Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

KÖLN: SAMSON ET DALILA – Wiederaufnahme

16.03.2014 | KRITIKEN, Oper

KÖLN: SAMSON et DALILA Wiederaufnahme-Premiere am 16. März

 Als TILMAN KNABE vor fünf Jahren die Saint-Saens-Oper in Köln mit rabiaten politischen Akzenten inszenierte, gab es heftigste Proteste im Vorfeld, auch von Seiten der Mitwirkenden, vor allem des Chores, was im Einzeln nicht ausgebreitet sein soll. Trotz der vehementen Diskussionen fand die damalige Premiere ohne interpretatorische Kompromisse statt. Der Regisseur, zu seiner Konzeption befragt, sagte: „Theater hat die Aufgabe, sich mit den Dingen dieser Welt auseinander zu setzen.“ Recht hat er, und die Oper darf davon nicht ausgenommen sein, auch nicht bei noch so schöner Musik. Natürlich ist immer nachzuprüfen, ob dies nicht auf äußerlich spektakuläre, lediglich effekthaschende Weise passiert. Auch nach nochmaligem Sehen (Wiederaufnahme) ist dies zu verneinen, obwohl die Produktion bei den Zuschauern weiterhin auf geteilte Meinung stoßen dürfte.

 Die Oper beschreibt den Dauerkonflikt zwischen zwei Völkern (Hebräer, Philister). Feindschaft ist die Losung, Liebe steht voll und ganz im Dienste von Machtausübung und Vernichtungspolitik. Tilman Knabe verlegt die Handlung in die Zeit des Gaza-Krieges. Keine leichtfertige Vergegenwärtigung, sondern ein schwer lastender Hinweis darauf, dass Hass ein unausrottbares Phänomen ist. Knabe inszeniert nicht parteiisch, was über die Libretto-Konstellation hinaus geht. Wenn die unterjochten Hebräer die Waffen der Philister in ihre Hand gebracht haben (szenisch nicht optimal gelöst), rächen sie sich mit vergleichbarer Brutalität. Zu den Vergewaltigungsopfern gehört auch Dalila. Sie wird sich allerdings auch ihrer besonderen erotischen Macht bewusst, die sie dann im zweiten Akt als Rächerin voll ausspielt. Am Ende wird Samson nicht nur seines kraftspendenden Haares, sondern auch seiner Potenz beraubt. Kastration.

 In den Schlussakt (BEATRIX VON PILGRIM wiederholt ihre lebensfeindliche Lagerlandschaft) flicht Knabe eine wahre Begebenheit aus den Tagen des Zweiten Weltkrieges ein: das Massaker von Rechnitz. Auf dem burgenländischen Schloss wurde eine Party gefeiert, an deren Ende 200 Zwangsarbeiter von alkoholisierten Gästen erschossen wurden. Luis Bunuel hat dieses Geschehen in seinem Film „Der Würgeengel“ geschildert, Elfriede Jelinek in ihrem 2008 uraufgeführten Drama „Rechnitz“ verarbeitet. Die Kölner Opern-Inszenierung, welche Samson zuletzt als künftigen Selbstmord-Attentäter zeigt, ist also furchtbarer Realität ganz nahe. Und es wird einem bewusst, dass diese keineswegs Vergangenheit bedeutet. Eigentlich möchte man nach der Aufführung nicht klatschen, aber dann wirkt halt doch die Eigenkraft der Oper, zumal bei der Besetzung der weiblichen Titelrolle mit VESSELINA KASAROVA.

 Wenn sich eine Sängerin vom Jahrgang 1965 (Pardon für lexikalisches Nachschlagen) noch so souverän im Negligé zu präsentieren vermag, ist zwangsläufig als Erstes auf die attraktive Erscheinung zu sprechen zu kommen. Dazu ist die bulgarische Mezzosopranistin eine Darstellerin von Format und last not least eine fulminante Sängerin mit faszinierendem Timbre, welches im Brustregister eine fast laszive Färbung annimmt. Mit seinem immer etwas kantigen Bariton gibt SAMUEL YOUN einen überzeugenden Oberpriester ab. Auch die kleineren männlichen Partien sind gut besetzt: YOUNG DOO PARK (Alter Hebräer), ROMAN IALCIC (Abimélech), ALEXANDER FEDIN, LUCAS VANZELLI und LUCAS SINGER (Krieger).

Den Samson verkörpert, nach seinem Alvaro vor kurzem wiederum mit einer Debüt-Partie, LANCE RYAN. Der kanadische Tenor besitzt eine standfeste Stimme, die bei Spitzentönen wirklich glänzen kann. Über die Kultur seines Singens könnte man sich ausweichend so äußern: der Sänger sollte Jürgen Kesting möglichst nicht vor die Ohren kommen.

 Am Pult des sehr präsenten GÜRZENICH-ORCHESTERs stand ANTONINO FOGLIANI, kurzfristig einspringend für Claude Schnitzer. Er bot die Musik von Saint-Saens dramatisch eloquent und bei Bedarf auch klangsüffig. Das Bacchanale ging in dem aufgewühlten Bühnengeschehen akustisch allerdings weitgehend unter.

 Christoph Zimmermann

 

 

Diese Seite drucken