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KIEW Taras Shevchenko Ukraine National Opera : CARMEN

03.11.2013 | KRITIKEN, Oper

Taras Shevchenko Ukraine National Opera Kiew CARMEN2.11. 2013

Sergiu Skotscheljas -Alla Kulbaba -Tetjana Piminowa
Sergiu Skotscheljas, Alla Kulbaba, Tetjana Piminowa. Foto: Harald Lacina

Es ist Samstag 19 Uhr und diesmal ist das Haus fast bis auf den letzten Sitzplatz ausverkauft. Niemand kam zu spät. Das Orchester wurde dieses Mal von einer blonden attraktiven Dirigentin mit so viel Elan geleitet, dass ich sie zunächst für eine Französin hielt. Doch ein Blick ins Programmheft lehrte mich eines Besseren. Alla Kulbaba (Aллa KУЛЪБАБА) riss das Publikum zu solchen  Begeisterungsstürmen hin, dass bereits nach dem schnellen ersten Teil der Ouvertüre applaudiert wurde. Ich saß in der ersten Reihe und konnte beobachten, dass die Dirigentin auch den Text mit den Lippen formte. Der französische Text war letztendes aber auch die Crux des Abends. Offenbar gibt es keinen Sprachcoach an der Oper in Kiew und so wurde das französische „u“ wie etwa in „tu m‘aimes“ nicht wie ein deutsches „ü“, sondern stets wie „ou“ ausgesprochen.

Tetjana Ganina -Micaëla
Tetjana Ganina.Foto: Harald Lacina

Den besten Eindruck hinterließ für mich der glockenhelle Sopran der Micaëla von Tetjana Ganina (Тетяна ГАНІНА). Sie könnte mit ihrer ausdrucksstarken, gut geführten Stimme jederzeit auf den großen Bühnen der Welt Furore machen. Es war eine unerwartete Überraschung, ein solches Talent in Kiew zu erleben. Brava!

Tetjana Piminowa (Тетяна ПІМІНОВА) erinnerte mit ihrer dunklen Stimme und im Aussehen ein wenig an Agnes Baltsa in ihrer Paraderolle. Sie bewies auch ein großes tänzerisches Talent und bewegte sich mit wiegenden Schritten über die Bühne, wenn sie Don José umgarnte oder für ihn bei Lillas Bastias tanzte. Die Kastagnetten zu diesem Tanz wurden allerdings von einem Orchestermusiker gespielt.

Prächtig anzuhören und anzusehen waren auch Switlana Godlewska (Світлана ГОДЛЕВСЬКА) als Frasquita und Lesja Alekseewa (Леся АЛЄКСЄЄВА) als Mercédes.

Der Don José von Oleg Filipenko (Олег ФІЛІПЕНКО) hatte leider mehrmals Textprobleme und ließ im Lillas Bastias Bild sogar eine ganze Zeile aus. Die Stimme wurde in der Höhe auch immer verquollener und heiser, sodass er im dritten Akt als indisponiert entschuldigt wurde und stattdessen Sergiu Skotscheljas (Cepгiй CKOЧEЛЯC) als rasend eifersüchtiger abgehalfteter Sergant einsprang und die Vorstellung rettete.

Das Quintett von Carmen, Mercédes, Frasquita, Dancaïre und Remendado wurde im zweiten Akt auch besonders heftig mit Beifall akklamiert. Zu diesem Erfolg trugen neben den erwähnten Zigeunerinnen noch die beiden Schmuggler Oleksandr Bojko (Олександр БОЙКО) als Dancaïre mit behäbigem Bariton und Juri Awramtschuk (Юрій АВРАМЧУК) als Remendado mit tenoralem Glanz nicht unwesentlich bei.

Igor Jewdokimenko (Ігор ЄВДОКИМЕНКО) war ein schneidiger Torero Escamilo mit schmetterndem Bariton. Kein Wunder, dass sich die rassige Carmen durch sein schneidiges Auftreten angezogen fühlt.

Wasily Kolibabjuk (Василь КОЛИБАБ’ЮК) stattete seinen Leutnant Zuniga mit einem profunden durchdringenden Bass aus und Michailo Kirischew (Михайло КІРІШЕВ) ergänzte das Ensemble als Sergeant Moralès mit solidem Bariton.

Alle Sänger boten ihre jeweiligen Rollen mit Emphase dar. Von einem derart schwungvoll aus dem Orchestergraben erklingenden Bizet ließen sich die Künstler hörbar mitreißen.

Als Regisseur nennt das Programmheft Dmitro Gnatjuk (Дмитро ГНАТЮК), der mit seiner stringenten Personenführung spanisches Flair lebendig werden ließ, wozu die prächtigen Kostüme von Ganna Schatjewa (Ганна ШАТЬЄВА) einen nicht unwesentlichen Anteil hatten. Die vorliegende Inszenierung hatte am 28. Dezember 2001 Premiere.

Zum großen Erfolg dieses Abends trug aber auch der von Anatolij Sementschuk (Aнатолий СЕМЕНЧУК) bestens einstudierte Chor der Zigarettenarbeiterinnen bei.

Ansprechend waren auch die Bühnenbilder. So sieht man im ersten Akt im Hintergrund den Hafen des Guadalquivir von Sevilla. Die Schenke von Lillas Bastias im zweiten Akt ist eine typische andalusische Taverne. Das Lager der Schmuggler in einer gebirgigen Felsschlucht im dritten Akt wirkte dann äußerst düster und bedrohlich und der Platz vor der Arena im vierten Akt ließ Letztere im Hintergrund nur vermuten.

Nach dem Austausch des Sängers des Don José war der Abend gerettet und der Applaus verteilte sich ziemlich gleichmäßig auf alle Beteiligten. Bravorufe erhielten vor allem die Titelheldin und die Sängerin der Micaëla sowie die Dirigentin für ihre großartige Leistung.                   

Harald Lacina

 

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