Klaus Christian Vögl:
KINOBOOM – KINOSTERBEN – KINORENAISSANCE
Kino in Österreich von 1945 bis in die Gegenwart
332 Seiten, Böhlau Verlag, 2022
Die Corona-Krise ist vorbei, nach drei mageren Jahren für die Kinobranche verkündete Cineplexx kürzlich, dass das Publikum wieder in die Filmsäle ströme. Kinobesuche sind ein Wackelkandidat der Wirtschaft, von vielen äußeren Bedingungen abhängig. Klaus Christian Vögl, lebenslang mit dem Kino als „Branche“ befasst und denkbar kompetentester Insider, handelt nun die Kino-Entwicklung in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg ab.
Die „Stunde Null“ nach dem Krieg betraf alle Sparten der Kultur, auch in der im Dritten Reich blühenden Kinowelt musste die Liquidierung des Nationalsozialistischen Systems und Entnazifizierung im Bereich der Kinowirtschaft betrieben werden, bevor man neu anfing. Viele der Kinos in Wien hatten jüdische Besitzer gehabt, da mussten die Verhältnisse geklärt werden. Auch hatten sich nach dem Dritten Reich die technischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geändert. Es war also ein kompletter Neubeginn.
Der Autor schürft in diesem Buch, das sich strikt an Fachleute wendet (über „Filme“ gibt es so gut wie nichts zu lesen) bis in Details, an die der Laie gar nicht denken würde. Die von den Behörden erlassenen Gesetze (u.a. der „Jugendschutz“, „Pornographiegesetz“), die wirtschaftlichen Fragen (Kulturgroschen, die vielen anfallenden Steuern, Abgaben, Förderungsbeiträge), die rechtlichen Probleme (Urheberrecht, Kartellrecht u.a.).
Schließlich geht es um die Räume, die Karten, die Preise. Man erfährt die Geschichte der Wochenschau und der Kinoprogramme, die lange Zeit für Kinofreunde ein begehrtes Sammelobjekt waren. Aber auch Kinopersonal und Kinobesucher der Nachkriegszeit werden ins Visier genommen.
Es waren bewegte Zeiten für das Nachkriegskino – der Boom der Fünfziger Jahre, das Aufkommen des Fernsehens, das „Kinosterben“. Es gibt Aspekte wie die sommerlichen Freilicht-Kinos (das amerikanische Autokino hat sich hierzulande nie richtig durchgesetzt), oder den Beginn der englischsprachigen Vorführungen, die heute ein fester Bestandteil mancher Kinos sind.
Erotik-Kinos, mittlerweile nicht mehr vorhanden (oder gänzlich im Untergrund?), spielten einst eine Rolle, auf der anderen Seite förderten Filmarchiv oder Filmmuseum den anspruchsvollen „Kunstfilm“. Festivals wie die „Viennale“ wurden begründet. Und schließlich wurden die kleinen Vorstadtkinos von den Riesenkomplexen mit ihren zahlreichen Filmsälen abgelöst… Und da ist man wieder beim Cineplexx, das erneut aufblüht.
Möge es trotz der überbordenden Streaming-Angebote von Netflix, Sky, Apple, Amazon u.a. so bleiben. Der „Zauber des Kinos“ ist schließlich noch nicht ganz verblasst.
Renate Wagner