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KASSEL: PARSIFAL – Premiere

07.04.2012 | KRITIKEN, Oper

Staatstheater Kassel „PARSIFAL“. Premiere 6. April 2012

 Kassel erlebte unter Louis Spohr Aufführungen des „Fliegenden Holländer“ und des „Tannhäuser“ ganz kurz nach den Uraufführungen. In den 60-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren es dort Ulrich Melchinger und Thomas Richter-Forgách, die als erste an Stelle der in der Nachfolge Wieland Wagners üblichen Monumental-Inszenierungen durch ihre Aufführungen diese Tradition kritisch hinterfragten. Vielleicht zur Fortsetzung dieser Wagner-Tradition hatte das Staatstheater Kassel  sich vergangenen Karfreitag ausgesucht für die Premiere des „Parsifal“ unter der musikalischen Leitung von Patrik Ringborg in der Inszenierung der Bielefelder Opernintendantin Helen Malkowsky.


2. Aufzug, Parsifal (Christian Elsner) und die Blumenmädchen. Foto: Nils Klinger

Sie ließ vor allem im I. Aufzug Blut fliessen. Schon während des Vorspiels sah man in einer Projektion Blut in geöffnete Hände tropfen. Im viereckigen weissen Einheitsbühnenbild  (Harald B. Thor) wischten zu Beginn die Knappen Blut vom Boden auf. Beim Abendmahl wurden während der Verwandlungsszene auf einer projezierten Weltkarte alle Kontinente blutrot gefärbt. Danach hatten durch den Anblick des Grals die weißgewandeten Ritter (Kostüme Tanja Hoffmann) Kraft, Wände zu verschieben.  Titurel (Krzysztof Borysiewicz mit mächtig orgelndem Baß), warf seine Krücken weg und  verteilte Orden, während im Hintergrund Männerbünde von Soldaten über Mönche und Priester bis zum Ende auf dem Soldatenfriedhof zu sehen waren.  Insgesamt war die Inszenierung dieses Aktes  sehr eindrucksvoll, auch und gerade durch die meisterhafte Personenführung.

Der zweite Akt glänzte durch die Choreografie der Blumenmädchen, die Heiterkeit erweckten, wenn sie versuchten, Parsifal die Klamotten auszuziehen. Kostüme gewechselt wurden in der Inszenierung häufig, so auch tauschten im I. Aufzug Kundry und ein Knappe die Kleider und im II. Klingsor und Parsifal mal die Matrosenanzüge aus. Da kein Zaubergarten zu sehen war, konnte Klingsor (pointiert und textverständlich gesungen von Marc-Olivier Oetterli) nun als Herrenreiter gekleidet zum Schluß nur in sich zusammensinken, nachdem Parsifal unter vielen Speeren den richtigen,  sehr großen,  gefunden hatte..

Im III. Aufzug gab es auf der Bühne keinen Karfreitagszauber, dafür „schichtete Kundry starke Scheite zu Hauf’“, deren Flammen sie  im Tode vom Fluch reinigten, nicht etwa die Taufe! Die jetzt nicht mehr blutigen Hände vom Anfang löschten das Feuer und es blieb eine grosse Dornenkrone über der Bühne hängen. Zum Schluß gehen Parsifal – jetzt im ritterlichen Weiß – und die Gralsritter mit Speer und Gral im Sinne des Wortes ab durch die Mitte, während  Amfortas, allein zurückgeblieben, die Asche der verbrannten Kundry in die leere Hülle des Grals füllte und erst dann starb. Dieses Schlußbild resignierender Einsamkeit passte zwar nicht unbedingt zum „Erlösung dem Erlöser“, war aber sehr eindrucksvoll.

Die Titelpartie übernahm als Gast Christian Elsner, der sie bereits konzertant in Berlin unter Marek Janowski  auf CD gesungen hat. Für einen Heldentenor stellt die Partie keine übermässigen Anforderungen an die Stimme und so sang er alles wohlklingend und makellos. Allerdings erschien sein Spiel häufig eher unbeeindruckt vom Geschehen um ihn herum, was vielleicht von der Regie gewollt war.

Das Gegenteil läßt sich sagen von der ebenfalls als Gast verpflichteten  Ursula Füri-Bernhard als Kundry. Sie spielte mit bewunderwerter dramatischer Intensität ihre große Szene im II. Aufzug, verlor dabei aber manchmal leider die Kontrolle über ihre klangvolle Altstimme.

Alle anderen Partien waren mit hauseigenen Sängern besetzt, was an einem Karfreitag auch notwendig ist, da von Bühnen groß und klein Nachfrage nach Hauptdarstellern des Stücks herrscht. Allen voran war da Mario Klein als Gurnemanz zu bewundern – im Gehrock des 19.Jahrhunderts, der die Riesenpartie ausdrucksstark und wortverständlich glänzend bewältigte. Espen Fegran als Amfortas konnte mit seinem präzise geführten Bariton besonders im III. Aufzug mit gut kontrollierten Verzweiflungsausbrüchen beeindrucken.

Gut besetzt waren alle Knappen und Blumenmädchen, besonders die beiden ersten LinLinFan und Ingrid Froseth.

Präzise, dynamisch exaktund, wenn nötig, gewaltig sangen Chor und Extrachor in der Einstudierung von Marco Zeiser Celesti und mit hellen unschuldigen Stimmen der Kinderchor Cantamus, einstudiert von Merle Clasen.


3. Aufzug: Espen Fegran (Amfortas) und Christian Elsner (Parsifal). Foto: Nils Klinger

Großartig gefiel aber das Orchester unter Leitung von Patrik Ringborg. Er wählte verhältnismäßig zügiges Tempo – der erste Akt dauerte knapp 100 Minuten – baute dadurch grosse dramatische Spannungen auf. Alle Solostellen, ob Holzbläser, Blechbläser oder Streicher gelangen sehr gut und der bewundernswerte Mischklang zwischen den Orchestergruppe war perfekt ausbalanciert.

Wohl auch deshalb erhielten Orchester und Dirigent, als sie zum Schlußapplaus auf die Bühne kamen, am meisten Beifall und Bravos, der aber auch für die Solisten, vor allem Mario Klein als Gurnemanz, für Chor und Kinderchor und das Leitungsteam reichlich gespendet wurde.

 Sigi Brockmann

 Alle Fotos Nils Klinger Hauptprobe 30.3.2012

 

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