Kristiane Kaiser. Copyright: Hainzl & Delage/ Artist Management
KÖLN/Staatenhaus: Salome
- Vorstellung am 20.Oktober
Die Kölner Oper pflegt das Prinzip von Doppelbesetzungen ziemlich ausgiebig. In der Vergangenheit geschah das vielleicht nicht ganz so stark wie heute. Aber damals war es eine Selbstverständlichkeit, daß entsprechende Aufführungen von der lokalen Presse besucht und gewürdigt wurden. Das gibt es heute nicht mehr, was nicht die Schuld der angestellten Fachjournalisten ist, sondern auf verlagsinternen Entscheidungen beruht. So wird jetzt sicher auch nirgends etwas über KRISTIANE KAISERs Rollendebüt als Salome zu lesen sein. Dabei handelt es sich um nichts weniger als eine Sensation.
Die gebürtige Wienerin wuchs sozusagen an der Volksoper auf (dort derzeit auch, bis ins neue Jahr hinein, die Rosalinde), durchlief das lyrische Fach, wechselte dann zum jugendlich dramatischen. Köln erlebte sie beispielsweise als Webers Rezia (konzertant) und als „Tannhäuser“-Elisabeth. Für den kommenden Bonner „Lohengrin“ wurde bei ihr wegen Elsa angefragt, aber die Aussicht auf Salome war ihr wichtiger. Nur allzu verständlich, denn diese Kindfrau besitzt bei Oscar Wilde und gesteigert bei Richard Strauss eine so reiche und an nur einem Abend kaum auslotbare Psyche, daß sich eine Sängerdarstellerin dieser Rolle einfach stellen muß.
Die Kölner Inszenierung von TED HUFFMAN formt Handlung und Charaktere teilweise stark um (siehe Premierenbericht vom 14.10.), was nicht in allen Details aufgehen kann. Wenn Salome dem Propheten Jochanaan ein Messer in den Bauch rammt und anschließend mit einem Tuch erstickt, wirken die Worte „Ich habe deinen Mund geküßt“ leicht schizophren. Aber das Konzept des Regisseurs (Rache der Frauen an einer männlichen Unterdrückungsgesellschaft) ist psychologisch stichhaltig und – so jedenfalls die gesteigerte Wirkung der zweiten Vorstellung – so aufregend, daß man von „Eingriffen“ zu sprechen nicht gewillt ist.
Für Huffmans Konzept ist Kristiane Kaiser eine veritable Bannerträgerin. Zwar wirkt sie durch ihr Outfit (schwarzes Kleid, etwas künstlich wirkendes, blondes Langhaar) als eine bereits gereifte Frau, aber die Sängerin bewahrt sich (gegenüber ihrer Premierenkollegin verstärkt) ein jugendliches Flair, welches die erotischen Gelüste von Herodes nachvollziehbar macht. Dies gilt auch für den Gesang. Was Kristiane Kaiser nach ersten lyrischen Verlautbarungen in der Auseinandersetzung mit dem Tetrarchen und im Schlußgesang an zugespitzter Dramatik und nicht nachlassender Leuchtkraft vernehmen läßt, erzeugt eine regelrechte Gänsehaut. Dazu trägt auch die von FRANCOIS-XAVIER ROTH und dem GÜRZENICH-ORCHESTER verwirklichte Klangmagie bei. Man erlebt die Strauss-Musik quasi wie neu und vermag das Delirium bei der Uraufführung 1905 nachzuvollziehen.
Von den Premierensängern darf der eminent baßpotente MATTHIAS HOFFMANN (1. Soldat) noch einmal lobend erwähnt sein. Als Jochanaan ist MARKUS MARQUARDT u.a. an der Wiener Staatsoper aufgetreten. Er wirkt kraftvoll, verfügt aber nicht ganz über das Religionsdonnern des Premierensängers. Es waren also vor allem Roth und Kristiane Kaiser, welche die außerordentliche Wirkung dieses Abend bewirkten. Eminenter Beifall.
Christoph Zimmermann