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Axel KOBER – GMD der Deutschen Oper am Rhein. „Ich lasse mich ungern in Schubladen stecken!“

15.01.2017 | Dirigenten

Axel Kober: „Ich lasse mich ungern in Schubladen stecken!“
(Januar 2017/ Renate Publig)

 
GMD. Axel Kober. Copyright: Barbbara Zeininger

 Zu Jahresbeginn lud das Team des Online Merker den Dirigenten Axel Kober anlässlich seines Debuts an der Wiener Staatsoper zu einem Publikumsgespräch. Kober, GMD der Deutschen Oper am Rhein, erntete für seine Leitung der Aufführungen von Engelbert Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel, großen Beifall und stand im Interview Rede und Antwort über die Vielfältigkeit des Dirigentenberufs, über die Faszination von Musik und – über Fußball!

 Herzliche Gratulation zum gelungenen Debut an der Wiener Staatsoper – wie geht es Ihnen jetzt?

 Gut! An diesem traditionsreichen Haus zu debütieren ist natürlich etwas Besonderes; Die Wiener Staatsoper ist eine Institution, die ich regelmäßig seit Studienzeiten besuchte, und jeder Dirigent träumt, hier auftreten zu dürfen. Wenn dieser Traum tatsächlich wahr wird, ist das ein bewegendes Erlebnis.

Gestern lief die zweite Vorstellung, war das bereits ein anderes Gefühl?

Allerdings, denn diese erste Anspannung war ein wenig geringer. Zuvor hatte ich mit den Sängern eine sehr angenehme Probenphase, aber keine mit dem Orchester. Natürlich kennt man das Orchester, doch ohne persönlichen Kontakt vorher gibt es keine Möglichkeit festzustellen, ob die Chemie mit den Musikern stimmt. Da es beim ersten Mal für mein Empfinden sehr gut lief, war ich bei der zweiten Vorstellung schon entspannter!

Ein Zitat aus der Rezension der Online-Merker Kollegen Maria und Johann Jahnas lautet: „Dieser Erfolg hatte zwei Väter: Zum Ersten den Dirigenten – Axel Kober, GMD der Deutschen Oper am Rhein, sorgte dank seiner Wagner-Kompetenz für dynamische, aber auch für zarte Stimmungen, die der komplexen Musik von Engelbert Humperdinck gerecht wurden.“ – Was ist für Sie das Besondere an Hänsel und Gretel?

 Es ist zunächst ein unglaublich dicht komponiertes Werk und ich finde es schön, dass ein derartiger Stoff als Oper vertont wurde. Dieses Stück eignet sich wunderbar für Kinder, hat dabei jedoch genug Tiefgang für Erwachsene. Hänsel und Gretel ist in vielen Häusern fixer Bestandteil des Repertoires, teilweise in sehr alten Inszenierungen! Von unserer in Düsseldorf / Duisburg, die von 1970 stammt, hatte ich gerade die 600. Vorstellung dirigiert. Das Zauberhafte dieser Traditionsverbundenheit erlebt man, wenn die Kinder von einst mittlerweile erwachsen sind und nun mit ihren Kindern die Vorstellung besuchen.
Zum anderen haben wir es kompositorisch mit einem Meisterwerk zu tun, da jede einzelne Stimme ist so kunstvoll ausgefertigt ist. Jede Nebenstimme ist so schön, fast wie eine Hauptstimme, was den Musikern große Freude bereitet.

In der Rezension wird Ihre Wagner-Kompetenz angesprochen, und als Wagner-Spezialist gelten Sie spätestens seit Ihrem Bayreuth-Debut mit Tannhäuser2013!

 Als Wagner-Spezialist möchte ich mich selbst gar nicht bezeichnen, ich lasse mich ungern in Schubladen stecken und achte darauf, dass mein Repertoire sehr breitgefächert ist und bleibt! Zum Teil hat das mit meiner Position als GMD zu tun; Durch die zwei Häuser haben wir einen sehr umfangreichen Spielplan zu bewältigen, wir haben mit 55 Sängern das größte festangestellte Ensemble – und ich möchte mit allen in Begegnung kommen. Würde ich mich nur auf das Wagner-Strauss-Repertoire beschränken, würde ich immer nur mit den gleichen SängerInnen zusammenarbeiten.
Eine große Bandbreite ist mir auch für die eigene Flexibilität wichtig, deshalb habe ich von Rameau bis zu Uraufführungen das ganze Repertoire dirigiert!

