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KARLSRUHE: PARSIFAL am Karfreitag

05.04.2015 | Allgemein, Oper

Parsifal in Karlsruhe/Karfreitag 3.4.2015

Musikalisch hat der Parsifal in Karlsruhe das Niveau eines Staatstheaters übertroffen. Zu verdanken ist das der guten Zusammenarbeit des GMD Justin Brown mit seinem Orchester. Die gute Abstimmung zwischen Blech und den Streichern, sowie die exakten Einsätze und Rücksichtnahme auf die Sänger sind bemerkenswert. Hier ist ein Klangkörper und sein Dirigent zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen. Über die Tempi im dritten Akt kann man allerdings unterschiedlicher Meinung sein.

 Auch das gesamte Sängerensemble übertrifft die Erwartungen. Allen voran ist hier der Amfortas von Renatus Meszar zu nennen, ein heldscher Bassbariton mit ausdruckstarker und in Leidenssituationen glaubwürdiger Stimme. Interessant auch der Parsifal, gesungen von dem deutsch Amerikaner Eric Nelson Werner, ein vom Bariton kommender Tenor mit Tristanstimme und imposanter Erscheinung. Von den übrigen Protagonisten seien noch besonders die Kundry von Christina Niessen (herrlich ihr Urschrei) und der Klingsor (J. Venter) zu erwähnen. Der Chor, verstärkt mit Extrachor, unter der Leitung von Ulrich Wagner war vor allem in den tiefen Stimmen sehr ausdruckstark.

Alleine wegen des musikalischen Genusses ist der Parsifal einen Besuch wert, auch wenn man mit der szenischen Darstellung nicht einverstanden ist.

 Das Bühnenbild von Tilo Steffens ist sehr beeindruckend und gleichzeitig ideal für eine gute Personenregie. Im Zentrum ist eine alles überragende Kuppel, zu deren Spitze eine Treppe hinaufführt und um die Kuppel herum ist eine Drehbühne so angelegt ist, dass laufend ohne Störung die Szenen wechseln können, ähnlich wie in einem Karussell.

 Die Kostüme von Julia Müer sind farblich hauptsächlich grau bis schwarz und vermitteln eine pessimistische Stimmung.

 Für die Regie in Karlsruhe war der britische Regisseur Keith Warner verantwortlich. Seine Kernaussage in dieser Inszenierung (übrigens seine zweite Parsifalinszenierung) lautet, dass der Parsifalmythos aus heutiger Sicht betrachtet, keinerlei Bedeutung hat. Der christliche oder passionsartige Charakter im Parsifal wird durch atheistische Werte ersetzt, wobei der Mensch die zentrale Figur ist, in Anlehnung an die Philosophen, wie Nietzsche oder Schopenhauer. Das zeigt das Schlussbild, wo die heutige Menschheit die Gralsritter ersetzt und Gral mitsamt Parsifal nicht mehr existieren.

Das ist nicht im Sinne R. Wagners, denn er forderte nachdrücklich, dass das Christentum reformiert werden muss, etwa mit Einflüssen anderer Religionen und Mythen, verzichtend auf atheistische Tendenzen. Andernfalls würde das Christentum keine Zukunft mehr haben.

 Die Transparenz in dieser Inszenierung geht fast völlig verloren, weil K. Warner zu viele szenische Einfälle einsetzt, die teils völlig überflüssig, verwirrend und störend sind. Vieles ist von anderen Produktionen übernommen worden.

Auffallend ist auch, dass die Protagonisten bei jeder Gelegenheit (Ausnahme der Tor Parsifal) ihr Handeln vom Lesen aus Büchern abhängig machen, Das könnte bedeuten, dass sie ihr Wissen erweitern möchten oder dass sie nur an festgeschriebenen Ritualen festhalten. Beides macht wenig Sinn, wenn man das zum Kontext des Schlussbildes setzt. Dem Besucher fallen oftmals Parsifals Worte ein: das weiß ich nicht!

 Während zuvor die Vorgeschichte eindrucksvoll von Gurnemanz geschildert wird, kommentiert der Regisseur später in Bildsequenzen die Erzählung nochmals, angereichert mit einer Art Bilderrätsel, wie etwa der gefesselte Prometheus oder ein Buddha.

 Absurd die Klingsorszene, wo im Zeitraffer Klingsor den Parsifal, als Kind und Jüngling zeigend, zum Unterricht führt. Anschließend sieht man die gefesselte Kundry in einer Art Zelle, die von einem Kind hinter vergittertem Fenster beobachtet wird. Vielleicht ist es eine Art Fesselspiel oder eine Art Bändigung, man weiß es nicht. Obligatorisch auch das Fehlen jeglicher Natur beim Karfreitagszauber und die dunkle Bühne, nur durch eine einsame Laterne erhellt, bei der Verwandlungsszene (“Mittag, die Stund ist da”).

 Schön anzusehen, aber völlig daneben der Schluss. In Anlehnung an die Meistersinger Prügelszene kommt es zwischen den Anhängern des toten Titurel, die das Gralsritual erleben wollen und der Gruppe um Amfortas zum Kampf, der aber völlig sinnlos ist, weil sich herausstellt, dass der Gral verschwunden ist, offensichtlich gestohlen, aber von wem und warum. Auflösung kommt vielleicht in K. Warners nächster Parsifalinszenierung.

 In der letzten Szene werden die Gralsritter durch bunt gekleidete Menschen ersetzt, die staunend auf die Spitze der Kuppel blicken, wo inzwischen Amfortas steht, den Speer hochsteckend und Parsifal zu einer Art unbedeutenden Statue mutiert. Durch den hellen Zuschauerraum ist das Publikum mit einbezogen.

 Meine Nachbarin meinte scherzhaft, dass es besser wäre, wenn die Beteiligten auf der Bühne zu den Zuschauern gesungen hätten: Wisst ihr, was ihr saht und diese auf ein negatives Kopfschütteln geantwortet hätten: Wir auch nicht.      

Franz Roos

 

 

 

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