
Maksim Aniskin, der durchaus wie Putin wirkende Macbeth aus Sibirien
Stadttheater Klagenfurt
“MACBETH”
Premiere 31.Oktober 2013
Vorstellung vom 7.November 2013
Die Macht der Gier
Wie man einen optisch gelungenen Macbeth auf die Bretter stellt, das zeigt im Stadttheater Klagenfurt das Team Cesare Lievi, Regie, Josef Frommwieser, Bühne, Marina Luxardo, Kostüme und Luigi Saccomandi, Lichtdesign. Die alte Direktion der Wiener Staatsoper scheiterte vor Jahren an ihrem Projekt kläglich und eine Menge Geld wurde da bei uns mit der Einstudierung und den Bühnenbildern versenkt und die Bühnenreste nach einer einzigen Serie (!) wohl schon verbrannt oder verscherbelt. Doch nicht allein die Optik, erst recht auch die feine musikalische Einstudierung durch Alexander Soddy mit dem Kärntner Sinfonieorchester sowie der von Günter Wallner einstudierte Chor und Extrachor sorgten für ein hohes Niveau dieser Serie.

Maksim Aniskin mit seiner Lady, Tatiana Melnychenko
In den in pastellartig gehaltenen Bühnenbildern Josef Frommwiesers mit deutlichen Anleihen bei geradlinigen und modernen Bühnenarchitekturen etwa jenen von Adolphe Appia und den farblich gelungenen und der Zeit der Handlung nachempfundenen Kostümenentwürfen von Marina Luxardo, die ein wenig in ihren Kolorit und ihrem Realismus an Bilder Edward Hoppers erinnern, inszenierte der Italiener Cesare Lievi textgetreu dem Libretto entlang. Da wird an der Rückfront in Einblendungen mit aller Realität eine Fehlgeburt gezeigt, der psychologisch wunde Punkt des kinderlos gebliebenen Herrscherpaares. Da werden – endlich muß man sagen – die Kampfszenen am Schluss mit original wirkenden Bewegungen und ohne Peinlichkeit vom Verein INDES, einem Pfleger historischer Kampfkunst, ausgeführt. Ein gelungener Szenenübergang vom Mord an Banquo zum Festmahl immerhin, die Leiche bleibt gleich als Erscheinung für Macbeth auf der offenen Bühneliegen. Und der Szenenwechsel nach der großen Hexenszene gelingt ganz köstlich, die Luftgeister, von Kindern dargestellt, montieren zur Ballettmusik ein Bett für den ohnmächtigen Macbeth zusammen, und das ganz ohne Gebrauchsanweisung! Ein winziger Waschkrug und eine Schüssel im Schloss erinnern übrigens, was man sich in Wien an Ärger und Kosten ersparen hätte können, statt dem Einbau einer Brauseanlage im alten Schottland!
Da das Drama in einer betont opernhaften Ästethik geboten wird, entfernt sich das gebotene Geschehen naturgemäß vom Original Shakespeares und dessen innewohnender Brutalität und der schicksalhaften Bestimmtheit seiner Figuren und von dem tief im Mittelalterlichen steckenden archaischen Kern des Geschehens überhaupt. Das alles macht der Regisseur nicht sichtbar, kann auch nur schwer, denn die Vorlage ist ein Kind des verdischen Opernjahrhunderts und wird letztlich immer auch genauso opernhaft umzusetzen sein.
Für die musikalische Dramatik sorgt am Pult der neue britische Chefdirigent Alexander Soddy, aus der Royal Academy of Music und aus Cambridge hervorgegangen, bietet er einen mitreißenden und präzisen Verdi-Klang und läßt auf eine sorgfältige Einstudierung schließen, der Chor der Flüchtlinge gelang besonders klangschön. Dass dieser Chor in heutiger, neutraler Kostümierung sang zeigte, dass die brutale Verfolgung von Menschen ein Kind aller Zeiten und Mächte ist und bis heute andauert. Gerade diese Szene geriet, ihrer Aktualität willen, zur stärksten des Abends! Auch die, in schönstem Rot eingekleideten Hexenchöre boten einen Leckerbissen an gesanglicher Finesse und großen Spielanteilen.