Aber ich bin in der Nähe von Bayreuth geboren und aufgewachsen, da ist, wenn man sich musisch interessiert, Wagner ein großes Thema. Die Musik Richard Wagners einen großen Teil meines Lebens ein. In der Schulzeit durfte ich viele Proben anhören, Barenboim im Kupfer-Ring, oder Levine im Parsifal mit Domingo und Polaski. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich irgendwann mal an diesem Dirigentenpult stehen würde!

Können Sie kurz umreißen, was Sie an Wagners Musik fasziniert?

 Seine Werke sind von unglaublicher Faszination, die Leitung einer Aufführung stellt immer eine große Herausforderung dar. Die Opern sind derart komplex, ich freue mich, noch einige Jahre damit zubringen zu können, um immer mehr zu entdecken. In Schwerin, wo ich als Dirigent anfing, hatte ich gerade Tristan und Meistersinger dirigiert: Da fragte mich der GMD: „Wenn Sie sich als so junger Dirigent diesen Werken widmen, was wollen Sie dann in 30 Jahren dirigieren? Und meine Antwort war „Hoffentlich noch immer Tristan und Meistersinger!“ Bei diesen Werken geht es ja nicht darum, die mal gemacht zu haben und abzuhaken, sondern man kann immer tiefer einsteigen.

Beim Auswählen der Tonbeispiele kam mir der Gedanke, dass VokalsolistInnen mit ziemlicher Sicherheit ihre Aufnahmen identifizieren können. In welcher Form ist das auch einem Dirigenten möglich, gibt es Merkmale, die Sie für Ihr Dirigat als charakteristisch erachten? Etwas, woran Sie erkennen, ob die Aufnahme von Ihnen stammt?

 Wenn ich ein Werk gut kenne, könnte ich ziemlich sicher feststellen, wenn ein Dirigat nicht von mir stammt – in erster Linie an der Struktur, den gewählten Tempi, den Relationen, den Tempoübergängen. Und ich achte sehr auf Klarheit und Transparenz. Natürlich ändert sich mein Zugang zu einem Werk im Laufe der Jahre, auch unterschiedliche Orchester bewirken andere Interpretationen. Doch eine bestimmte Grundstruktur bleibt. Ich mache selten Dinge, die vom Komponisten in der Partitur nicht vorgegeben sind, und ich bemühe mich, Tempi, Dynamik und Relationen so zu wählen, wie sie gedacht sind. Dennoch schließe ich nicht aus, dass ich beim Hören eine Aufnahme von mir von vor 15 Jahren entsetzt feststelle, dass diese nie von mir sein kann! (lacht)

Seit 2009/10 sind Sie nun GMD an der Deutsche Oper am Rhein, und Sie sprachen bereits an, dass „die Oper“ aus zwei Häusern besteht. Ein Haus zu führen erfordert bereits viel Organisationsgeschick! Wie sieht die Koordination bei zwei Häusern aus, werden beispielsweise Produktionen übernommen?

Die Deutsche Oper am Rhein ist tatsächlich ein sehr komplexer Apparat, sie besteht eben aus den Häusern in Düsseldorf und in Duisburg. Das heißt, wir haben ein Leitungsteam, eine Planung sowie eine Disposition, dazu ein Sängerensemble und einen Chor, die zwischen den Häusern pendeln. Doch jedes Haus verfügt über eine eigene technische Mannschaft, auch haben wir zwei Orchester, die Düsseldorfer Symphoniker und die Duisburger Philharmoniker. Als GMD bin ich letztlich für beide Orchester verantwortlich! Die meisten Stücke haben an beiden Häusern Premiere, was gelegentlich zum Streit über das „jus primae noctis“ führt. Damit sich keine Stadt benachteiligt fühlt, legt der Gesellschaftervertrag genau fest, wie viele Vorstellungen und Premieren in welchem Haus stattfinden müssen.

Der Chor wird also aufgeteilt, wenn an beiden Häusern eine Oper mit Chor läuft?

Da spüren wir leider die Einsparungen der letzten 15 Jahre. Früher war der Chor groß genug, um selbst bei geteiltem Chor Werke bis zum frühen oder mittleren Verdi parallel spielen zu können. Aufgrund der vielen gestrichenen Chorstellen bewältigen wir heute parallel nur noch Opern bis zu Mozart-Chorstärke. Das wird jedoch mit dem lyrischen Solistenensemble schwierig, denn Zauberflöte und Figaro betrifft natürlich die gleichen Sänger. Also bleibt meist die Entscheidung, im zweiten Haus entweder eine Oper ohne Chor oder ein Ballett aufzuführen., Wenn in Düsseldorf Turandot geprobt und aufgeführt wird, kann es vorkommen, dass wir in Duisburg in einer Woche vier Ballettabende ansetzen müssen, obwohl zwei Abende sinnvoller wären.

