
Foto: Diana Tugui & Peter Sonn, (c) Falk von Traubenberg
- In einer Neuinszenierung von Walter Sutcliffe erlebt „Faust“ von Charles Gounod jetzt seine B-Premiere. Bei dieser Aufführung zeigte sich, daß der in Deutschland lange gebräuchliche Titel Margarete für die Oper durchaus seine Berechtigung hatte. Einmal ist ja Faust I von Goethe, worauf Gounods Libretto sich bezieht, eigentlich die Gretchen-Tragödie, zudem kommt Margarete in dieser Aufführung mit Abstand viel stärker als der in Mefistofeles‘ Hand wachsweiche Faust herüber, hat darüber hinaus in der Inszenierung einen umwerfenden Schlußeffekt inne, ganz zu schweigen davon, daß sie von der besten Sängerin des Abends gespielt wird.
Walter Sutcliffe scheut bei seiner Regie nicht vor hollywoodartigen bis schrillen Momenten zurück. So ist im ersten Teil bis zur Liebeshingabe Gretchens über dem Rundhorizont ein Himmel mit sich bewegenden rosa-weißen Wölkchen gespannt, worunter sich das Volk in bunten Outfits verlustiert, und Mefisto seine Zauberstückchen vorführt. Die Liebesbegegnung findet dann bei drei runden Buxbäumen und zwei Schaukeln statt, wo Siebel sein kümmerliches Sträußchen und Mefisto das rote Schmuckköfferchen placiert hat. Marthe Schwerdtlein ist auch ganz auf sexy getrimmt, was sogar den Teufel im karierten Anzug und hinten mit langem roten Schweif kurzfristig scharf macht. Faust ist wie ein Stutzer im eleganten goldenen Anzug unterwegs (Kost.: Dorota Karolcak). Nach der Pause ist nur noch das Liebesbett zu sehen, hinter dem sich Gretchen vor Mefisto und seinenTeufeln verschanzt, die sie aus einem logenförmigen Stehpodest (Bühne: Kaspar Glarner) mit dem Teufelsschmuck bewerfen. Die Sterbeszene Valentins, in der er seine noch in weiß gekleidete vor ihm knienden Schwester verflucht, und die gothische Walpurgisnacht, wo sich der Chor in grünen Theatersesseln räkelt, erscheinen dann nicht mehr so bildkräftig. Bei der Kerkerszene stürzt Gretchen in völlig neuer Aufmachung mit roten Haaren, stylish designtem blauglänzendem Minirock und knappem Top sowie hohen Stulpenstiefeln samt Metallkoffer und Plastiktasche mit der Puppe des getöteten Babys aus der dunklen Logenwand heraus. Faust kann sie nicht mehr zu einer Liebesreprise gewinnen. Zum Schluß schwebt ein Wolkenknäuel von oben herab mit Gottvater drin, sie wirft diesen aber kurzerhand heraus und steigt allein in der Wolke in den Himmel hinauf. Dieser quasi blasphemische Schlußpunkt kommt beim Karlsruher Publikum aber sehr gut an.
Friedeon Rosén