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Katrin Unterreiner: HABSBURGS VERSCHOLLENE SCHÄTZE

29.10.2020 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

Katrin Unterreiner
HABSBURGS VERSCHOLLENE SCHÄTZE
Das geheime Vermögen des Kaiserhauses
200 Seiten, Verlag ueberreuter, 2020

Katrin Unterreiner hat sehr elegant die Nachfolge von Brigitte Hamann angetreten. Wo immer man im Fernsehen ein kompetentes Habsburg-Statement braucht, kommt sie ins Bild. Und mittlerweile blickt die Historikerin, die lange das Sisi-Museum betreut hat, auf eine mehr als stattliche Liste von Büchern, hauptsächlich zur Familie Habsburg, zurück. Auch die jüngste Publikation versucht dem ewigen und offenbar unerschöpflichen Thema neue Aspekte abzugewinnen (und das gelingt). Es geht um das Vermögen der Habsburger.

Immer wieder haben sich Autoren und Wissenschaftler diese Frage gestellt, allein die Bibliographie zu diesem Buch verweist auf Dutzende von Untersuchungen dazu. Katrin Unterreiner ist der Sache gewissermaßen vom Beginn bis zum Ende nachgegangen, und sie hat nicht Sekundärliteratur nachgeplappert, sondern vor allem die Quellen befragt, wie sie in zahlreichen Nachlässen, Archiven und den (oft mit Vorsicht zu genießenden) Überlieferungen von beteiligten Zeitgenossen zu finden sind.

Das ergab nicht nur einen umfassenden Blick, sondern auch manche neue Darstellung. So ist nun zweifelsfrei klar, was aus dem „verschwundenen“ Kronschatz der Habsburger geworden ist – und wie Karl, Zita und ihre Familie im Exil gelebt haben…

640 Jahre Habsburg in Österreich, eine stattliche Epoche, in der ein aus der Region Schweiz stammendes Grafengeschlecht seine Chance erkannte, als sie das kleine Herzogtum der ausgestorbenen Babenberger übernehmen konnten. Sie machten daraus, wie Katrin Unterreiner gleich zu Beginn feststellt, „ein Weltreich mit 52 Millionen Einwohnern, das von der heutigen Ukraine bis Spanien und darüber hinaus nach Südamerika reichte.“ Sie waren damit über Jahrhunderte eine der mächtigsten Dynastien der Welt. Aber wie reich waren sie?

Sagen wir es kurz: Anfangs kaum, später mehr, am Ende ziemlich sagenhaft reich, wobei es ganz komplizierte Familienverhältnisse gab. In ihren Anfängen, als einige von ihnen deutsche Könige waren, gab es keine Gelegenheit, große Besitztümer zu erwerben. Als der erste von ihnen als Friedrich III. Kaiser des Heiligen Römischen Reichs wurde (eine Machtstellung, an der die Familie mit minimalen Unterbrechungen bis zum Ende dieses Reichs festhielt, um dann das österreichische Kaisertum zu konstituieren), änderte sich die Situation. Friedrich war völlig verschuldet und suchte den Ausweg in der Heirat seines Sohnes Maximilian mit der reichsten Erbin Europas, Maria von Burgund. Um das zu ermöglichen (um diese Dame stritten und ritterten alle Fürsten), musste man etwas investieren. Das war der Auftritt der Familie Fugger in der Geschichte der Habsburger, und einige Generationen lang waren sie untrennbar verbunden.

Die Augsburger Bankiers finanzierten die Habsburger und durften sich an deren Silber-, Kupfer- (Waffenerzeugung!) und Salzminen schadlos halten. Ein gutes Geschäft für beide Teile, wenn der Aufwand Maximilians auch so groß war, dass er dennoch immer wieder in die Schuldenfalle geriet. Die Fugger taten allerdings sehr gut daran, die Wahl seines Enkels, des spanischen Königs Carlos I., zu „Kaiser Karl V.“ zu erkaufen – denn dann kam auch das Gold aus den überseeischen Gebieten herein. Allerdings endete die große Zeit der Fugger auch mit diesem Karl V. – die goldene Ära war mit dem Tod von Anton Fugger 1560 vorbei, die Familie rettet sich über den Dreißigjährigen Krieg noch ein knappes Jahrhundert weiter, dann wurde die Firma, die so viel Macht und Prestige besessen hatte, aufgelöst.

