Ein Gespräch mit dem Sänger des Pelléas
Kammersänger ADRIAN ERÖD
aus Anlass der Premiere von Pelléas et Mélisande von Claude Debussy
in der Wiener Staatsoper am 18.Juni 2017
Das Gespräch für den OnlineMerker führte Peter Skorepa
„Ich habe gebrannt für die Musik bis ins Innerste“
Sehr geehrter Herr Kammersänger,
„Adrian Eröd is the darling of the public since years at the Vienna State Opera …„
„Adrian Eröd ist eine Art Lotto-Sechser für einen Operndirektor…“
„Adrian Eröd, dieser Ausbund an Stimmkultur…“
Bei diesen hymnischen Kritiken muss man ja glücklich sein! Ist es so?
Ja, sicherlich sehr! Aber Hauptsache ist, dass das Publikum es auch empfindet.
Ja, glücklich bin ich in der Tat, auch glücklich verheiratet und habe Glück mit meinen zwei Töchtern.
Haben ihre Töchter auch musikalische Ambitionen?
Ja, sie haben auch Instrumente gespielt und sind musikalisch, aber beruflich wird da, glaube ich, nichts werden.
Sie selbst haben jedenfalls genügend gebrannt für die Musik? Hat das ihr Vater, der bekanntlich Komponist ist, auch gleich erkannt?
Ich habe gebrannt für die Musik bis ins Innerste, das stimmt, aber daheim war ein musikalischer Beruf zunächst kein großes Thema, es ging im Gegenteil von meinen Eltern ein Zurückhalten wollen aus. Mein Vater hat zunächst darauf bestanden, dass ich etwas „Ordentliches“ zu lernen hätte. Da habe ich also begonnen Russisch zu studieren, habe auch drei Jahre wirklich brav gearbeitet und meine Prüfungen gemacht. Erst dann sagte mein Vater, jetzt schauen wir einmal die andere Sache an und das Ergebnis sah jedenfalls gut aus.
Wär` noch ein Wunsch zurück, den der Himmel dem liebsten seiner Söhne weigerte? Nicht nur Don Carlos wird das bei Schiller gefragt, man kann auch Sie das selbe völlig zu Recht fragen.
Vielleicht, aber natürlich gibt es viele Wünsche, die noch nicht erfüllt sind. Aber dieser Marquis Posa, wenn Sie vielleicht mit diesem Zitat aus dem Carlos darauf anspielen, wäre zur Zeit wohl die einzige Verdipartie, die mich reizen würde.
Und Massenets Werther in der Baritonfassung?
Ja, das wäre durchaus eine Option, käme so ein Angebot, würde ich das gerne machen, nur wäre ich mit dieser Fassung nicht ganz glücklich. Ich würde mich schon dahinter setzen, beim Aufbau gewisser Steigerungen dafür zu sorgen, die etwas negative Wirkung durch das Fehlen tenoraler Spitzentöne zu korrigieren. Die Phrasen davor müssten mehr auf den Höhepunkt zugehen, statt vor dem Höhepunkt abzufallen. Es wäre jedenfalls eine reizvolle Aufgabe das zu singen.
Aber es gibt auch im Repertoire noch genug für mich zu entdecken.
Wie war das Gefühl, als sie die Anfrage der Wiener Staatsoper erreichte, die Rolle des Pelléas zu übernehmen?
Es war sehr lustig, denn der erste Probentag zu Pelléas et Mélisande, das war der Tag, an dem ich ich zum Österreichischen Kammersänger ernannt wurde. Zwei Tage später erreichte mich ein Email mit der Anfrage für diese Rolle. Es war sofort ein herrliches Glücksgefühl in mir, weil diese Partie mich immer gereizt hat und ich war erst recht froh, dass ich diese Partie vorher schon wo anders gesungen hatte und ich jetzt in der Wiener Staatsoper darauf aufbauen konnte.
Ist eigentlich die Originalfassung der Uraufführung für einen Bariton geändert worden?
