KÖLN: RIGOLETTO. Besuchte Premiere am 15.03.2012
Der klassische Rigoletto
Markus Brück als „Rigoletto“. Foto: Paul Leclaire
Es ist wirklich erstaunlich, wie die Kölner Oper unter langsam äußerster finanzieller und planerischer Bedrängnis immer noch eine qualitativ hochwertige Premiere nach der anderen stemmt. Katharina Thalbach ist eine bekannte und gerngesehene Regisseurin an der Kölner Oper, jetzt hat sie mit Verdis „Rigoletto“ eine nahezu klassische Version des beliebten Meisterwerk hingelegt, so wie es im Libretto nachzulesen ist. Rigoletto ist der bucklige Hofnarr, das menschlich schlagende Herz im verformten Körper, das Verdi zu dem bemerkenswerten Drama inspiriert hat. Zwar gibt es auch ein paar Leerstellen innerhalb der Inszenierung, doch Thalbach scheint das Augenmerk vor allem auf Vater und Tochter zu legen, so kommt es zu sehr berührenden kleinen Gesten, die die psychologische Wahrhaftigkeit der Charaktere unterstützen.
Die Welt des Herzogs mit seinen Maskenbällen fällt dagegen gewollt oberflächlicher aus, ja sogar auf „Revue“ gebürstet, was immerhin zu schönen Bildern führt. Ezio Toffoluttis Ausstattung , eine Kulissenwelt in verqueren Escherschen Raumlabyrinthen, kommt etwas hausbacken daher (großes Lob auch einmal durch die Umsetzung im Malsaal), die Kostüme sind eher sachlich und zweckdienlich von einer stilistischen Zeitlosigkeit. So kommt es zum finalen Applaus auch, sicherlich unerwartet, zu einigem Widerspruch für das szenische Team, indes hat die Kölner Oper eine solide Aufführung, die exakt und werkgetreu ist. So kann sie sicherlich über einige Jahre mit wechselnden Besetzungen im Spielplan gehalten, statt nach ein paar Vorstellungen ausgemustert zu werden, eine Aufführung, die ideal ist, Menschen mit der Welt der Oper bekannt zu machen, denn Thalbach kann ihr Handwerk und versteht es, Verdis manchmal übersteigerte Geste in Bilder zu verwandeln.
Durchaus mutig ist die Besetzung, denn alle drei Hauptprotagonisten geben ihr Rollendebüt: Markus Brück besitzt sicherlich zur Zeit eine der edelsten Baritonstimmen, nach dem deutschen Fach erobert er sich jetzt auch das italienische Repertoire: man kann guten Gewissens behaupten, an diesem Abend mit seinem Rigoletto ein bedeutendes Ereignis erlebt zu haben, denn Brück weiß mit vielen Farben ein präzises Rollenporträt abzuliefern, sei es der gellende Zynismus des Hofnarren, das betörende Piano des liebenden Vaters. Freilich neigt er ein wenig zur veristischen Pose, was dem fast übergroßen Rollenbild des zwiegespaltenen Menschen indes keinen Abbruch macht – mich hat sein Rigoletto sehr bewegt.
Etwas zwiespältiger die Gilda von Anna Palimina, denn sie kämpft deutlich mit kleinerem Volumen, was leider manchmal zu Forciertheiten gerade in den Höhen führt, was sie mit ihrem guten Fokus eigentlich nicht nötig hätte, doch hat man mit ihrer Gilda eine glaubhafte, naive Sechszehnjährige vor Augen, in der mädchenhaften Lyrik und Unschuld recht berückend. Mit Dmitry Korchak konnte man einen echten Tenore leggiero für den Herzog gewinnen, mit nie versiegender Strahlkraft und bombensicheren Höhen, musikalisch neigt er jedoch ein wenig zum Schleppen, die Charakterisierung ist obsessiv besessen in seinem „Liebenwollen“, das gute Aussehen des Sängers unterstreicht die faszinierende Ausstrahlung auf alles Weibliche. Nino Surguladze kommt als samtstimmige Maddalena wie der abgrundtiefe Bass von Bjarni Thor Kristinsson als Sparafucile hinzu.
Bei den kleineren Partien sticht, seiner dramatischen Gewichtung entsprechend, der sonore Bassbariton Oliver Zwarg, wie Sevag Tachdijan elegant als Marullo hervor.
Der Herrenchor unter Andrew Ollifant stellt mit seiner Leistung den Höhenflug des Kölner Kollektivs vor. Alain Altinoglu unterstreicht in seinem Köln-Debut, dass er sicherlich einer der kommenden, großen Operndirigenten wird, denn schon beim Orchestervorspiel trifft er Verdis Tinta auf das Möglichstbeste, das federnde Brio treibt den Abend spannend dramatisch voran, doch an erster Stelle kommt bei ihm der Sänger, da scheint er sogar bereit, in seinen Tempi zurückzustehen. Das Gürzenich-Orchester begleitet aufmerksam, sich wenn nötig zurücknehmend, Verdis gesangsorientierte Melodielinien. Deshalb uneingeschränkt begeisterter Premierenapplaus für alle Musiker.
Martin Freitag