Ungeachtet des Antisemitismus, den man den Habsburgern bis Maria Theresia nachsagte, waren sie Pragmatiker. Von nun an übernahmen die Juden ebenso erfolgreich ihre Geldgeschäfte, zuerst Samuel Oppenheimer, dann sein Neffe Simon Wertheimer (die schönen Steinsarkophage von beiden kann man heute noch am Jüdischen Friedhof in der Rossau, Seegasse, sehen). Und schließlich waren es die Rothschilds, die den Habsburgern über finanzielle Probleme hinweg halfen, darunter Hilfe bei der Begleichung der Schulden, die der Wiener Kongreß verursacht hatte: Dafür wurden alle fünf Familienzweige zu Baronen geadelt (und das gilt auch heute noch).

Dass man reich werden konnte, indem man Besitz einzog, das vollzogen die Habsburger „unelegant“, wie die Autorin vermerkt, während der Glaubenskriege: Protestantische Adelsfamilien verloren riesige Besitztümer in Böhmen und Ungarn an die Habsburger. Auch zogen sie etwas nach Wallensteins Ermordung sein gesamtes Vermögen ein: Das waren in damaliger Währung gut 50 Millionen Gulden.

Aber es musste nicht immer mit ungerechten Dingen zugehen. Wirklich reich wurde die Familie durch einen scheinbar so faulen, desinteressierten, nur am Kinderzeugen und Mätressen haltenden „Prinzgemahl“, der nebenbei noch als Franz I. Stephan Kaiser war, weil Gattin Maria Theresia politisch nachgeschoben hatte.

Dass dieses Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hatte, nicht stimmt, haben schon einige Bücher zurecht gerückt. Katrin Unterreiner schildert nun nicht nur kulturelle und spezifische Interessen des Kaisers (wie die Gründung des Tiergartens Schönbrunn), sondern auch seine enorme Geschäftstüchtigkeit. In einem Palais in der Wallnerstraße hatte er seine „Firma“, in der er – ganz ohne Standesdünkel – nur Profis beschäftigte: Was er auf Reisen in England, Holland oder Schlesien gesehen hatte, setzte er auf den Habsburgischen Gütern um. Neue Maschinen, ökonomische Arbeitsabläufe – und enorm steigende Gewinne aus Landwirtschaft und Viehzucht, Weinbau und Brauerei, Fischzucht und Forstwirtschaft. Es gab riesige Einnahmen aus der Zucht von Enten, und er versorgte die Armee der Gattin im Siebenjährigen Krieg (schließlich verfügte er auch über Tuchmanufakturen, Webereien und Spinnereien) mit Uniformen, darüber hinaus auch Waffen und Pferden. Dass er auch ihren Gegner Friedrich II. von Preußen mit Kriegsmaterial beliefert haben soll, wie man mancherorts lesen kann, dieses unschöne Gerücht wiederholt die Autorin in diesem Buch nicht…

Dass Franz I. Stephan auch an der Lotterie beteiligt war und an den großen Börsen Europas spekulierte, wundert nicht. Und auch nicht, dass er das Riesenvermögen, das er schließlich dank privater Initiative anhäufte, nicht dem „Staat“ zugestehen wollte, sondern der Familie. So entstand das enorme Privatvermögen der Familie Habsburg, das Maria Theresia und Joseph II. rechtlich absicherten, um alle Familienmitglieder zu ernähren – und das in allerfeinstem Stil. Jedes Familienmitglied erhielt Apanagen, mit denen sich nicht nur sorglos, sondern auch luxuriös leben ließ.

In der Folge geht die Autorin Einzelschicksalen nach, in denen gezeigt wird, wie einzelne Familienmitglieder ihr Geld verschwendeten (so dass manch einer auf Befehl von Franz Joseph unter Kuratel gestellt wurde), während andere ihren privaten Besitz vermehrten, wobei viele direkt von ihren Eltern oder indirekt von Onkeln, Tanten und sonstigen Verwandten gewaltige Vermögen erbten. Erzherzog Friedrich, ein Enkel des Aspern-Siegers Erzherzog Karl, wurde (vom Kaiser abgesehen) der reichste Habsburger seiner Zeit, auch er durch Fähigkeiten im Finanzbereich. „Der Rahmreiche“ nannte man ihn auch, weil er als Besitzer eines der größten Molkereibetriebe der Monarchie die Armee mit Milch belieferte – eine Armee, bei der er immerhin den Rang eines Oberbefehlshabers einnahm. Heute würde man so etwas für unvereinbar halten, damals war es wohl selbstverständlich.