Wie viel Zeit verbringen Sie jeweils mit beiden Orchestern und wie gestaltet sich die Arbeit?

Diese Saison begann kurios: Nach den Festspielen in Bayreuth hatte ich in Düsseldorf gleich zu Beginn Premiere von Othello, dazu in der Probenphase die Wiederaufnahme von Ariadne, Zauberflöte und Figaro. Innerhalb von drei Wochen dirigierte ich also neben den Proben eine Premiere und insgesamt zehn Vorstellungen. In Duisburg trat ich erstmals Ende vors Orchester, wo mich die Musiker fragten, ob ich einen schönen Urlaub hatte! (lacht)

Es ist extrem spannend, mit beiden Orchestern die gleichen Werke zu erarbeiten. Beide Orchester sind natürlich unterschiedlich! Wir beginnen diese Saison mit einem neuen Ringzyklus, der bis 2019 abgeschlossen sein soll, den studiere ich mit beiden Orchestern ein – das wird besonders spannend!

Gibt oder gab es Werke, für die Sie sich noch Zeit lassen wollen, und wenn ja, aus welchen Gründen?

 Als GMD kann ich natürlich etwas Einfluss auf die Auswahl nehmen. Bisher versuchte ich allerdings erfolgreich, Beethoven zu meiden – nicht, weil ich seine Musik nicht schätze! Doch beispielsweise fand ich bisher keinen Weg, Fidelio für mein Empfinden gut zu realisieren. Die Partien sind schwer zu besetzen: Wenn ich eine Leonore und einen Florestan wähle, die „Oh namenlose Freude“ in dem Tempo singen können, das ich mir vorstelle, können sie die Arie nicht bewältigen. Doch ich nähere mich langsam, bei den letzten Galakonzerten brachte ich einen großen Fidelio-Querschnitt, und mittlerweile würde ich mich der Herausforderung stellen.

A propos Herausforderung: Sie leiten auch öfters Ballettaufführungen. Natürlich bedarf es in der Oper einer Abstimmung mit den Sängern, doch Stimme / Gesang bietet möglicherweise eine andere Flexibilität als Tanz?

Zunächst muss man unterscheiden zwischen klassischem Ballett und modernen Ballettabenden. Beim klassischen Ballett ist meist eine genau vorgeschriebene Schrittfolge auf bestimmte Tempi abgestimmt – die müssen ganz exakt getroffen werden. Diese Arbeit ist wird oft unterschätzt, sie zählt für den Dirigenten zu einer der schwierigsten Aufgaben, die Tempi für die Tänzer punktgenau hinzubekommen.
In den Ballettabenden ist die Frage, ob es sich um eine bestehende oder eine neue Choreografie handelt. Bei neuen Kreationen bin ich im Vorfeld beteiligt, das beginnt bereits bei der Musikauswahl. Da die Ballettkompanien oft nicht mehr mit einem Korrepetitor, sondern mit CD trainieren, spricht man sich im Idealfall mit dem Choreographen ab, um gemeinsam eine Übungsaufnahme zu erstellen mit den passenden Tempi. In Düsseldorf haben wir eine wunderbare Ballettkompanie mit Martin Schläpfer – das Team wurde dreimal Kompanie bzw. Choreograph des Jahres. Unsere Produktion „Brahms Requiem“ vor vier Jahren hat den deutschen Theaterpreis „Faust“ gewonnen! Natürlich ist der Zugang zum Brahms Requiem ein ganz anderer, ob es im Konzertrahmen aufgeführt wird, oder ob es zu einem Bühnenwerk mit Tanz umgestaltet wird! Das Orchester war wie üblich im Graben, aber der Chor war auf einer Empore über der Bühne positioniert, damit die Bühnenfläche für die Tänzer frei bleibt. Die akustische Koordination, vor allem die Balance gestaltete sich natürlich als große Herausforderung!
Doch wenn zu einem Musikstück noch die Dimension „Tanz“ hinzukommt, entstehen äußerst spannende theatralische Momente. Für mich ist es sehr bereichernd, mit Schläpfer zusammenzuarbeiten, der hochmusikalisch ist, der jedoch eine Partitur nicht analytisch sieht, sondern musikalische Momente in Bewegung umsetzt. Das eröffnet auch mir neue Perspektiven.

