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KREFELD: RIENZI. Premiere

10.03.2013 | KRITIKEN, Oper

KREFELD: RIENZI –  Premiere am 9. Mai 2013


Foto: Theater Krefeld/Mönchengladbach

 Das Fazit vorweg: am Theater Krefeld wird Wagners „Rienzi“ zu einer besseren Oper, als wie man dieses Frühwerk eigentlich in Erinnerung hat. Die Premierenzuschauer rasten am Schluss, als sei der „Ring“ in Bayreuth geglückt. In diesem Falle glückte die Umsetzung eines pompösen Jugendwerkes, dem man mit einigem Recht nachsagt, dass sich hier der Komponist noch nicht ganz gefunden habe. Auf dem Grünen Hügel gilt ja nicht von ungefähr: Wagner erst ab „Holländer“. Abseits des Festspielzentrums wird man es in diesem besonderen Sommer mit allen Erstlingen (also auch „Rienzi“) freilich versuchen, aber mit Kompromissen hinsichtlich des Szenischen.

 Gerade in diesem Bereich punktet aber die Krefelder Produktion mit ihrer spannungsreichen und intelligenten Produktion. Sie lenkt von der Musik nicht ab, schafft aber ein Fundament des Visuellen, welches Leer- und Hohlstellen der Partitur auffängt bzw. überspielt. Trotzdem ist es ein Gewinn, dass MIHKEL KÜTSON, der neue GMD der NIEDERRHEINISCHEN SINFONIKER, die dramatische Spannung der Musik voll erfasst und umsetzt, ohne lärmende Hitzigkeit jedoch und unter sinnfälliger Herausarbeitung ihres lyrischen Potentials. Der von MARIA BENYUMOVA einstudierte verstärkte Chor singt mit einer explosiven Kraft und Brisanz sondergleichen. Diese außerordentliche Leistung mit ihrer emotionalen Intensität lässt fast überhören, dass Wagners Musik noch in starker Abhängigkeit zur Grande Opéra à la Meyerbeer und Halévy steht.

 Nach der sechs Stunden währenden Dresdner Uraufführung (1842) plante der damalige Intendant, die Oper in zwei Abende aufzuteilen: „Rienzis Größe“ und „Rienzis Fall“. Dass Krefeld das Werk auf 2 ½ Stunden komprimiert (ohne Striche geht‘s einfach nicht), befördert die dramatische Spannkraft des Abends. Die Titel des nie realisierten Zweiteilers umreißen freilich einen plausiblen Regieansatz, wie er jetzt bei MATTHIAS OLDAG zu sehen ist.

 Zu erinnern wäre erst einmal daran, dass „Rienzi“ ein leichtes Stigma dadurch erfahren hat, dass das Werk eine obskure Wertschätzung durch Adolf Hitler erfuhr, der vermutlich mit der ihm geschenkten Originalpartitur in seinem Führerbunker untergegangen ist. Die „Größe“ des Titelhelden hat er mit Sicherheit auf sich bezogen, den „Fall“ aber kaum. Vielleicht führte ein Trotz des „nun aber gerade“ zur Identifizierung mit dem Wagner‘schen Tribun, wahrscheinlicher freilich ist, dass er in Rienzi einen Parallele für seinen politischen Fanatismus fand, der in der Stoffvorlage, Edward Earle Bulwer-Lyttons Roman, in dieser Schärfe noch nicht zu finden ist.

 Oldag zeichnet (im Verein mit seinem darstellerisch äußerst differenzierten Protagonisten CARSTEN SÜSS) einen Menschen, der bereit und willens ist, Macht zu übernehmen, doch zum Wohle des Volkes. Imperiale Selbstgefälligkeit steht ihm dabei noch fern. Dann aber gewinnt aufgrund von Auseinandersetzungen mit seinen Gegnern (Colonna, Orsini), wohl auch aufgrund bislang unterdrückter Triebe (Machthunger, Eitelkeit) ein fataler Messianismus Raum; Rienzi mutiert immer stärker zum Agitator.

 Mit dem Finalakt gelingt Oldag dann ein Bild, welches geeignet ist, dem Zuschauer Tränen in die Augen zu treiben. Rienzi sitzt beim „Gebet“, nur bekleidet mit einem Nachthemd, auf dem Kopf die Attrappe einer Krone, auf dem schwarzen, schriftbedeckten, von einem rot glühenden, gezackten Graben durchzogenen Boden. Riesenbuchstaben mit seinem Namen, gleichfalls rot, sind umgestürzt, weiße liegen verstreut. Inmitten dieser Trümmerlandschaft scheint der zuvor ein einer Schreckensvision heimgesuchte Rienzi wie Shakespeares Lear dem Wahnsinn nahe, die Anrufung Gottes erfolgt in einer Art Trance oder gar Delirium. Irene scheint anfangs zum Aufbruch bereit, hält dann aber doch zu ihrem Bruder – da wälsungt es sogar ein wenig. Das Paar wird vom Volk mit Benzin übergossen, man drückt Rienzi Feuer in die Hand, aus dem Bühnenhimmel fällt eine rote Stoffbahn…

 Die Bühne von THOMAS GRUBER nimmt, unterstützt von den zeitlosen Kostümen HEIKE BROMBERs, von Anfang an Stellung. Nachrichten über Unruhen aus Kiew, Damaskus, Kairo bedecken die Rückwand. Aufzeichnungen einer Livekamera von Rienzis Reden und Filmprojektionen mit beklemmenden Kriegsbildern von Kampf und Leid überblenden einander zum Teil. Obama und Putin sind mehrfach zu sehen, konfrontiert mit dem Jubel des Volkes. Das Staatsbankett im Kapitol (2. Akt) lässt aber bald spüren, wie schnell hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung von unseligem Feinddenken unterhöhlt werden kann. Als geifernder Paolo Orsini liefert ANDREW NOLEN, Sängerschauspieler par excellence, ein besonders prägnantes Negativ-Porträt.

 Wie packend die Zusammenarbeit von Sängern und Regisseur gewesen sein muss, zeigt sich noch beim Schlussbeifall. Da stehen Carsten Süss Tränen in den Augen, so intensiv wirkt ihn ihm das Gespielte nach. Angesichts seines hochemotionalen Einsatzes möchte man nicht über Gebühr darauf hinweisen, dass seinem lyrischen Tenor vokale Power und Durchhaltekraft für den Rienzi eigentlich nur bedingt zur Verfügung stehen. EVA MARIA GÜNSCHMANN gibt mit schlanker Figur und farbigem Mezzo überzeugend einen flammenden Adriano, ANNE PREUß, eine frische Absolventin des Lübecker Opernstudios, bewältigt die Partie der Irene mir ihren zuletzt fast makabren Höhenforderungen mit Bravour. Alle weiteren Rollen sind stimmig besetzt, vom Cecco del Vecchio (THOMAS PETER) über WALTER PLANTÉ (Baroncelli), der selbst nach so vielen Jahren seiner Ensemblezugehörigkeit über einen einprägsamen Tenor verfügt, und MATTHIAS WIPPICH (Kardinal Orvieto) bis hin zu HAYK DÈINYAN (Stefano Colonna). Diese außerordentlich gelungene Aufführung des „Rienzi“ sollte im Übrigen auch als Teil eines Spielplans gesehen werden, welcher (z.T.in der Partnerstadt Mönchengladbach) weiterhin Aufführungen von Puccinis „Le Villi“ und „Suor Angelica“, Carl Nielsens „Maskerade“ (Wiederaufnahme im April) und der Operette „Die lustigen Nibelungen“ von Oscar Straus offeriert.

 Christoph Zimmermann

 

 

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