KLAGENFURT: GIULIO CESARE IN EGITTO am 11.2. 2014 (Helmut Christian Mayer)
Jetzt kann Intendant Florian Scholz zufrieden sein: Denn im Gegensatz zu seiner ersten Saison läuft die heurige, zumindest was das Musiktheater betrifft und wenn man von der missglückten „Csárdásfürstin“ absieht, sehr erfolgreich. Nach Strauss „Rosenkavalier“ und Verdis „Macbeth“ kann man am Stadttheater Klagenfurt auch mit „Giulio Cesare in Egitto“ von Georg Friedrich Händel den dritten Erfolg einfahren und zwar sowohl was Kritik und Publikum betrifft. Und das, obwohl Barockopern ja auch heute (fälschlicherweise) immer noch den Ruf haben, langweilig zu sein und endlos zu dauern.
Dem war in Klagenfurt nicht einen Augenblick so. Viel dazu beigetragen hat zweifellos auch, dass man das an sich an die fünf Stunden dauernde und somit Wagnersche Längen beschreitende Stück sehr geschickt auf gut drei Stunden gekürzt hat. Viel dazu beigetragen hat aber ganz besonders, dass man mit Michael Sturminger einen Regisseur verpflichtet hat, den das Kärntner Publikum schon mit Inszenierungen von „Cosí fan tutte“, „Il sogno di Scipione“, letztere wurde sogar in Mozarts Jubiläumsjahr 2006 zu den Salzburger Festspielen eingeladen, „Jedem das Seine“ und „Orfeo ed Euridice“, kennen und schätzen gelernt hat und der für seine bekannt subtilen und stimmigen Arbeiten bekannt ist.
Auch bei diesem Spiel, wo es um die zeitlosen Themen wie Liebe und Macht geht, hat der österreichische Regisseur nicht mit dem Holzhammer zugeschlagen sondern Feinsinnigkeit und Tiefgründigkeit walten lassen und die Figuren entsprechend ihrem Charakter meisterlich gezeichnet. Unter Einbeziehung des Zuschauerraums und der Proszeniumslogen geht es ihm auch bei der Verlegung der Geschichte in das gegenwärtige Ägypten in erster Linie immer um die Emotionen der Protagonisten und um das Seelendrama von Händel. Er schreckt aber auch nicht vor so mancher drastischen Szene zurück. Die ästhetischen Kulissen und Bilder eines schicken, gläsernen Lofts mit Blick über Kairo mit starken, räumlichen Videoproduktionen einer pulsierenden Großstadt und die eleganten Roben (Ausstattung: Renate Martin und Andreas Donhauser) tragen das Ihre bei.
Zum Gelingen hat aber auch ein sehr homogenes und spielfreudiges Sängerensemble intensiv beigetragen: Allen voran Golda Schultz, eine Kleopatra zum Niederknien, hier am Stadttheater auch schon als umjubelte Sophie zu erleben. Sie fasziniert aber nicht nur mit feinsten Koloraturen sondern auch mit fein schattierten, empfindsamen Tönen. Bei der Besetzung von Händels wohl beliebtesten Dramma per musica aus 1724 ist man vom Besetzungsbüro ziemlich gefordert, denn es bedarf gleich dreier Countertenöre, an die ziemliche Anforderungen gestellt werden. Erstaunlicherweise erlebt man diese hier in Klagenfurt alle mit kleinen Einschränkungen exzellent: Dmitry Egorov singt den Titelhelden mit ungemein virtuoser Flexibiliät und vielen Fassetten. Bei der Uraufführung sang ihn übrigens der Kastrat Senesino, der Popstar der damaligen Zeit. Zu perfekten Koloraturen ist auch Luigi Schifano als Sesto fähig. Vasily Khoroshev ist nicht minder koloraturgewandt wie seine Kollegen aber es fehlt ihm etwas an Volumen. Allerdings spielt er den Tolomeo, von der Regie dazu angestiftet, als rotzfrechen, dekadenten Halbstarken und Frauenhelden, weswegen er einmal sogar von unzähligen Mädchen in Unterwäsche umschwärmt wird. Adriana di Paola klingt als Cornelia etwas larmoyant, obwohl sie über einen ausgesprochen schönen Mezzo verfügt. David Steffens als Achilla ist sehr stimmgewaltig, Michael Schober als Curio hingegen etwas zu farblos zu vernehmen. Aleksandra Krizan, eine Debütantin, singt die kleine Partie der Nirena schon sehr selbstbewusst. Der Chor des Hauses, der von Günter Wallner einstudiert wurde, klingt bei seinen Kurzauftritten von den Proszeniumslogen sehr klangschön.
Für Händels Meisterwerk, für das der berüchtigte Vielschreiber, mehr Zeit als gewöhnlich zum Komponieren aufwand, weswegen dessen Instrumentation auch unglaublich verfeinert und reichhaltig wirkt, hat man den „Barock-Spezialisten“ Attilio Cremonesi engagiert. Und es erstaunt, wie das Kärntner Sinfonieorchester, mit dieser Musik sonst kaum vertraut, in die Stilistik, Koloristik und Dynamik dieser „Alten Musik“ eingetaucht ist. Ungemein konzentriert und souverän animiert agiert der italienische Maestro und die aus akustischen Gründen im hochgefahrenen Graben spielenden Musiker folgen ihm mit großer Energie willig und engagiert.
Stehende Ovationen, wie man sie hier schon lange nicht mehr erlebt hat.
Helmut Christian Mayer