Nein, es war ja auch der Sänger der Uraufführung ein Bariton, der allerdings einige der Töne transponiert hatte. Ich singe hier die Originalfassung, die erweist sich ja auch für einen hohen Bariton als gut singbar, man kann so richtig loslegen und ist nicht versucht, nur mit halber Stimme drüber hinweg zu kommen.
Was bedeutet für Sie dieses Stück mit diesen komplexen Charakteren und dem ruhig fließenden Handlungsverlauf?
Diese Oper ist für mich eine Herzensangelegenheit, sowohl die Rolle als auch das ganze Stück selbst. Das liegt vielleicht daran, dass ich ein halber Franzose bin, mich berührt die Anlage der Dichtung und die Musik von Debussy, wenn ich da drinnen sitze und zuhöre, werde ich bereits nach einer Minute ganz einfach gepackt und hineingezogen und es werden die nächsten Stunden zu den schönsten die es gibt. Oder aber – das kann ja auch passieren – es sitzt jemand davor und sagt, das ist fad. Ich glaube dazwischen gibt es nicht viel. Bei Pelléas et Mélisande gibt es bei einem Versuch eines Vergleichs für mich nur ähnliches beim Parsifal, nur auf eine ganz andere Art. Wenn man sich bei diesen Stücken in die Musik hineinfallen lässt, dann ist das einfach berührend und empfindet alles so tief menschlich. Eigentlich handelt es sich ja nur um eine ganz einfache Dreierbeziehung. Das ist genauso wie bei Tschechow, bei dem scheinbar nichts passiert, aber es passiert halt nur an der Oberfläche nichts, aber darunter ist ununterbrochen wahnsinnig viel los.
Und wie wirkt ihr Gegenüber im Stück – Mélisande – auf Sie?
Das ist eine Frau, in die sich jeder verliebt, nicht wie etwa die Lulu, die jeden nur in sich verliebt macht oder bei der es einfach passiert. Für Mélisande ist die Verliebtheit ein ganz natürlicher Vorgang, darum versteht sie Gouloud´s Problem bis zum Schluss mit dessen Frage nicht, ob sie in Pelléas verliebt ist, versteht nicht warum er die ganze Zeit fragt, ob sie schuldig waren, ob das eine verbotene Liebe war. Doch sie kennt den Unterschied nicht zwischen einer erlaubten und einer verbotenen Liebe. Warum soll sie ihn nicht geliebt haben, nur weil er nicht ihr Mann war. Gouloud selbst ist ja ein unglücklicher Mensch, der mit seinem offenen, verträumten Halbbruder nichts anfangen kann. Natürlich nur im Stück, ansonsten verstehe ich mich mit Keenlyside besonders gut, er war ja ein hervorragender Pelléas bevor er in die Rolle des älteren Bruders einstieg.
Auf der Bühne soll die Regie ja bei jeder Aufführung richtiggehend baden gehen. Ist das bei den derzeitigen Außentemperaturen doch eher angenehm, diese Menge an Wasser auf der Szene?
In der Besorgnis um unsere Gesundheit hat man das Wasser anfangs sogar zu stark erhitzt, dieser Mangel musste behoben werden. Richtig schwimmen kann man nicht, wir tun nur so und krabbeln nur am Boden herum.
Es war ein angenehmes arbeiten mit dem Regisseur, denn er kam bereits mit einem fertigen Konzept einer Produktion aus der Vergangenheit und hat nicht erst bei Null anfangen und Erfahrungen sammeln müssen.
Herr Kammersänger, der Online-Merker bedankt sich für dieses kurze Gespräch.
Und haben Sie sich an den neuen Titel bereits gewöhnt?
Der ist noch etwas ungewohnt, aber als ich nach der Ernennung an meiner Garderobe das Schild KAMMERSÄNGER vorfand, war ich schon ein wenig stolz. Es kam sofort so etwas wie ein Heimatgefühl für mich an der Wiener Staatsoper auf.