Konstanze Breitebner
TOD AUF DER UNTERBÜHNE
Ein Sommertheater-Krimi
320 Seiten. Servus Verlag, 2024
Wie Theaterleute so ticken…
Man hat Konstanze Breitebner in Wien viele Jahre als interessante Schauspielerin gekannt, die die langen Stoppellocken schon „erfunden“ hatte, bevor Lotte de Beer sie zu ihrem Markenzeichen machte. Dann zog sich die Breitebener als Schauspielerin weitgehend zurück und arbeitete im Stillen als Drehbuchautorin. Nun legt sie ihren ersten Krimi vor – und wenn dieser in Schauspielerkreisen spielt, dann weiß sie, wovon sie redet.
Die Ausgangsituation ist bekannt, sie spielt sich jeden Sommer nicht nur in Niederösterreich, aber ganz besonders dort ab. Ein kleiner Ort, ein Theaterzelt, eine Aufführung geht in den Endspurt. Diesmal soll es Shakespeares „Sommernachtstraum“ sein. Es herrschen die bekannten Nervenzustände zur Generalprobe, ja, und den Regisseur hassen alle, wie das im Theater nun einmal so ist… Ja, das Bedürfnis, Regisseure zu ermorden, dürfte allgemein sehr stark sein…
Aber als ebendieser Regisseur dann tatsächlich während der Vorstellung plötzlich tot daliegt, ist alles noch viel schlimmer. Erst das übliche Tohuwabohu, bis die Polizei einigermaßen die Lage sondiert und sortiert hat. War es ein Unfall mit der „Flugmaschine“ für den Puck, oder war es Mord?
Eine Schauspielerin schreibt über Schauspieler, da wird die neugierige Mitwelt einen Schlüsselroman erwarten. Aber obwohl das Personal der Geschichte manche Stereotypen aufweist, wie sie eben in der (Theater-)Wirklichkeit vorkommen, geht es nicht um das Hautgout dieser Art. Vielmehr erzählt Konstanze Breitebener, wenn sie die Mitwirkenden des Stücks (und des Krimis) nacheinander vorstellt, viel Typisches über Karrieren. (Die inneren Monologe der Beteiligten sind in kursiv gedruckt.)
So lernt man etwa ausführlich die Doyenne der Geschichte kennen, die Diva Liane Blau, die einst ein Theaterstar war, dann die Fernsehgagen vorzog, sich mit Serien-Rollen ihren Ruf ruinierte und, als es altersbedingt im TV nicht mehr gut lief, im Theater nicht mehr Fuß fassen konnte. Warum sollte sie sonst bei ja doch eher mikrigen Sommerspielen dabei sein? (Ganz originell übrigens, dass die Autorin dieser Liane ihr eigenes Alter, 63, gegeben hat und sie erkenntnisreich sagen lässt: „Ja, Altwerden ist nichts für Feiglinge, weil es einfach nicht lustig ist, wenn man nicht mehr so schnell wie früher laufen kann, Dinge vergisst und permanent irgendwelche Schmerzen spürt, an Stellen, die frau bis dato gar nicht kannte.“)
Vor allem aber springt dieses Buch auf die letzten ‚metoo-Ereignisse in der österreichischen Branche auf, wo das Fehlverhalten von Regisseuren angeprangert wurde – wobei der hier ermordete Regisseur Matteo Ander nicht so sehr wegen seiner sexuellen Eskapaden, als wegen seiner Tyrannei und seines Sadismus verhaßt war. Er hat sich grundsätzlich in jeder Produktion ein Opfer erkoren, das er vor allen anderen nach allen Regeln der Kunst demütigte. „Der konnte die Schauspieler quälen und fertigmachen“, berichtet der Inspizient, wobei die Autorin die berechtigte Frage in den Raum stellt, warum alle Beteiligten alles geschehen ließen und schweigend zusahen, ohne je einzuschreiten. Nun ja, weil jeder froh war, wenn er selbst nicht dran kam…
In diesem Fall war es Liane, die das Opfer des Regisseurs geworden war, was sie für die ermittelnde Bezirksinspektorin Antonia Ranik Kripo St. Pölten, zur Hauptverdächtigen macht. Diese Antonia, die darunter leidet, dass ihr Chef sie fühlen lässt, er würde lieber mit einem Mann arbeiten, verguckt sich übrigens in den Inspizienten der Produktion – und Konstanze Breitebner ist als Autorin nicht so gemein, ihn zum Täter zu machen…
Während sie geschickt Schicksale aller Art erzählt (und kaum einer als blütenweiser Charakter davon kommt), verteilt sie den Verdacht nach und nach auf alle Figuren. Da sind die Kollegen, da ist die Intendantin, da ist die Regieassistentin (sie wurde nicht belästigt, sie macht sich nichts aus Männern), da ist eine äußerst gelassene Ehefrau, die von ihrem Mann alles gewöhnt war (und sich offenbar alles gefallen ließ) – da kommen schon einige farbige Figuren zusammen. Am Ende nimmt die Handlung Fahrt auf, man wird von einem möglichen Mörder zum nächsten geschleudert, bis man endlich weiß, wer es war und warum.
Und als Leser kann man sich am Ende sagen, dass man ein bißchen mehr darüber weiß, wie Theaterleute ticken – und dass es sehr schwer ist, sich auf den Brettern, die möglicherweise nicht die Welt, sondern gelegentilch vielleicht die Hölle bedeuten, aufrecht zu halten…
Renate Wagner