Und man erfährt auch, dass der heute noch übliche und längst nicht mehr erklärbare Begriff „Teebutter“ auf Erzherzog Friedrich zurück ging, dessen Butter den Markennamen „TEE“ (Teschener Erzherzogliche Butter) trug… (Zu Teschen kam er, weil sein Familienzweig das Erbe des kinderlosen Albertina-Gründers Albert von Sachsen-Teschen erhalten hatte. Die Habsburgischen Familienbeziehungen sind immer ein Vergnügen.)

Die Autorin befasst sich auch damit, dass die „Aussteiger“ aus dem Kaiserhaus sich ihr Leben ohne familiären Zwang wohl leichter vorgestellt haben, weil sie dann nämlich um die beträchtlichen familiären Bezüge kamen und sich ihr Geld „bürgerlich“ und schwer verdienen mussten. (Meghan und Harry haben das wohl auch schon gemerkt…)

Aber am interessantesten werden ihre Ausführungen, nachdem sie den wirklich bescheidenen Kaiser Franz Joseph gewürdigt hat, wenn Katrin Unterreiner zu dessen Gattin, der legendenumflorten Kaiserin Elisabeth, kommt. An dieser bleibt, wohl zurecht, kein gutes Haar. Keinerlei Romantik ist angesagt angesichts einer Frau, die sich so wacker „ihrer Rolle verweigerte“ und „Selbstverwirklichung“ suchte, wie man ihr von der Frauenbewegung her gerne zuschreiben möchte. Tatsächlich führte Elisabeth auf lebenslangen Reisen ein gänzlich verantwortungsloses, unfaßlich teures Leben, das am Ende – die Autorin rechnet um, damit man sich die Summen auch vorstellen kann – etwa 24 Millionen Euro gekostet hat (die Unterlagen sind in den Archiven einzusehen). Mehr noch, obwohl sie selbst reichlich Apanagen bezog, bestand sie darauf, dass ihr Gatte alle ihre Ausgaben bezahlte (was er ohne den geringsten Einspruch tat), und sie investierte ihr Geld bei den Rothschilds und im Aktienmarkt, etwa bei den Österreichischen Staatsbahnen, bei der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft oder der Alpine Montan. Sie hinterließ ihren beiden Töchtern und der Enkelin (der Tochter von Kronprinz Rudolf) insgesamt 144 Millionen Euro. Da konnte selbst Tochter Marie Valerie nur von einem „erschreckend großen Vermögen“ sprechen…

Den Rest des Buches widmet die Autorin dann der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, jenem Vermögen der Familie Habsburg, das vielen habsburg-treuen Berichten zufolge, von der Republik Österreich „gestohlen“ wurde. Tatsache ist, dass man nur behielt, was Staatseigentum war und in den Nachfolgestaat über ging, während das Privatvermögen an die meisten Familienmitglieder ausgezahlt wurde (und die heutigen Habsburger noch immer zu den größten Grundbesitzern der Republik Österreich zählen).

Gestohlen haben Karl und Zita nach den Schilderungen des Buches eindeutig die so genannten „Kronjuwelen“, die sie – obwohl absolut nicht ihr Privatbesitz – aus der Schatzkammer in die Schweiz mitnahmen. Die „Suche“ nach diesem Kronschatz ist vergeblich, denn die Autorin kann ihn nicht nur penibel auflisten, sondern weiß auch, dass die meisten Einzelstücke, darunter der legendäre „Florentiner“ (ein Stein, der in drei Stücke zerlegt und damit seines unikaten Werts beraubt wurde) zerstückelt und verkauft wurden. Unter dem Wert – aber es sind historische Schätze, die auf diese Art zerstört wurden.

Die Habsburger werden das vielleicht anders sehen, und sie wollen vielleicht auch an dem Image festhalten, dass die Familie von Karl und Zita im Exil in Armut gelebt hat. Davon kann, dafür trägt Katrin Unterreiner genügend Beweise zusammen, nicht die Rede sein. So hat sie nicht nur „wieder ein Habsburg-Buch“ geschrieben, von denen es so viele gibt, weil sie so gut verkäuflich sind – sondern eines, aus dem man hier und dort wirklich Neues erfährt.

Renate Wagner

 

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