Fest beim Schottenkönig: Maksim Aniskin, Tatiana Melnychenko, rechts Golda Schultz, dahinter die Erscheinung des toten Banquo: Evgeny Stavinskiy
Die Hauptpartien waren durchwegs mit Sängern aus Nord- und Osteuropa besetzt, mit Sängern, die ihre Herkunft durch Intensität und Leidenschaft im Gesang, aber auch durch allzu undeutlich gesungenes Italienisch nicht leugnen konnten. An der Spitze Maksim Aniskin, aus dem Ensemble des Theaters von Novosibirsk hervorgegangen, im Bolschoi-Theater und am Opernhaus von Perm sowie an der Madrider Oper Teatro Real in unzähligen großen Partien seines Faches kein Unbekannter mehr, konnte seine Erfolge und seinen Ruf unter Beweis stellen, auch den Beweis, dass Sibirien immer wieder ein guter Boden für Baritonisten ist. Sein herrischer Auftritt – ob seine Ähnlichkeit in der Erscheinung mit Putin gewollt war, entzieht sich der Kenntnis – und der harte Kern seines hellen, höhensicheren Baritons passte jedenfalls gut zur klug gestalteten Rolle. Leider ist sein seitlicher Abgang in den Tod theatralisch völlig unwirksam, das Ende bildet die Fassung mit jenem gar arg banalen Siegeschor und nicht der weitaus wirkungsvollere Tod des Macbeth auf offener Bühne.
Seine Abhängigkeit von der machtbesessenen Gattin läßt sich nicht nur aus deren imposanter Erscheinung erklären, auch die Stimme und die gesangliche Gestaltung der Ukrainierin Tatiana Melnychenko läßt keinen Widerspruch zu. Wild, leidenschaftlich in ihrer Unerbittlichkeit, ist sie in ihrem Wahnsinn auch sanfter Töne fähig. Für die dramatische Koloratur ist
allerdings mehr an Flexibilität notwendig, mehr jedenfalls als sie derzeit zu bieten hat.
Evgeny Stavinskiy ist der sanfte Widerpart Macbeths als Banquo, mit einem warmen, noblen Bassmaterial. Leider bringt seine Erscheinung beim Festmahl nicht die notwendige dramatische Wirkung hervor. Hier wäre der Regisseur gefragt gewesen, der offenbar Scheu vor geisterbahnartigen Wirkungen hatte, wie es dieser Szene oft passiert.
Merunas Vitulskis, der junge Litauer, bietet als Macduff ein draufgängerisch eingesetztes Tenormaterial mit guten Höhen, an seiner Gesangslinie wird er noch arbeiten müssen. Aber spontan eingesetztes Stimmmaterial ist immer noch mitreißender, als vorsichtige Zurückhaltung, ein Merkmal vieler heutiger Karrierestarter. Und Golda Schultz, die farbige Südafrikanerin mit Studien an der University of Cape Town und der Juilliard School, unter anderem auch Studien bei Kiri te Kanawa vorweisend, zeigte als Kammerfrau der Lady, was sie auch zuletzt im Opernstudio der Münchner Oper gelernt hat und bringt dazu noch eine schöne Stimme mit.
Während der Applaus des leidlich gut besuchten Hauses im Zuge der Aufführung eher zögerlich war, zeigte das gesamte Publikum am Ende mit einer minutenlangen Standing Ovation, dass es die Gesamtwirkung des Abends und die Leistung ihres Ensembles sehr wohl zu schätzen wußte.
Eine empfehlenswerte Produktion!
Peter Skorepa
MERKEROnline
Fotos: Stadttheater Klagenfurt/Arnold Pöschl