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KARLSRUHE: VERLOBUNG IM TRAUM von Hans Krása. Opernausgrabung von besonderer Bedeutung

18.12.2014 | Allgemein, Oper

Opernausgrabung von besonderer Bedeutung in Karlsruhe: „Verlobung im Traum“ von Hans Krása (Vorstellung: 17. 12. 2014)

 Das Badische Staatstheater Karlsruhe zeigte Ende Oktober anlässlich des 70. Jahrestags der Ermordung des Prager Komponisten Hans Krása in Auschwitz sein Meisterwerk „Verlobung im Traum“. Die Uraufführung der Oper, deren Libretto Rudolf Fuchs und Rudolf Thomas nach der Novelle „Onkelchens Traum“ von Fjodor Dostojewski verfassten, fand 1933 in Prag statt und wurde nur noch ein weiteres Mal – in einer Koproduktion der Staatsoper Prag mit dem Nationaltheater Mannheim im Jahr 1994 – aufgeführt.

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Jaco Venter als Fürst und Agnieszka Tomaszewska als Sina begeisterten das Karlsruher Publikum (Foto: Falk von Traubenberg)

 Hans Krása, 1899 in Prag geboren, wuchs in großbürgerlichen Verhältnissen auf und galt schon in jungen Jahren als musikalisches Ausnahmetalent. Er erhielt Unterricht von Alexander von Zemlinsky, dem Direktor des Neuen deutschen Theaters in Prag und später bei Albert Roussel in Paris. Seine 1933 in Prag uraufgeführte Oper Verlobung im Traum wurde zu einem großen Erfolg, doch wurde seine Situation als jüdischer Komponist immer schwieriger. So wurde sein berühmtestes Werk, die Kinderoper Brundibär in einem Prager Waisenhaus erstaufgeführt, als sich sein Schöpfer bereits im Lager Theresienstadt befand, wohin er im August 1942 von den Nazis verschleppt wurde. Dort wurde Krása zum Leiter der Musiksektion ernannt und organisierte 55 Aufführungen seiner Kinderoper in einer eigens für Theresienstadt arrangierten Fassung. Erschütternd die Vorstellung, dass Kinder, die am Vortag noch auf der Bühne standen, am nächsten Tag mit einem Zug nach Auschwitz deportiert wurden! Am 18. Oktober 1944 wurde auch Hans Krása in das Vernichtungslager gebracht, wo er wahrscheinlich noch am selben Tag ermordet wurde.  

Die Handlung der Oper „Verlobung im Traum“, die in Karlsruhe in deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln gebracht wurde, spielt in der kleinen russischen Provinzstadt Mordassow im Haus der Marja Alexandrowna, wo sich ein Fürst einquartiert, da seine Kutsche eine Panne hat. Sofort stürzt sich die Dame des Hauses auf ihn, um ihrer Tochter Sina eine gute Partie zu verschaffen. Sie bringt den Fürsten dazu, Sina, die den todkranken Dichter Fedja liebt, einen Heiratsantrag zu machen. Am nächsten Tag versucht der Neffe des Fürsten, der auch ein Auge auf die hübsche Sina geworfen hat, seinem Onkel einzureden, dass seine Verlobung nur im Traum geschehen sei. Im Epilog berichtet der Archivar der Stadt von Sinas weiterem Werdegang: Nach Fedjas Tod gelang es der ehrgeizigen Marja, ihre Tochter mit einem alten Gouverneur im fernen Osten zu verheiraten. Dort fristet sie ihr Dasein, „empfindet nichts, ist kalt wie ein Stein“.

 Ingo Kerkhof inszenierte das Werk hintergründig-humorvoll, wobei eine Rahmenkonstruktion aus 800 Glühbirnen (Bühnenbild: Dirk Becker) eine revuehafte Atmosphäre schuf, in der die Auftritte leichtgeschürzter Tänzerinnen eine zusätzlich witzige Attraktion bildeten. Die dazu wunderbar passenden Kostüme entwarf Inge Medert, die einfallsreiche Choreographie stammt von Darie Cardyn.

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Der Fürst (Jaco Venter) vergnügt sich beim Tanz mit jungen Damen (Foto: Falk von Taubenberg)

Für die höchst gelungene Aufführung sorgte ein typengerecht ausgewähltes Sängerensemble. Die polnische Sopranistin Agnieszka Tomaszewska als Sina begeisterte sowohl darstellerisch wie gesanglich. Sie bewältigte alle Höhen ihrer Partie mühelos und brillierte dazu mit ihrer wohlklingenden Stimme. Wie beispielsweise beim „Zitat“ aus Bellinis Norma, als sie den Fürsten mit der Belcanto-Arie „Casta Diva“ zu betören versuchte. Es gelang ihr…

Die deutsche Mezzosopranistin Martina Borst spielte und sang ihre Mutterrolle als Kupplerin mit großem Engagement und starkem Ausdrucksvermögen. Mit köstlicher Komik stattete der südafrikanische Bariton Jaco Venter die Rolle des alten Fürsten aus. Seine Szene mit den jungen Mädchen war bestes Kabarett und driftete nie in Klamauk ab. Als sein Neffe Paul beeindruckte der deutsche Tenor Christian Voigt, der seine Rolle als Intrigant mit Augenzwinkern zu spielen verstand und auch stimmlich überzeugte.

 Mit tragender Stimme trug der Bariton Armin Kolarczyk im Epilog seinen Bericht über Sinas Schicksal vor. Genannt seien auch noch drei Sängerinnen von kleineren Rollen, die alle sehr spielfreudig agierten: die Mezzospranistin Katharine Tier als Marjas intrigierende Schwägerin Nastassja, die Sopranistin Sofia Mara in der Rolle der Botin Barbara und die türkische  Mezzosopranistin Hatice Zeliha Kökcek als Sofia Petrowna, einer Bürgerin der Stadt Mordassow. Die Damen des Badischen Staatsopernchores waren stimmlich und optisch eindrucksvoll (Einstudierung: Ulrich Wagner).

 Die Badische Staatskapelle trumpfte unter der Leitung von Justin Brown orchestral auf und gab die farbenreiche Partitur des Komponisten, die ein musikalischer Querschnitt der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts sind, in allen Facetten wieder.

 Das Publikum nahm dieses erstaunliche Werk mit Begeisterung auf und dankte allen Mitwirkenden dieser gelungenen Aufführung mit frenetischem Beifall. Ein besonderer Dank gebührt auch der Intendanz des Badischen Staatstheaters für diese Ausgrabung!

 Udo Pacolt

 

     

 

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