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KÖLN: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG -letzte Aufführung vor der zeitweisen Schließung

08.06.2012 | KRITIKEN, Oper

Keiner wie du, so hold zu schließen weiß – Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, 7. Juni 2012 – letzte Aufführung vor der Schließung der oper am Offenbachplatz – 7.6.2012


Rezensent Dirk Altenaer während einer Pause

1957 war die Kölner Opernwelt noch in Ordnung: Der kühne Riphahn-Bau am Offenbachplatz – leicht despektierlich, ob seiner Stufenform, als „Grabmal des unbekannten Intendanten“ tituliert – öffnete seine Pforten und man protzte gleich mit einem Gastspiel der Scala. Die Topheroinen Maria Callas und Leyla Gencer gaben sich die Klinke in die Hand. Tempi passati. 5 x 11 Jahre: In den karnevalistischen Rheinlanden eigentlich ein Superjubiläum mit Mottowagen im Rosenmontagszug, so hätte auch die Oper Grund gehabt ihr Jubiläum gebührend zu feiern. Stattdessen Aschermittwochstimmung, dem Riphahn-Bau muß eine dringend benötigte schönheitschirurgische Therapie verabreicht werden und das auf mindestens drei Jahre. „Wer soll das bezahlen?“ hieß ein alter Karnevalsschlager und an dieser Frage drohte fast das ganze Unternehmen Oper Köln, drohte die bisher erfolgreiche Ära Uwe Eric Laufenberg zu kippen. Diese Gefahr scheint nun gebannt, das zur Oper am Dom umfunktionierte Musicalzelt am Rheinufer ist bespielbar und Köln verfügt noch über eine Palette interessanter Ausweichquartiere. So ging man also mit einem lachenden und einem weinenden Auge in die Dernière am Offenbachplatz. In seiner Ansprache gab sich der Intendant launisch gelockert und „zuverlässig, äh, zuversichtlich“. Dann übernahm GMD Markus Stenz die Stabführung. Welches Werk, welche Inszenierung wäre geeigneter gewesen, den Anlass gebührend zu begehen, als Wagners Festoper „Die Meistersinger von Nürnberg“, die Intendant Laufenberg für seinen Amtsantritt im September 2009 auf Köln und die Kölner Oper im Besonderen zuschnitt? Die Aufführung hat sich in den drei Jahren gerundet, wirft zwar immer noch einige Fragen auf, bleibt aber die Kölsche Festoper schlechthin. Auch jetzt erwartete sich, um Rolf Liebermann zu zitieren, jedermann ein Fest und die Erwartungen wurden größtenteils erfüllt.

Dabei erlebte man eigentlich eine solide Repertoireaufführung mit allen Höhen und Tiefen, die wegen des eingreifenden Ereignisses zur Jubelfeier stilisiert wurde.

Gerechtfertigt war diese Frenesie eigentlich nur beim vorzüglichen Gürzenich-Orchester unter seinem Chef Markus Stenz. Seine Interpretation ist in den Jahren gereift und man spürt aus jeder Phrase seine Liebe zu dieser Partitur. Die gestrige Aufführung war wie aus einem Guß und trotz der Pausen hatte es nie den Eindruck, daß der große Spannungsbogen, den er schon mit den Anfangstakten des Vorspiels aufnahm, auch nur eine Sekunde an Spannkraft einbüßte. Da trillerten die Triolen, die Streicher und die grandiosen Bläser webten einen Teppich aus Fliederblüten, dessen Duft die Glühwürmchen magisch anzogen. In erhabenem Glanz erstrahlte das Orient/Okzident-Motiv im Vorspiel zum dritten Aufzug, in festlicher Erhabenheit schmetterten die Fanfaren auf der Festwiese. Dabei war Stenz stets auf Luzidität bedacht und bemüht den Sängern freien Atem und Luft zu lassen.

Im Mittelpunkt, und da hat sich seit der Premiere nichts geändert, stand erneut der Ausnahmebeckmesser von Johannes Martin Kränzle. Musikalisch und darstellerisch eine Charakterstudie ersten Ranges, dazu gepaart mit einere Vis comica die Kränzle als großartigen Mimen ausweist. Wolfgang Brendel, für den Sachs vom Dienst Robert Holl eingesprungen, steht ihm in Spiellaune in nichts nach, doch ließ der „Altstar“ gesanglich leider doch einiges zu wünschen übrig. Da Brendel das heldische Fundament für den Sachs fehlt, fallen ihm der lange Atem und Ausdauer schwer. Brendel ist bemüht das mit seiner ausgefeilten Technik und seiner langjährigen Erfahrung aufzufangen, wie den großen Einbruch, der ihm im dritten Aufzug überfiel. Trotzdem gelingen ihm berückend schöne Momente, wie der sehr innig, fast im Liedton vorgetragene Fliedermonolog, auch den Wahnmonolog bewältigt er überzeugend. Schwer tat er sich hingegen mit der kurzen Ansprache nach dem Wacht-auf-Chor, was allerdings auf die ungünstige Position auf dem Bühnenbalkon der von Tobias Hoheisel stilisierten Kölner Oper zurückzuführen ist. Ohne Pathos gelingen dem Bariton dann für die Schlußansprache versöhnliche Töne.

