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KÖLN: LE NOZZI DI FIGARO – kein großer Wurf. Premiere

13.10.2012 | KRITIKEN, Oper

KÖLN: Gefährlich am Abgrund. Oper Köln, Mozart: Le nozze di Figaro, Premiere am 12.10.2012

 Über die Kölner Kulturpolitik ist in jüngster Zeit sehr viel geschrieben worden. Als „Ärgernis des Jahres“ wurde diese von 50 Kritikern der Fachzeitschrift Opernwelt gebranntmarkt.

UWE ERIK LAUFENBERG, der andererseits als Intendant das Haus binnen dreier Jahre zum „Opernhaus der Jahres“ machen konnte, wurde aus der Stadt vertrieben und seit dieser Saison tritt BIRGIT MEYER, ehemals Laufenbergs rechte Hand- den Wienern als Dramaturgin der Volksoper in der Ära Mentha bekannt- selbst die Intendanz an.

Auch die Regie der angesetzten Oper „Le nozze di Figaro“ wurde dem Ex-Intendanten entzogen. Stattdessen übertrug man diese Aufgabe rasch einem Kölner Jungtalent, BENJAMIN SCHAD, der mit der Kammeroper „The turn of the screw“ einen Debut-Erfolg aufweisen konnte. Bei der Premiere muss allerdings festgestellt werden, dass Stoffe wie Beaumarchais Geschichte des Figaro offensichtlich zwei Nummern zu groß für den jungen Regisseur sind. Konzeptions- und stilunsicher tappt er in unterschiedlicher Erzählmanier von Akt zu Akt, ohne einen Bogen schlagen zu können, auch viele wertvolle Details schmerzlich auf der Strecke lassend.

So verweigert sich die Regie geradezu im ersten Akt und insistiert auf recht infantilen Einfällen wie einem Kinderschaukelpferd und vordergründigen Wandkritzeleien. Im zweiten Akt stiert uns ein leerer weißer Guckkasten an, in dem sich die Figuren orientierungslos zurecht suchen und der viele logische Fakten wie das Ab- und Zusperren und Zuordnen der Türen und Räume schlicht außer Acht lässt.

Im dritten Akt zerfällt alles in Puzzleteile, die die Protagonisten unmotiviert und brav aufsammeln müssen.( Unglückliche Bühnenräume von TOBIAS FLEMMING). Völlig neu, aber ebenfalls unerklärt, dann die Ästhetik des letzten Aktes, in dem die Figuren beziehungslos um alleine vor sich hinirren und somit jedes interagogische Spiel verweigert wird. Stattdessen hängen übergroße Nanas surreal vom Bühnenhimmel und allerhand Zusatzpersonal bevölkert überflüssig die Szene. Sehr störend sind leider auch unsensible An- und Auskleideaktionen von Statisten während des innigen Rosenarienmomentes.

Mag es an mangelnder Vorbereitungszeit gelegen haben: jedenfalls wirkt doch alles zufällig, unausgegoren, nicht mit dem Auge für Wesentliches gesehen und leider oft langweilig.

 Und auch musikalisch mag der Abend nur bedingt glücken.

KONRAD JUNGHÄNEL, in der Barockmusik ein Könner, dirigiert mit Schwung das stilsicher und höchstkonzentriert spielende, sehr verschlankte Gürzenich-Orchester. Man vermisst an seinem Dirigat bei aller Emphase das Horizontale von Mozarts Musik. Er deutet sicher die Akzente, lässt dabei aber Melos und Linienführung, gerade in den Mittelstimmen, zu sehr außer Acht, sodass der Klang manchmal Tendenzen zum Vordergründigen bekommt.

 Bei der Besetzung haben zwei Sängerinnen eindeutig die Nase vorn. MARIA BENGTSSON als Gräfin wird mühelos mit großer Musikalität und kostbarer Tongebung als Gräfin das musikalische Zentrum der Aufführung. CLAUDIA ROHRBACHs Susanna singt silberglänzend mit anmutiger Süße und unkonventionell-kühner Ornamentation. Beiden Damen hätte man sehnlichst eine eigenwilligere Personenführung gewünscht.

Nach diesen Leistungen aber klafft eine qualitativ deutliche Lücke, die gefährlich in Richtung Mittelmäßigkeit weist.

MATIAS TOSI als Figaro hat zwar eine solid- angenehme Bassbariton-Stimme, aber den staubtrockenen Charme und die Ausstrahlung eines patagonischen Holzfällers. Da helfen ihm auch die aufgesetzten Tanzeinlagen nicht weiter. Konträr der Graf von MARK STONE, einem blendenden Schauspieler mit Gefühl für Timing und Raffinesse, dessen lyrische Baritonstimme im Verlauf des Abends jedoch nicht in die Resonanz kommen will.

ADRIANA BASTIDAS GAMBOA müht sich redlich mit dem Cherubino. Wer ihre Stimme kennt, weiß, dass ihre Stärken nicht im filigran-hohen Mozart-Mezzo-Ton liegen. Szenisch gelingt ihr der Busche glaubwürdig. Das Beste holt JI-HYUN AN aus der kleinen Barbarina- Rolle. Mit Witz und Pfeffer kann sie sich erfrischend in den Vordergrund spielen. MARTIN KOCH als Bartolo fokussiert seinen Tenor gut, ebenso überzeugt ALEXANDER FEDIN als Don Curzio.

GILLES CACHEMAILLE (Bartolo) erinnert sich an einst große Tage. Und und HILKE ANDERSON als Marzellina bleibt die ungemütliche Ziegen-Arie nicht erspart. Der dem Opernhaus in eifriger, langjähriger Treue ergebene ULRICH HIELSCHER poltert mit kölschem Italienisch als Antonio in die Szenen. Warum die beiden souverän singenden Mädchen ( ANIFE MISKELLY und MARTA WRYK) eine pseudoerotische Lesbenszene aufführen müssen, wissen sie wahrscheinlich selbst nicht.

 Ein Wurf ist der Kölner Oper mit diesem Figaro, weiß Gott, nicht gelungen, was auch angesichts der prekären Vorgeschichte nicht zu erwarten war. Man muss gespannt, vielleicht besorgt sein, was die nähere Zukunft künstlerisch bieten wird. Denn dieses wird auch das Barometer sein, in wie weit der Geldhahn der Politiker weiter zugedreht werden wird. Vorausgesetzt, und das darf nach dem sich Ereigneten bezweifelt werden, dass die Verantwortlichen der Stadt überhaupt diese Beurteilungsgabe für Qualität mitbringen.

 Gerne möchte man der Kölner Oper zur diesjährigen positiven Auszeichnung gratulieren, wobei einem ganz anders werden muss, wenn man die missgünstig formulierten Gratulationswünsche des Kulturdezernenten in der lokalen Presse dazu gelesen hat. Höchstwahrscheinlich hat der falsche Mann Köln verlassen müssen.

 Damian Kern

 

 

 

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