Konstanz wird erneut zur Konzilstadt, 03.12.2013
Von Ursula Wiegand
In 2014 ist es 600 Jahre her, dass das kleine Konstanz zum Nabel Europas wurde. Impulsgeber war das von 1414-1418 währende Konzil zur Beseitigung des seit 1378 bestehenden Kirchen- Schismas. Ein unhaltbarer Zustand, gab es doch drei konkurrierende Päpste: Gregor XII in Rimini, Benedikt XIII, zuletzt in Spanien, und Johannes XXIII.
Konstanz, Novemberstimmung am Bodensee. Foto: Ursula Wiegand
Der – zunächst Pirat, dann Finanzjongleur – hatte sich von der sog. Pisa-Fraktion auf den Stuhl Petri wählen lassen. Auf Druck von König Sigismund berief er das Konzil ein, das am 05. Nov. 1414 am herbstlichen Bodensee begann. Als einziger der drei Päpste, die Bestätigung in seiner Stellung erwartend, kam er in die Bischofsstadt. Sigismund, seit 1411 König, hatte sich vorgenommen, das Schisma zu beenden. Nicht ganz uneigennützig, sollte ihn doch später der „richtige“ Papst in Rom zum Römisch-Deutschen Kaiser krönen. Also lud er die geistige und weltliche Elite nach Konstanz ein und knüpfte umherreisend die diplomatischen Fäden. Doch die Diskussionen zogen sich hin. Erst am 22. April 1418 ging das Konzil erfolgreich zu Ende.
Konstanz, Richental-Chronik im Rosgartenmuseum. Foto: Ursula Wiegand
Das Stadt-Leben in jenen Jahren hat der Konstanzer Bürger Ulrich Richental in seiner um 1460 publizierten Chronik geschildert und hübsch bebildert. Ein handgeschriebener Mittelalter-Comic von unschätzbarem Wert, der bald Nachahmer fand.
Konzilsbericht in anderer Fassung mit Feuertod von Jan Hus. Foto: Ursula Wiegand
Richental hat auch die Gäste aufgelistet, nämlich 5 Patriarchen, 33 Kardinäle, 275 Bischöfe, 1 König, 2 Königinnen, 202 Herzöge, Fürsten und Grafen, 215 Theologen, 261 Juristen und 1.4090 Lehrkräfte. Konstanz wurde zum Schmelztiegel von Menschen und Meinungen, zum Zentrum von Wissenschaft und Kultur. Mit europaweiter Wirkung. Richentals Original-Chronik bewahrt das Konstanzer Rosgartenmuseum, und rund um dieses volkstümliche Meisterwerk rankt sich vom 27.04.2014 – 30.12.2015 die Ausstellung „Lebenswelten zur Konzilszeit“. Doch es wurde nicht nur gebetet, diskutiert und gestritten. Da gute Geschäfte und Geld winkten, fanden sich auch 1.400 Kaufleute, Wirte, 1.700 Musikanten und Handwerker ein, darunter zahlreiche Goldschmiede. Historiker schätzen, dass rd. Tausende Teilnehmer dauerhaft anwesend waren, über die Jahre bis zu 70.000. Allein deren Unterbringung und Versorgung war für Konstanz mit seinen nur 6.000 Einwohnern eine enorme Herausforderung. Gemeinsam mit dem Thurgauer Hinterland gelang eine logistische Meisterleistung. Der heutige Kanton, damals eine Stütze des Konzils, bringt sich erneut mit ein.
Konstanz, die Imperia von Peter Lenk am Hafen. Foto: Ursula Wiegand
Dass alles gut lief, beweisen Lobesbriefe der Teilnehmer und ihre Abrechnungen. Auf der einer Mailänder Delegation ist gar 1 Gulden für die Nacht mit der Bauersfrau vermerkt.- In der Stadt selbst sorgten 700 registrierte „Hübschlerinnen“ auf ihre Art für das Wohl der Gäste. Ihnen hat Peter Lenk in den 1990er Jahren mit der „Imperia“ ein (anfangs umstrittenes) Denkmal gesetzt. An der Hafeneinfahrt begrüßt sie, Papst und König als Figürchen in Händen haltend, die Besucher. Die sollen auch jetzt wieder vier Jahre lang nach Konstanz strömen, und dazu haben sich die Verantwortlichen vieles einfallen lassen. In 2014 zollt man mit dem „Jahr der Europäischen Begegnungen“ zunächst König Sigismund den verdienten Tribut. Zum Höhepunkt dürfte die Große Badische Landesausstellung mit dem Titel: „Das Konstanzer Konzil. Weltereignis des Mittelalters 1414-1418“ werden. Gezeigt wird sie vom 27.04. – 21.09.2014 im 1388 erbauten Konzilsgebäude, einem seinerzeit umfunktionierten Warenhaus. Hier wurde am 11. November 1417 nach nur dreitägigen Beratungen der neue Papst – Martin V – gewählt. Es war die einzige rechtmäßige Papstwahl nördlich der Alpen.
