es mir ein Anliegen, das Werk Hans Rotts einem breiteren Publikum bekannt zu machen und seine Sinfonie so oft es möglich ist aufzuführen. Ich erinnere mich noch gut, wie es mir ging nach dem Konzert im Großen Festspielhaus in Salzburg, dessen Mitschnitt nun auf CD vorliegt. Das Orchester und ich hatten eine sehr intensive Probenwoche hinter uns. Das Werk war den Musikern gänzlich neu und forderte von allen Beteiligten ein Höchstmaß an Konzentration. Es verlangt aber auch rein physisch enorme Kraft und Ausdauer. So waren wir alle nach dem sehr gelungenen, aber auch emotional sehr zehrenden Konzert glücklich erschöpft. Das Publikum nahm die Sinfonie total begeistert auf und ich war dankbar, das Werk vielen Menschen, die es bis dahin noch gar nicht kannten, nähergebracht zu haben. Redakt.: Hans Rott war Kommilitone Gustav Mahlers. Man hört auch viel Mahler in Rotts erster (und einziger) Sinfonie. Oder sollte man es umgekehrt formulieren, man hört Rott in Mahler? Hat Mahler hier abgekupfert oder lag diese “Neue Symphonie, wie ich sie verstehe” (ein Zitat Mahlers) damals in der Luft? CT: Ja, aus heutiger Sicht muss man natürlich sagen, dass vieles von dem, was wir als “typisch Mahlerisch” kennengelernt haben, schon von Rott vorweggenommen worden ist. Man muss sich vergegenwärtigen, dass Mahler seine 1. Sinfonie erst 1888 vollendet hat, also acht Jahre nach Rotts Sinfonie in E! Das wissen wir aber erst seit 1989, dem Jahr der Uraufführung der RottSinfonie. Sicher lag so manches in der Luft im Wien des späten 19. Jahrhunderts. Aber das Neue spricht in Rotts Musik schon eine so individuelle Sprache, dass es kein Zufall sein kann, dass Mahler nicht nur wörtlich verschiedene Motive aus der Sinfonie seines Studienfreundes zitiert, sondern auch die Atmosphäre ganzer Passagen nachbildet oder zitiert. […]
im Mai 2016 (Anton Cupak) Weiterlesen>