Doch Sie mussten bei diesem Konzertstück dann erst wieder auf Bühnengegebenheiten, auf Chor und Sänger Rücksicht nehmen?

 Das ist für mich jedoch genau, was Theater ausmacht. Es geht nicht um mich, sondern darum, die verschiedenen Kräfte zu bündeln, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das im Sinne der Kunst ist und das Publikum berührt.

Sie verglichen einmal die Arbeit eines Dirigenten mit der eines Fußballtrainers – worin besteht für Sie die Ähnlichkeit?

 Da ging es um Motivation, und darum, dass ein Fußballtrainer ebenso wie ein Dirigent mit einer Mannschaft arbeitet, aus der er das Beste herausholen will.

Gehen Sie gerne zu einem Fußballmatch?

Ja, durchaus! Ich habe drei Söhne und war oft auf dem Fußballplatz; als ich in Dortmund engagiert war, war mein mittlerer Sohn gerade beim Schülerfußball, seither sind wir glühende Fans von Borussia Dortmund! Die Zeit, zu einem Match zu gehen, nehme ich mir ab und zu sehr gerne.

Sie dirigieren auch bei Gesangswettbewerben, wo Sie SängerInnen, mit denen Sie kaum Zeit zum Proben haben, einen bestmöglichen „Polster“ bieten – auch eine Herausforderung?

Ich habe dreimal beim Bundeswettbewerb Gesang die Orchesterleitung übernommen. Der Schwerpunkt wechselt sich ab, einmal ist es Oper / Operette, beim nächsten Mal Musical / Tanz. Das Interessante daran ist für mich die Arbeit mit jungen SängerInnen, und tatsächlich gibt es kaum Zeit für gemeinsame Proben. Am Abend wählt die Jury die FinalistInnen und die Stücke aus, am nächsten Morgen gibt es eine Orchesterprobe und eine Sängerprobe – darauf folgt das Konzert, aufgrund dessen die Jury die Gewinner ermittelt. Die Vorrunden werden noch mit Klavier abgehalten, und es kommt vor, dass die FinalistInnen noch nie zuvor mit Orchester gesungen haben!
Ich engagiere mich sehr gerne für junge Sänger, bei diesen Wettbewerben ist es wichtig, den jungen Menschen eine Führung und Unterstützung zu bieten, die ihnen genügend Freiraum lässt, denn es geht ja um sie. Der Wettbewerb in Berlin ist jedes Mal mit einem der großen Opernhäuser verknüpft, dadurch hatte ich Gelegenheit, mit allen drei Orchestern zusammenzuarbeiten und ihren Zugang zu dieser Situation zu erleben. Diesen Herausforderungen stelle ich mich gerne, es macht den Beruf spannend, weil man interessante zwischenmenschliche Situationen erlebt, die man jedoch steuern und mitgestalten kann. Musik ist eben eine Universalsprache!

Welche Werke stehen noch auf Ihrer Wunschliste?

Da kehren wir an den Anfang des Gesprächs zurück: Die Beethoven-Symphonien! (lacht)

Ein Wunsch geht bereits bald in Erfüllung: Den Ring erstmals selbst einzustudieren. Als ich in Mannheim diesen Zyklus zum ersten Mal dirigierte, hatte ich pro Werk lediglich eine Orchesterprobe! Nun freue ich mich sehr darauf, dass mir eine ausgiebige Probenzeit zur Verfügung steht, allein für Siegfried sind acht Orchesterproben, zwei Sitzproben und acht Bühnenproben angesetzt.
Bei den Opern möchte ich sehr gerne wieder einmal André Chenier dirigieren, was jedoch sehr schwierig zu besetzen ist, zusätzlich stellt es eine Herausforderung dar, einen geeigneten Regisseur zu finden. Und dann zieht dieses Werk leider weniger Publikum an. Drei Punkte, die es einem GMD erschweren, die Programmierung dieses Stück zu rechtfertigen!

Werden wir Sie auch in Wien wieder begrüßen dürfen?

Ja, 2018 werde ich die Serie von Hänsel und Gretel wieder dirigieren!

Herr Kober, herzlichen Dank für das Gespräch!

Renate Publig

 

 

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