Mitra aus dem Historischen Museum Thurgau. Foto: Ursula Wiegand
Mit einem ökumenischen Gottesdienst im Konstanzer Münster wird diese Landesausstellung eröffnet. Ihr Glanzstück ist die Mitra, gefertigt aus vergoldetem Silber, perlenbestickt und mit Emails verziert aus dem Augustinerchorherrenstift Kreutlingen (Schweiz), die das Historische Museum Thurgau ausleiht. Diese höchst aufwändig gearbeitete Bischofsmütze war eine Dankesgabe von Johannes XXIII an den Abt des Stifts, das ihn mitsamt Gefolge bestens beherbergt hatte. Doch schon am 29.Mai 1415 wurde Johannes XXIII als Häretiker verurteilt und floh bei Nacht und Nebel mit Hilfe von Herzog Friedrich IV von Tirol über Schweizer Gebiet aus Konstanz. Sein Name wurde aus dem Papstregister gestrichen. (Erst 1958 nahm ein Papst den Namen Johannes XXIII an und wurde 1962 mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zum Reformer.) Interessant erscheint die nunmehrige Neubewertung von Jan Hus, der aus Prag nach Konstanz reiste, um sich gegen den Vorwurf der Ketzerei zu verteidigen. Trotz Geleitschutz wurde er eingekerkert und 06. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Am 06.07. 2014 wird mit einer feierlichen Gedenkveranstaltung seiner gedacht und im Hus-Museum eine neue Dauerausstellung eröffnet. Außerdem ist ihm 2015 als „Jahr der Gerechtigkeit“ gewidmet.
Konstanz, enge Altstadtgasse. Foto: Ursula Wiegand
Abgesehen von Ausstellungen und Veranstaltungen lohnt sich der Gang durch Konstanz. Die Stadt wurde nicht zerbombt und hat daher noch viel Altes und Schönes zu bieten, vor allem das schon im 8. Jahrhundert urkundlich erwähnte Konstanzer Münster. Hier wurden die meisten Konzilsversammlungen abgehalten.
Konstanzer Münster, Christus-Scheibe (um 980) in der Krypta. Foto: Ursula Wiegand
Sicherlich haben die Teilnehmer mitunter in der romanischen Krypta vor der vergoldeten Christus-Scheibe (Maiestas Domine, geschaffen um 980) gebetet. Beratungen fanden auch im 1236 errichteten Dominikanerkloster statt. Nach der Säkularisierung wurde es 1874 – gruppiert um den Kreuzgang – zum Inselhotel umgebaut.
Konstanz, früheres Dominikanerkloster, nun Inselhotel. Foto: Ursula Wiegand
Das ehemalige Kirchenschiff mit den erhaltenen Fresken dient als Festsaal und wird auch für Konzerte genutzt. Die beste Adresse der Stadt mit Konzil-Flair. (www.steigenberger.com/de/Konstanz). Um den Besuchern die damaligen Ereignisse saft- und kraftvoll zu erläutern, schlüpfen nun Stadtführer beim Rundgang „Hofnarr, Spion und Richental“ in historische Gewänder und erzählen die Konzilsgeschichte beim Treffen mit Menschen aus jener Zeit. Eine Idee des Experten Henry Gerlach.
Konstanz, Henry Gerlach als Ulrich Richental trifft Fischersfrau. Foto: Ursula Wiegand
Vor dem Hohen Haus, wo einst der Fischmarkt war, spricht er als Ulrich Richental mit einer Fischersfrau. Ein Stück weiter beschwert sich Königin Barbara bei ihm über die ständigen Reisen ihres Gatten, König Sigismund. Wer gerne radelt, kann nun zwar nicht Sigismund hinterherfahren, wohl aber dem aus der Stadt flüchtenden Johannes XXIII folgen. Individualisten können mit dem Smartphone auf Spurensuche gehen und die Geschehnisse mit App und QR-Codes nacherleben. Beim Open-Air-Festival mit Musik aus jenen Tagen sind alle willkommen (19.-22. Juni). Was zum Lachen, was zum Lernen wird für Kinder und Jungendliche geboten und für ausdauernde Leser der exakt recherchierte Konzilskrimi „In Nomine Diaboli“ von Monika Küble und Henry Gerlach.
Konstanz, der spätgotische Münsterturm ragt empor. Foto: Ursula Wiegand
Selbstverständlich sind auch die Kirchen mit im Boot, und so hat eine von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen 2008 gegründete „Ökumenische Projektgruppe Konzil“ ebenfalls viele Ideen beigesteuert. Vom 24.-26. Juni 2014 läuft der 17. Internationale Ökumenische Bodenseekirchentag in Konstanz/Kreuzlingen (www.bodenseekirchentag.ch), verbunden mit einem Ökumenischen Jugendtag und einem Ökumenischen Frauenkonzil. „Die Besinnung auf das Konzil hat die ökumenische Zusammenarbeit intensiviert,“ freut sich Dr. Holger Müller, Konzilsbeauftragter der Evangelischen Kirche.
Insel Reichenau, St. Georg, Fresken 10.-11. Jh. Foto: Ursula Wiegand
Doch wer als Besucher A sagt, sollte auch B sagen und einen Ausflug von Konstanz zur Insel Reichenau (Weltkulturerbe) einplanen – zu den romanischen Kirchen mit ihren herrlichen Fresken. In St. Georg erzählen die Wände das ganze Neue Testament, die damalige Armen-Bibel.
Insel Reichenau, St. Georg, Erweckung des Lazarus. Ursula Wiegand
Zu sehen ist beispielsweise der See Genezareth, wo Jesus im kleinen Boot dem Sturm Einhalt gebietet. Ein anderes Bild zeigt den noch in Leichentücher gehüllten Lazarus. Die Umstehenden halten sich die Nasen zu, so sehr stinkt der Auferweckte nach Verwesung. Deutlicher geht’s nicht. Infos zu Konstanz unter www.konstanz-tourismus.de, zum Konzilsjubiläum unter www.konstanzer-konzil.de