Nicht anfreunden kann ich mich mit dem raubeinigen Pogner Bjarni Thor Kristinssons. Zu grobschlächtig poltert er durch die Partie. Sein überpointiertes „dass nur an Schacher und Geld“ in seiner Johannisfest-Preisung mag als Spitze an die jetzige Finanz- und Kulturpolitik in der Rheinmmetropole gewertet werden. Eine wahre Luxusbesetzung war Hans-Joachim Ketelsen als eingesprungener Kothner, der mit überbordendem Humor und süffisantem Vortrag des Tabulator-Kanons zu einem schieren Kabinettstückchen machte. Mit nobel virilem Baß machte der junge Kurt-Moll-Schüler Young Duo Park als Nachtwächter auf sich aufmerksam und empfiehlt sich für größere Aufgaben seines Fachs.

Von den beiden Liebespaaren hatte das Meisterpaar den schwereren Stand. Marco Jentzsch gibt sich als Stolzing zwar redlich Mühe, kommt im Spiel inzwischen auch nicht mehr so verkrampft über die Rampe, aber mit seinem zu kleinem, zu lyrischen Tenor stößt er doch gewaltig an die Grenzen seines Potentials. In den Ausbrüchen, Finale I und in seinen Szenen im zweiten Aufzug ist von ihm schon im zweiten Parkett nichts mehr zu hören. Ein seltsam nach oben ausbrechender Kiekser widerfuhr ihm im Quintett, achtbar sein Preislied. Problematisch auch die Eva von Barbara Havemann. Zwar war sie versucht, ihrem Spiel Anmut abzutrotzen, stimmlich gelang ihr das nur phasenweise. Im Quintett sollte Eva alles überstrahlen, nicht bei ihr, das überließ sie generös dem zweiten Paar und selten hat man den Werbe-Triller mit solchem Understatement vernommen.

Herrlich zu beobachten, wie sich Martin Koch nach den kleinen Intrigantenpartien, Normanno (Lucia) oder Spoleta nun mit Mime und David die großen Partie seines Fachs erobert. Mit Spiellaune und Witz konnte er den ermüdenden akademisch enzyklopädischen Crashkurs in mittelalterlichem Weis- und Reimgesang recht kurzweilig übermitteln und er überstrahlte mit seiner geliebten Magdalene auch das ansonsten recht blasse Quintett. Dalia Schaechter, die absolute Hausprimadonna der Kölner Oper, hat an der ansonsten recht blassen und undankbaren Partie der ums Haus schleichenden Lene sichtlichen Spaß. Schon die kurze Szene in der Kirche stilisiert sie zu einer Charakterstudie der kupplerisch verständnisvollen Vertrauten und wie sie ihrem geliebten Lehrbububen im zweiten Akt den Korb verweigert ist ein Kabinettstückchen eigener Art.

Maßgeblich am Gelingen einer Aufführung ist gerade bei den Meistersingern der Chor. Die Kölneropernchöre waren sich der Einmaligkeit der Stunde bewusst und gaben in der präzisen Einstudierung von Andrew Ollivant alles. In solcher Wucht hat man außerhalb Bayreuths den „Wacht auf“-Chor selten zu Gehör bekommen, auch das wieder eine Botschaft an die Kulturverantwortlichen?

Als sich der chorische Schlussjubel legte, stimmte das Kölner Publikum seinen frenetischen Applaus an und als dann schlussendlich „uns Uwe“ (nein, nicht Uwe Seeler, der Intendant Uwe-Eric Laufenberg) zeigte, skandierte das Haus „Uwe, Uwe“. Die Sympathiewelle trägt den Intendanten beim Auszug, wünschen wir ihm, daß es in hoffentlich nur drei Jahren zu einem triumphalen Wiedereinzug kommt, vielleicht wieder mit den Meistersingern: Ehrt Eure deutschen Meister, dann bannt Ihr gute Geister!

Dirk Altenaer

 

 

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