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KARLSRUHE: FAUST von Gounod. B-Premiere

02.11.2019 | Allgemein, Oper
 

Foto: Diana Tugui & Peter Sonn, (c) Falk von Traubenberg

 
Karlsruhe: Faust von Gounod 1.11.19 B-Premiere der Neuinszenierung
 
  • In einer Neuinszenierung von Walter Sutcliffe erlebt „Faust“ von Charles Gounod jetzt seine B-Premiere. Bei dieser Aufführung zeigte sich, daß der in Deutschland lange gebräuchliche Titel Margarete für die Oper durchaus seine Berechtigung hatte. Einmal ist ja Faust I von Goethe, worauf Gounods Libretto sich bezieht, eigentlich die Gretchen-Tragödie, zudem kommt Margarete in dieser Aufführung mit Abstand viel stärker als der in Mefistofeles‘ Hand wachsweiche Faust herüber, hat darüber hinaus in der Inszenierung einen umwerfenden Schlußeffekt inne, ganz zu schweigen davon, daß sie von der besten Sängerin des Abends gespielt wird.
Musikalisch bewegt sich diese Aufführung auf sehr hohem Niveau. Das Orchester im sehr tiefen und breiten Graben des Karlsruher 60er Jahre Theaters spielt mit berückendem Sound und großer Verve die vielgestaltig beschwingte dabei hochromantisch dramatische Musik. Der italienische Haus-Kapellmeister Daniele Squeo moderiert dabei eine präzise und kompakte Darbietung der Partitur.

Walter Sutcliffe scheut bei seiner Regie nicht vor hollywoodartigen bis schrillen Momenten zurück. So ist im ersten Teil bis zur Liebeshingabe Gretchens über dem Rundhorizont ein Himmel mit sich bewegenden rosa-weißen Wölkchen gespannt, worunter sich das Volk in bunten Outfits verlustiert, und Mefisto seine Zauberstückchen vorführt. Die Liebesbegegnung findet dann bei drei runden Buxbäumen und zwei Schaukeln statt, wo Siebel sein kümmerliches Sträußchen und Mefisto das rote Schmuckköfferchen placiert hat. Marthe Schwerdtlein ist auch ganz auf sexy getrimmt, was sogar den Teufel im karierten Anzug und hinten mit langem roten Schweif kurzfristig scharf macht. Faust ist wie ein Stutzer im eleganten goldenen Anzug unterwegs (Kost.: Dorota Karolcak). Nach der Pause ist nur noch das Liebesbett zu sehen, hinter dem sich Gretchen vor Mefisto und seinenTeufeln verschanzt, die sie aus einem logenförmigen Stehpodest (Bühne: Kaspar Glarner) mit dem Teufelsschmuck bewerfen. Die Sterbeszene Valentins, in der er seine noch in weiß gekleidete vor ihm knienden Schwester verflucht, und die gothische Walpurgisnacht, wo sich der Chor in grünen Theatersesseln räkelt, erscheinen dann nicht mehr so bildkräftig. Bei der Kerkerszene stürzt Gretchen in völlig neuer Aufmachung mit roten Haaren, stylish designtem blauglänzendem Minirock und knappem Top sowie hohen Stulpenstiefeln samt Metallkoffer und Plastiktasche mit der Puppe des getöteten Babys aus der dunklen Logenwand heraus. Faust kann sie nicht mehr zu einer Liebesreprise gewinnen. Zum Schluß schwebt ein Wolkenknäuel von oben herab mit Gottvater drin, sie wirft diesen aber kurzerhand heraus und steigt allein in der Wolke in den Himmel hinauf. Dieser quasi blasphemische Schlußpunkt kommt beim Karlsruher Publikum aber sehr gut an.

Der Chor absolviert seine brillanten Auftritte virtuos und klangprächtig. Den Wagner gibt Yang Xu mit Sonnenbrille und umgekehrter Basekappe tenoral. Luise von Garnier ist Marthe Schwerdtlein mit spitzem Mezzospopran. Den Siebel ist opera-comique-mäßig von Dilara Bastar in der kurze- Hosen-Rolle ganz köstlich angelegt und mit gutstimmig voluminösen manchmal geradezu schlurfendem Mezzo kompetent gesungen. Den Valentin gibt Seung-Gi Jung schönstimmig baritonal pointiert. Vazgen Gazaryan stellt einen Mefistofeles mit manchmal derbem, dabei immer focussiertem Baß. Der Faust des Peter Sonn ist schönstimmig, kann aber nicht nicht mit Tenore- di-grazia-Höhe punkten. Sein Gretchen Diana Tugui kann dagegen mit einem blendenden Sopran aufwarten. Erste Höhepunkte setzt sie dem ‚König Thule‘-Lied und natürlich der Schmuck-Arie, die sie ganz vielfarbig gestaltet. Danach blüht ihre Stimme auch immer dramatischer auf.

Friedeon Rosén

 
 

 

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