Oper Kiel: Entmythologisierter „Lohengrin“ am 28.1.2012
Von Horst Schinzel
Katrin Adel, Alexandra Petersamer. Foto: Olaf Struck
Richard Wagners „Lohengrin“ in Kiel – selbst Stammgäste des dortigen Opernhauses können sich nicht an eine Inszenierung im letzten Vierteljahrhundert erinnern. Entsprechend groß ist die Erwartung an dieses Inszenierung, für die Georg Köhl verantwortlich zeichnet. Verantwortlich für ein Märchen aus fernen Zeiten, das er zusammen mit dem Bühnenbildner Norbert Ziermann und der Kostümbildnerin Claudia Spielmann in ein modernes Umfeld stellt.
Mit der Geschichte, die uns Richard Wagner erzählt, setzt der Komponist erhebliche Geschichtskenntnisse bei seinen Zuschauern voraus – Kenntnisse, die der „normale“ Opernbesucher kaum mehr hat. Der deutsche König Heinrich der Vogler – der zu Beginn des 10. Jahrhunderts regierte – ist nach Brabant gekommen, um den Heerbann der Grafschaft für einen Feldzug gegen die Ungarn auszugeben. Dabei muss er feststellen, dass die Grafschaft kurz vor einem Bürgerkrieg steht. Der Graf ist verschwunden, und seine Schwester Elsa wird des Brudermordes bezichtigt, Graf Telramund strebt nach der Macht. Elsa aber träumt von einem gottgesandten Helfer, von Lohengrin, der per Schwan anreist.
Vor diesem Hintergrund ha die Regie Wagner kräftig gegen den Strich gebürstet. Lohengrin und der Heerrufer mit Brille, ein Winkelemente schwenkendes und Transparente ausrollendes brabantisches Volk, das sich auf offener Szene in Fantasieuniformen umkleidendes Heer, ein sich selbst entleibender Lohengrin – das ist allemal gewöhnungsbedürftig. Gewöhnungsbedürftig auch, dass der stimmlich sehr erfreuliche König des Petros Magoulas in Maske und Aufmachung zur lächerlichen Figur wird und der Heerrufer des Tomohiro Takada wenig ehrfurchtgebietend ständig durch das Volk wuselt und von Zeit zu Zeit dem König aus einer Aktentasche offenbar wichtige Reichspapiere vorlegt. Das alles goutiert dem einen oder anderen Zuschauer durchaus nicht und in den Schlussbeifall mischen sich zaghafte Buhrufe.
Wenn der Abend zu einem großen Erlebnis wird, dann dank der großartigen Gäste.
Sung-Kyu Park. Foto: Olaf Struck
Sung-Kyu Park haben wir in Kiel schon mehrfach in fremdsprachigen Rollen erlebt. Jetzt also muss er Deutsch singen – und das tut er ohne Fehl und Tadel. Eine saubere Aussprache und überraschende Betonungen, die durchaus Sinn machen.
Auch die beiden weiblichen Hauptrollen sind mit Gästen besetzt. Die noch junge Katrin Adel als Elsa und Alexandra Petersamer als Ortrud gelten als Spezialistinnen für Wagnerrollen. Beide sind freischaffend tätig, wobei Katrin Adel von der kommenden Spielzeit an in St. Gallen verpflichtet ist. Vor allem das lange Duett der beiden Protagonistinnen im zweiten Akt wird zu einem eindrucksvollen Erlebnis.
Große Aufgaben hat an diesem Abend der von Barbara Klier einstudierte Chor. Dem Regisseur sind großartige Massenszenen gelungen, doch dürfte hier Vieles kaum dem Geschmack eines überzeugten Wagner-Fans entsprechen. Das Philharmonische Orchester unter Generalmusikdirektor Georg Fritzsch leistet Herausragendes.
Das Premierenpublikum hält tapfer 4 ½ Stunden durch und feiert Sänger wie das Inszenierungsteam stürmisch.
Weitere Aufführungen: 18. Februar, 12. März, jeweils 17 Uhr, 24. März, 18 Uhr