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KLAGENFURT/ Stadttheater: THE SOUND OF MUSIC- eine Saison geht am Wörthersee zu Ende

28.05.2023 | Allgemein, Operette/Musical

27.5. 2023 Stadttheater Klagenfurt: SOUND OF MUSIC

Eine Saison geht am Wörthersee zu Ende, welche das hiesige Stadttheater mit einem beachtlichen „Siegfried“ eröffnet und in deren Verlauf es mit der Uraufführung von Lang/Sturmingers „Hiob“ in Opernkreisen auch über Österreich hinaus Aufmerksamkeit erregt hat. Am Schluss des musiktheatralischen Jahres steht, einer kleinen Tradition folgend, wieder Musical auf dem Spielplan, diesmal der Klassiker von Rodgers&Hammerstein, der in Kooperation mit dem Landestheater Salzburg zur Aufführung gelangt.

Nun ist der Klassiker über die singende Emigranten-Familie aus Österreich (oder besser: über den bis heute dort hochgehaltenen US-amerikanischen Blick auf diese und ihr/unser Land) ein Werk, bei dem von Produktion zu Produktion kein allzu großer Überraschungseffekt zu erwarten ist (dem Rezensenten sind bislang keine Inszenierungen untergekommen, bei dem sich die aktualisierende Pranke eines Regisseurs an der zugegebenermaßen etwas kitschig-hausbackenen Story vergriffen hätte). Zum Glück, denn so ist das Stück, das hierzulande kurioserweise lange nicht die Popularität genoss wie international (dazu musste anscheinend erst die Liebeneiner-Verfilmung mit Ruth Leuwerik, Hans Hold und Josef Meinrad ein wenig in Vergessenheit geraten), für ein Theater eine sichere „Bank“, ein Projekt, das Alt und vor allem Jung ins Theater lockt.

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Ohne Erklärung zu identifizieren: Maria (Patrizia Unger) im Kreis der Trapp-Kinder © alle: Stadttheater Klagenfurt – Helge Bauer

So bewegt sich auch das Team um Andreas Gergen und Christian Struppeck (Regie) sowie Court Watson (Bühne und Kostüme) auf Basis einer an mehreren Stellen erfreulich ver-„österreichischten“ Übersetzung – im Rahmen gewohnter Bilder und szenischer Einrichtungen, mit geschickt arrangierten Übergängen und einer recht atmosphärischen, gar nicht sonderlich kitschigen Bebilderung des Geschehens. Von den diversen amüsanten Details sei vielleicht beispielhaft nur das spontane Socken-Handpuppenspiel der Kinder erwähnt, das sie in Marias Schlafzimmer gegen die Angst vor dem Gewitter gemeinsam aufführen. Dem Heraufdämmern der braunen Gefahr, immer eine gewisse Gratwanderung für Regisseure angesichts des folkloristischen Grundcharakters des Musicals, wird mehr Raum gegeben als etwa in der laufenden Produktion an der Volksoper in Wien, ist durch Projektionen an geeigneter Stelle von Anfang an präsent und wird auch durch eingeschobene Szenen, die die Radikalisierung von Liesls Freund Rolf und Übergriffe gegen Regime-Gegner zumindest andeuten, verdeutlicht. Als Grenzgang erfolgt – und gelingt – ein SA-„Ballett“ zu einem Song im zweiten Teil.

Das Ensemble ist teilweise auch von Salzburg übernommen und wird angeführt Patrizia Unger, gebürtig aus Rosenheim, die mit einer auffallend schönen, sehr charakteristischen (und technisch kultiviert geführten) Stimme gesegnet ist, mit der sie jedes emotionale Detail hörbar machen kann. Ihre Maria ist bereits im Kloster kein naiver Windfang, sondern eine nachdenkliche junge Seele, und wächst an der Seite ihres Barons rasch in die gehobene gesellschaftliche Position. Rundum eine hervorragende Leistung – und eine Künstlerin auf dem Weg in die erste Reihe ihres Fachs. Der Steirer Erwin Belakowitsch ist in Klagenfurt hingegen kein Unbekannter mehr, ja darf im Bereich Operette-Musical als Publikumsliebling gelten: mit ihm als Baron von Trapp steht nicht so sehr ein zackiger Admiral als eher ein altösterreichischer „Hofrat“ mit einem ausgeprägten Hang zur Ordnung auch in der Familie auf der Bühne. Was sein Tun und Lassen antreibt, sind weniger die militärischen Grundsätze als der noch nicht überwundene Gram über den Tod seiner ersten Frau, hinter dem jedoch ein warmherziger Vater und neuerlicher Ehemann „schlummert“.

