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KÖLN /Oper am Dom: OTELLO. Premiere

18.05.2014 | KRITIKEN, Oper

Köln: „OTELLO“ (Premiere am 18.05.2014 in der Oper am Dom)

 Der Intendantin Birgit Meyer ist ein weiterer großer Wurf gelungen. Es ist keine Frage, dass sie eine glückliche Hand hat. Das mag auch an ihrem Naturell liegen. Sie ist gewissermaßen eine Intendantin zum Anfassen, ist vor und nach der Aufführung und in den Pausen im Zuschauerraum sowie hinter der Bühne anzutreffen. Dabei strahlt sie eine wohltuende Ruhe aus, die sich auf das Ensemble zu übertragen scheint. Das war am besprochenen Abend auch nötig, denn es gab bei den Protagonisten einige Probleme. Anne Schwanewilms (Desdemona) hatte sich einen Halswirbel verletzt und deshalb nicht alle Proben mitmachen können. Samuel Youn  (Ja­go) hatte sich einen Virus zugezogen, sodass bis zum Premierentag offen war, ob er würde singen können (dafür war bereits Lucio Gallo auf Abruf vor Ort). Bei beiden ging es aber dann doch. Schwanewilms, die sich bekanntlich dem Strauss- und nun­mehr vermehrt auch dem Wagnerfach zugewandt hat, besitzt dennoch alle stilistischen Mittel, um auch die rein lyrische Partie der Desdemona makellos zu bewältigen. Sie imponierte mit weichem Tonansatz, schönen Bögen und leuchtkräftigen Höhen. Auch Youn war nichts anzumerken. Er verfügt ja ohnehin über ungewöhnlich robustes Material. Wenn auch ein Koreaner in der Tradition der großen, vornehmlich  italienischen Rollenvertreter überrascht, wird man sich daran gewöhnen müssen, denn er erfüllt alle Erwartungen und sogar noch etwas mehr. Die stilistische Perfek­tion hat er aus seinen fünf Jahren in Rom mitgebracht. Für die Ausbrüche kommt ihm sein in Wagner-Partien gereiftes Kraftpotential zugute. „La morte è nulla“ ließ er­schauern.

Überhaupt spielten beide ihre Figuren glänzend aus. Schwanewilms verstand es, die Wandlung der Desdemona von der vertrauensvoll liebenden zur verzweifelten, resig­nierten Frau mimisch und darstellerisch zu vermitteln. Youn stellte gewissermaßen den ungemein vitalen Widerpart dar, dessen perfider Intrige, aber wohl noch eher dessen psychologischem Geschick bei der Manipulation Otellos sie (und im Ergebnis natürlich auch Otello) zum Opfer fiel.

Der Dritte im Bunde war José Cura in der Titelpartie. Ihn zu erleben, war ein dop­pelter Genuss. Darstellerisch hat er die Partie aufgrund seiner zahlreichen Interpreta­tionen in jeder Nuance durchdrungen. Die Körpersprache stimmt immer. Besonders eindrucksvoll war sein Abstieg von der Bühne, als er sich zum Belauschen des Zwiegesprächs Jago/Cassio am Orchestergraben entlang schlich. Stimmlich war er erwartungsgemäß ebenso präsent. Allerdings wirkten sein „Esultate“ und auch der Auftritt in der zweiten Szene, als habe er sich nicht ausreichend eingesungen. Die Stimme saß nicht; speziell dem „Abbasso le spade!“ fehlte dadurch die vokale Autori­tät. Das verlor sich aber rasch. Bereits im grandios gelungenen Liebesduett mit Des­demona, welches er mit einem makellosen hohen As im Piano beendete, waren kei­nerlei Einschränkungen mehr erkennbar. Seit Giacomini und Bonisolli habe ich kei­nen Otello mehr gehört, der in der Lage gewesen wäre, derartig viel Stimme zu ge­ben und speziell die Ausbrüche mit stählerner Kraft zu bewältigen. Selten habe ich auch das Giuramento-Duett Otello/Jago so überwältigend gehört. Bedauerlicherwei­se wurde der enthusiastische Applaus des Publikums durch unmittelbares Herunter­lassen des Eisernen Vorhangs beendet.

Alle anderen Partien waren zumindest zufriedenstellend besetzt. Xavier Moreno (Cassio) fügte sich als „Spielball“ der divergierenden Interessen mit ausgeglichenem Tenor nahtlos ein. Adriana Bastidas Gamboa war eine vitale und vokal gefällige Emilia. Lucas Vanzelli (Rodrigo), Mischa Schelomianski (Lodovico) und Lucas Singer (Montano) fielen angesichts der begrenzten Möglichkeiten, die ihre Rollen bieten, nicht nachhaltig auf.

Am Pult stand Will Humburg. Er hatte es mit dem glänzend aufgelegten Gürzenich-Orchester nicht allzu schwer. Das Orchester und ebenso der von Andrew Ollivant prächtig einstudierte Chor mit Extra-Chor folgte dem Maestro fehlerlos und mit spür-barem Enthusiasmus. Aus seiner Zeit in Münster habe ich keine bleibenden Eindrü­cke mitgenommen. Seit er allerdings Chef des Teatro Massimo di Catania war und an der Scala und in Rom gearbeitet hat, hat er sich offensichtlich in das italienische Repertoire in einer Art und Weise eingefunden, die ihn zu einem durchaus führenden Interpreten dieser Werke gemacht hat.

Die Kölner Produktion ist eine Übernahme aus Stockholm, wo sie bereits 1998 von Johannes Schaaf erarbeitet worden war. Was nach sechzehn Jahren noch von Schaafs Regieidee oder Personenührung übriggeblieben ist und was der Kölner Spielleiterin Eike Ecker (kein Schreibfehler, heißt tatsächlich so und nicht etwa Elke oder Heike) zu verdanken ist, läßt sich von außen betrachtet nicht entscheiden. Jedenfalls war die Personenführung ausgefeilt, glänzend durchdacht und auf den Punkt gebracht. Auch wenn man gute Sängerdarsteller hat, muß man ein solches Konzept erst einmal auf der Bühne realisieren. Es wäre daher durchaus interessant, eine große eigene Produktion dieser jungen Regisseurin zu erleben.

Das konventionelle Bühnenbild stammt noch von Lennart Mörk. Die Kostüme kamen indes nicht auch noch aus dem Fundus der Stockholmer Oper, sondern waren  – wohl auch aufgrund des langen Zeitablaufs notwendigerweise – durch Christof Cre­mer neu angefertigt worden. Dabei blieb im Unklaren, welche Handlungszeit gemeint ist. Der Rezensent vermutet die Kompositionszeit. Jedenfalls trugen der veneziani­sche Gesandte und seine Leute Anzug und Krawatte. Eine Kanone gab es auch im ersten Bild. Die drei Protagonisten waren hingegen in zeitlose, wenngleich sehens­werte Gewänder gekleidet.

Resümee für alle Opernfreunde: Wer es schafft, sollte sich diesen Kölner „Otello“ nicht entgehen lassen.                                                                    

Klaus Ulrich Groth

 

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