Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

KIEL/ Theater: FALSCHER VERRAT. Oper von Marco Tutino

12.11.2018 | Allgemein, Oper


Frau auf Mann 1, Mann 2 muss zuschauen. Copyright: Theater Kiel/Olaf Struck

KIEL/ Theater Kiel : FALSCHER VERRAT von Marco Tutino

am 9.11.2018

Im November 1918 fand in Kiel der berühmte Matrosenaufstand statt. Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums dieses historisch bedeutsamen Ereignisses, das in weiterer Folge zur November – Revolution, zur Flucht des Kaisers und der Ausrufung der ersten deutschen Republik führte, hat das Theater Kiel einen Kompositionsauftrag für eine Oper vergeben (ist z.B. in Österreich zum Republikjubiläum niemanden eingefallen). Mutiger – und nichtnationalistischerweise erging dieser nicht an einen Deutschen, sondern an einen Italiener: Marco Tutino. Tutino ist einer der produktivsten und international erfolgreichsten italienischen Komponisten. Seine letzten Werke „Le Braci“(nach dem Roman von Sándor Márai), „La Ciociara“(nach dem Film von Vittorio de Sica) und „Miseria e Nobiltà“ (nach dem Theaterstück von Eduardo Scarpetta) wurden u.a in Florenz, San Francisco, Genua und Cagliari gespielt.

Er ist allerdings auch einer der angefeindetsten und von vielen Häusern boycottiertetsten Komponisten,  da er sich beharrlich weigert, sich bedingslos dem Diktat der sogenannten Moderne zu unterwerfen. Diese durchaus auch sehr schmerzvolle Erfahrung schildert er sehr eindrücklich in seinem Buch “ Il mestiere dell’aria che vibra“ (Der Beruf der vibrierenden Luft)


Frau zwischen 2 Männern, beide tot!. Copyright: Theater Kiel/Olaf Struck

Nun also seine erste deutschsprachige Oper für Kiel.

Luca Rossi und Wolfgang Händeler haben ihm dafür ein Original-Libretto geliefert, in dem der eher abstrakte Matrosenaufstand durch ein Dreiecksverhältnis zwischen dem Kapitän (der den Aufstand niederschlagen soll) und dem Heizer (der ihn angezettelt hat) und einer Frau, die beide lieben, sozusagen auf eine „menschliche Ebene“ gehoben wird.

Tutinos „neoromantische“ und meistens tonale Musik ist virtuos und anspruchsvoll und kunstvoll instrumentiert, allerdings auch von einer elegischen Schwermut (mit ein paar „Weillschen“ Einschüben – wie z.B beim Chor der Huren) durchzogen. Ein weiteres prägendes Element ist die zu jedem Zeitpunkt gegebene absolute Wortdeutlchkeit (die die deutschen Ünertitel eigentlich überflüssig gemacht hätte).

Tja, das Libretto. das ist leider eine Schwachstelle der Produktion. Es besteht hauptsächlich aus in ziemlich banalerweise in Dialogform gebrachten Wikipedia – Einträgen. Durch die oben erwähnten Übertitel wird man aber leider auch solcher pseudopoetischer Stilblüten gewahr wie „Eure kalten Wasserleichen werden unseren Champagner kühlen“. Hmmm…

Die andere strategische Schwachstelle ist unglücklicherweise die Regie des Hausherren Daniel Karasek, dem es offenbar trotz seiner Machtposition nicht gelungen ist , die ausschließlich auf die Emission von Tönen und direkten Augenkontakt mit dem Dirigenten fixierten störrischen Sänger zu irgendeinem glaubwürdigen Spiel m i t e i n a n d e r zu bewegen. Am schlimmsten sind allerdings die beamteteten männlichen Choristen, die gegen Ende der Oper den legendären Matrosenaufstand mimen sollen.  Viel gemächlicher geht’s kaum: Revolution nach Vorschrift, und das zu gewerkschaftlich festgelegten Zeiten. Unfreiwillig komisch.


Die Choristen proben den Aufstand. Copyright: Theater Kiel/Olaf Struck

Ziemlich schade eigentlich, denn Tutinos Musik berührt und bewegt und gefällt und sie wird, wenn schon nicht auf der schauspielerischen, dann doch zumindest auf der gesanglichen und orchestralen Ebene unter der Leitung von Georg Fritzsch exzellent interpretiert.

Also wünscht man sich, dass es – mit einem etwas verbessertenText und einer herzhafteren und zupackenderen Regie – irgendwann einmal zu einer einer Wiederbegnung mit diesem durchaus faszinierenden „Falschen Verrat“ käme…

Robert Quitta, Kiel

 

Diese Seite drucken