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„Edelweiss“ – emotionaler Höhepunkt vor der Flucht: Maria (Patrizia Unger) und Baron von Trapp (Erwin Belakowitsch) mit den Kindern . Foto: Helge Bauer          

Franziska Becker kann der nicht besonders dankbaren Rolle der Elsa Schrader mondänes Profil verleihen, auch in den ihr zugedachten musikalischen Nummern ist sie sehr präsent. Michael Duregger macht aus der ebenfalls immer ein bisschen „nachträglich hinzugedichtet“ wirkenden Figur des Max Detweiler darstellerisch das Beste, auf der Bühne singen sollte er vielleicht nicht unbedingt. Womit im Hause von Trapp noch die resche Dorothea Zimmermann als Frau Schmidt und Mihael Strnša als Diener Franz zu erwähnen sind, der hinter dem Rücken seines nichts ahnenden Hausherrn zum illegalen Nazi mutiert – was von dem Darsteller angesichts seines ausgeprägten Akzents nicht mit letzter Überzeugungskraft vermittelt werden kann.

Ebenfalls mit Akzent und daher leider nicht sonderlich gut verständlich spricht man auch am Nonnberg, wo Olena Pruscha, Nadia Petrova und Tetyana Prybura den Kern des Nonnenkonvents bilden, an dessen Spitze die Kanadierin (und bayrische Kammersängerin) Frances Pappas als weise, sympathische Äbtissin steht: an ihr ist es auch, die für Rodgers&Hammerstein Stücke typische „Hymne“ des Werks, „Climb ev’ry mountain“ (leider auf Deutsch) zu interpretieren und mit ihrem metallisch-markantem Mezzo für einen dramatischen Höhepunkt mit Gänsehaut-Effekt zu sorgen.

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„Climb ev’ry mountain“ – musikalischer Höhepunkt des Musicals. Mutter Oberin (Frances Pappas) mit Maria. Foto: Helge Bauer

Und die Kinder? Sie entstammen der Singakademie Carinthia und waren – natürlich – allesamt hinreißend im Spiel und auch wacker bis souverän im Gesang: Nathanael Bach (dem als Friedrich eine dezente Anwandlung liebenswürdig-natürlicher Schüchternheit anzumerken war), Marie-Felizitas Wetzlinger (Louise), Valentin Jorde (Kurt), Marie Markun (als selbstbewusst feinfühlige Brigitta), Julia Laurent-Weichselbaum (Marta) und Julia Vrzak (als unerschrocken auftretendes Küken Gretl). Eine erfreuliche Probe ihres jungen Talents bot Marie Gruber als Liesl, schneidig an ihrer Seite Didier Borel als Rolf.

Aus dem Graben mochten die bekannten Ohrwürmer unter der schwungvollen und doch stets einfühlsamen Leitung von Günter Wallner beinahe zum Mitsingen anregen. Dass das Orchester dem befrackten Dirigenten in Dirndl, Trachtenjacke und Lederhosen gegenübersaß, soll als besonders origineller Farbtupfer des Abends nicht unerwähnt bleiben, der mit frenetischem Jubel des Publikums endete, das sich allerdings wohl (wie etwa an der Volksoper üblich) noch über eine Edelweiss-Zugabe gefreut hätte.

P.S.: Gesungen und gesprochen wurde – wie inzwischen allgemein üblich – mit elektrischer Unterstützung. Inwieweit das, noch dazu in einem kleinen Haus, wirklich notwendig ist, sei dahingestellt. Diesmal klangen allerdings einige der Gesangsnummern schon fast wie als Playback: scheint das des Guten nicht doch ein wenig zu viel?

Valentino Hribernig-Körber

 

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