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KARLSRUHE: ROMEO UND JULIA AUF DEM DORFE von Frederick Delius

01.02.2012 | KRITIKEN, Oper

Exzellente Opernrarität in Karlsruhe: „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von Frederick Delius

(B-Premiere: 1. 2. 2012)

 Am Badischen Staatstheater in Karlsruhe brachte in ihrer in dieser Spielzeit eingeführten Reihe „Meisterwerke des 20. Jahrhunderts“  Ende Jänner 2012 zum 150. Geburtstag des englischen Komponisten deutscher Herkunft Frederick Delius (geb. 1862 in Bradford, gest. 1934 in Grezsur-Loing bei Fontainebleau) dessen Oper „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ zur Aufführung. Das lyrische Drama in 6 Bildern, dessen Libretto der Komponist nach der gleichnamigen Novelle von Gottfried Keller verfasste, wurde 1907 unter Cassirer an der Komischen Oper in Berlin uraufgeführt. Die englische Fassung A Village Romeo and Juliet erlebte 1910 am Covent Garden in London ihre Erstaufführung.

 Die Handlung in Kurzfassung: Im fiktiven Schweizer Dorf Seldwyl wollen sich Sali und Vrenchen, die Kinder der miteinander wegen eines Streifens Brachland zwischen ihren Äckern heillos zerstrittenen Bauern Manz und Marti, vermählen. Symbolisch spielt dem Liebespaar ein geheimnisvoller schwarzer Geiger zur Hochzeit auf, die sie in der Nacht auf einem Boot vollziehen. Danach lassen sie sich, langsam im Wasser versinkend, davontreiben.

 Arila Siegert schuf eine poetische Inszenierung, die dem Werk wunderbar gerecht wurde. Gut unterstützt wurde sie von Frank Philipp Schlößmann, der ein Bühnenbild auf zwei Drehscheiben schuf, auf denen sich grobe Wände und Mauern im Kreise drehen. Dazu ein aufschlussreiches Zitat der Regisseurin aus einem Interview, das im informativen, gut illustrierten Programmheft zu lesen ist: „Wir sind davon ausgegangen, die Geschichte ‚in Kreisen‘ zu erzählen. Der innere Kreis entspricht der inneren Welt, die man nicht sieht, die sich in uns abspielt, die Gedanken, Gefühle, Ahnungen. Dann gibt es eine äußere Welt. Das sind Väter, die Kirmes, die Gesellschaft. Und dann gibt es eine Meta-Welt außen herum. Dazu gehören der Geiger und die Schiffer zum Schluss, die das Liebespaar in die Toteninsel hineinziehen, in das soghafte Zentrum dieses Lebens- und Todesstücks.“ Exzellent die Personenführung, bei der man auch die tänzerische und choreographische Vergangenheit der Regisseurin spürt. Die zeitlosen Kostüme mit historischen Anklängen, von Marie Luise Strandt entworfen, sind überwiegend in Schwarz gehalten, was der Symbolik der Opernhandlung voll entspricht. Für die trefflichen Lichteffekte sorgte Stefan Woinke.

 Unter der Leitung ihres Generalmusikdirektors Justin Brown brachte die Badische Staatskapelle die lyrische Partitur des Komponisten, der als ein Magier der Orchestrierung und Schöpfer musikalischer Atmosphären wie der Beschreibung von Seelenvorgängen gilt, in allen Facetten zum Ausdruck. Die symphonische Dichtung, die in den langen Zwischenspielen auch an Grieg, Debussy und Wagner erinnert, vermittelt eine elegische Stimmung, der man sich kaum entziehen kann.  

 Die B-Premiere brachte für viele Rollen eine neue Besetzung. Der britische Tenor Steven Ebel stellte den Sali dar, die russische Sopranistin Ekaterina Isachenko das Vrenchen. Beide überzeugten stimmlich (mit kleinen Abstrichen beim Romeo, Premierenfieber?) wie auch darstellerisch und verkörperten das Liebespaar innig und ausdrucksstark. In der ersten Szene waren als Kinder Florian Heidecker mit hoher Sopranstimme als Sali und die Sopranistin Larissa Wäspy als Vrenchen zu sehen. Beide rührend im Spiel und gut im Gesang. Als schwarzer Geiger beeindruckte der spanische Bariton Gabriel Urrutia Benet stimmlich mit seinem dunklen Timbre und darstellerisch durch seine mystische Ausstrahlung.

 Die beiden verfeindeten Bauern Manz und Marti wurden von den Baritonen Edward Gauntt und Lucas Harbour typengerecht dargestellt, in kleineren Rollen fielen noch die Sopranistin Maike Etzold als Pfefferkuchenfrau, die Mezzosopranistin Hatice Zeliha Kökcek als Schmuckwarenfrau und wildes Mädchen sowie der Bass Kwang-Hee Choi als Karussellmann stimmlich auf. Der Badische Staatsopernchor (Leitung: Ulrich Wagner) und die Statisterie des Badischen Staatstheaters (Leitung: Ursula Legeland) sorgten für stimmungsvolle Szenen auf der Kirmes.

 Das begeisterte Publikum bejubelte am Schluss die exzellenten Leistungen des Ensembles mit vielen Bravorufen und mit nicht enden wollendem Applaus für den Dirigenten und das Orchester. Gratulation der Intendanz zu dieser verdienstvollen Ausgrabung eines musikalischen Meisterwerks des 20. Jahrhunderts.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

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