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KÖLN/ Trinitatiskirche: THE TURN OF THE SCREW – Wiederaufnahme

21.03.2013 | KRITIKEN, Oper

KÖLN: THE TURN OF THE SCREW – Zweitvorstellung einer Wiederaufnahmeserie in der Trinitatiskirche am 20.3.2013

 Fast exakt Jahre nach der Premiere von „The Turn of the Screw” wird die Produktion wegen großer Publikumsnachfrage wieder aufgenommen. Das Interesse galt und gilt fraglos der musikalischen Qualität, aber auch und besonders der Inszenierung von BENJAMIN SCHAD, die in einer Kirche stattfindet. Zur Erinnerung: der gesamte Kölner Theaterkomplex (Oper und Schauspiel) am Offenbach-Platz befindet sich in einer Sanierungsphase, die 2015 abgeschlossen sein soll. Bis dahin ist mit Ausweichspielstätten vorlieb zu nehmen. Hauptsächlich sind die die „Oper am Dom“ (ehemaliges Musicalzelt) sowie die rechtsrheinische Mehrzweckhalle „Palladium“. Für „Titus“ nutzte man das Oberlandesgericht mit seinem barock anmutenden Treppenhaus, für die Britten-Oper die Trinitatiskirche. Das lang gezogene Schiff lässt nur ein schmales, in der Mitte zum Rondell erweitertes Spielpodest zu, mit halb im Boden versunkenem Flügel und Schreibtisch als sparsamem Mobiliar (TOBIAS FLEMING). Links eine Spiegelwand, rechts ein zunächst von einer riesigen Papierwand verdeckter Aufbau. Auf der Empore spielen sich einige der Geistererscheinungen ab, auch der Zuschauerraum wird bespielt.

 Das Ganze ist zwar eine für Augen und Sitzfleisch mitunter nicht ganz bequeme Lösung, hat aber konzeptionell enorme Reize, gerade bei einer Kammeroper wie „Turn of the Screw”. Man erlebt die Sänger hautnah wie selten und kann mit noch mehr Überzeugung als vielleicht sonst sagen: was für tolle Schauspieler auch. Benjamin Schad, der für seine Debütinszenierung den Götz-Friedrich-Preis zugesprochen bekam (dann aber manche Zuschauer mit seinem „Figaro“ nicht überzeugte), entwickelt ein Personenspiel von geradezu beängstigender Intensität, welche zudem eine eigene Dämonie entwickelt. Die gibt freilich Brittens Oper bereits von sich aus her. Der Henry-James-Story gelingt es, das Unheimliche der Vorgänge sich zögernd, nahezu unmerklich entwickeln zu lassen.

 Vor allem der bubenhafte, dann aber auch wieder altkluge Miles gibt Rätsel auf. Das unschuldige Knabengesicht von ANTON KIRCHHOFF lässt das noch hinter- und abgründiger erscheinen. Schon bei der Premiere vor 2 Jahren frappierte, mit welcher Professionalität die adoleszenten Sängerdarsteller aus der Chorakademie Dortmund diese Partie meisterten. Bei der jetzigen Doppelbesetzung stammt erneut einer aus diesem Knabenchor. Anton Kirchhoff hingegen nimmt privat Gesangsunterricht. Ein lieber Kerl mit glockenreiner Stimme und enormem Spieltalent. Für nur zwei Aufführungen (von insgesamt sechs) hat er seine Rolle gelernt.

 So jung er, so gereift die wundervolle HELEN DONATH als Mrs. Grose (vor Jahren verkörperte sie in der Colin-Davis-Einspielung die Gouverness). 1961 begann sie ihre Laufbahn am Opernstudio von Köln, ohne später ins dortige Ensemble zu wechseln. Nach einer Weltkarriere von 50 Jahren kam sie dann für die Britten-Oper an den Ort ihrer Anfänge zurück, sang (und singt auch jetzt) mit einer ungebrochenen Sopranfrische, die Ihresgleichen sucht. Wie von ihrem Gatten, dem Pianisten und Dirigenten Klaus Donath, zu erfahren war, ist die Künstlerin weiterhin aktiv, auch wenn die Aufgaben jetzt naturgemäß andere sind als Marschallin oder Rosalinde. Die Despina behielt sie aber sehr lange in ihrem Repertoire, war mit ihr u.a. noch 2005 an der Wiener Staatsoper zu erleben.

 Ein Porträt von beklemmender Eindringlichkeit liefert CLAUDIA ROHRBACH als Gouverness. Seit 1997 ist die Sopranistin an der Kölner Oper engagiert und zum Publikumsliebling avanciert. Sie begann im Soubrettenfach, wechselte dann langsam ins lyrische, wo sicher noch Manches von ihr zu erwarten sein dürfte. Ihre differenzierte Gestaltung der Britten-Partie markiert aber wohl doch eine Art von „Wende“ zum Charakterfach hin. Das wäre freilich von besonderer Art, denn das Organ von Claudia Rohrbach hat an Mädchenhaftigkeit und Leuchtkraft ja nicht das Mindeste verloren. Ihre Bühnenpräsenz ist geradezu unglaublich.

 ADRIANA BASTIDAS GAMBOA hat vor kurzem den Cherubino verkörpert, wandelt jetzt mit der Miss Jessel fast auf Eboli-Spuren und macht das faszinierend. Überzeugend auch JOHN HEUZENROEDER, der als Quint seine Macht aus dem Totenreich heraus mit Tönen spinnt, die gefährlichen Nesselfäden gleichen. JI-HYUN AN ist eine liebenswerte Flora, und die Musiker des GÜRZENICH-ORCHESTERs bleiben unter RAIMUND LAUFEN der delikaten Musik Brittens nichts schuldig.

 Köln hatte schon immer viel Glück mit dem Oeuvre des britischen Komponisten. Vor 30 Jahren gab es „The Turn of the Screw” in einer Inszenierung von Michael Hampe (realistisch viktorianisch im Dekor); sie war auch in München zu sehen. Willy Decker, der in bereits einen magischen „Midsummer Night’s Dream“ herausgebracht hatte, überwältigte geradezu mit „Billy Budd“, der dann auch an der Wiener Staatsoper zu sehen war und auf CD veröffentlicht wurde.

 Christoph Zimmermann

 

 

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