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KARLSRUHE: FANTASIO von Jaques Offenbach. B-Premiere

19.12.2014 | Allgemein, Operette/Musical

Komische Oper in Karlsruhe: „Fantasio“ von Jacques Offenbach (B-Premiere: 18. 12. 2014)

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Die Prinzessin Theres (Jennifer Riedel) wollte sich von ihrer Hofdame (Kristina Stanek) – zum Gaudium der bayerischen Mädchen – das Brautkleid partout nicht anziehen lassen (Foto: Jochen Klenk)

Nicht in jedem Opernführer findet man die Opéra-comique „Fantasio“ von Jacques Offenbach, deren Libretto Paul de Musset nach der gleichnamigen Komödie seines Bruders Alfred de Musset verfasste (gemeinsam mit Camille du Locle, Charles Nuitter und vermutlich Alexandre Dumas d. J.) und deren Uraufführung am 18. Jänner 1872 in Paris stattfand. Zur deutschen Erstaufführung in der Übersetzung von Eduard Mauthner und Richard Genée kam es bereits am 21. Februar 1872 im Theater an der Wien, wobei die Wiener Fassung von der Pariser stark abweichte. Sie bekam eine neue Rahmenhandlung mit teils neuer Musik von Offenbach. Außerdem transponierte der Komponist die Titelpartie für seine Wiener Lieblingssängerin, die berühmte Soubrette Marie Geistinger, in die Sopran-Lage. Die Sängerin der Pariser Uraufführung war die damals 22-jährige Marguerite Priola, die nach Aussage ihrer Freundin Emma Calvé über die schlechten Kritiken depressiv geworden ist und im Alter von 27 Jahren Selbstmord verübte.

 Weder die Pariser Produktion, sie wurde nach 10 Aufführungen abgesetzt, noch die Wiener mit 27 Spieltagen waren für Offenbachs Verhältnisse sonderlich erfolgreich. Im Vergleich: Orpheus in der Unterwelt brachte es allein in Paris innerhalb von 20 Jahren auf 1015 Vorstellungen! Die Pariser Fassung von Fantasio verschwand auf Nimmerwiedersehen, Graz, Prag und Berlin spielten im Oktober 1872 die Wiener Fassung nach, bevor auch sie von der Bildfläche verschwand.

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Fantasio im Kostüm des Hofnarren (Stefanie Schaefer) zeigt Prinzessin Theres (Jennifer Riedel) seine Liebe (Foto: Jochen Klenk)

 Das Badische Staatstheater Karlsruhe brachte nun die kritische Neuausgabe von Jean-Christophe Keck zur szenischen Uraufführung, nachdem die konzertante Aufführung von Fantasio in London zu einem  Riesenerfolg geworden war. In Karlsruhe wurde sie in deutscher Sprache (Übersetzung: Carsten Golbeck) mit deutschen und englischen Übertiteln gezeigt. Der Inhalt in Kurzfassung: Der Student Fantasio verliebt sich in die Prinzessin Theres, die von ihrem Vater, dem König von Bayern, mit dem Prinz von Mantua verheiratet werden soll, um einen Krieg zwischen Bayern und Mantua zu verhindern. Im Kostüm des Hofnarren schleicht sich Fantasio in die Münchner Residenz, sorgt dort für einen Tumult und verhindert am Schluss sogar den drohenden Krieg.

Bernd Mottl nahm in seiner Inszenierung viele Themen, die in Offenbachs Opéra-comique eine Rolle spielen, auf humorvolle Weise aufs Korn, wie beispielsweise die Zwangsehen in Europas Fürstengeschlechtern oder die „Lederhosen-Kultur“ Bayerns. Leider geriet manche Szene zum billigen Klamauk. Aber beim Humor scheiden sich oft genug die Geister. Für das bayerische Lokalkolorit sorgten auf gelungene Art und Weise sowohl die Bühnengestaltung durch Friedrich Eggert wie auch die Kostümentwürfe von Alfred Mayerhofer. Köstlich die Choreographie der Tanzszenen durch Otto Pichler!   

 Für die hohe musikalische Qualität der Aufführung war in erster Linie die Badische Staatskapelle unter der Leitung von Andreas Schüller verantwortlich, der seit dem Jahr 2003 als Dirigent auch der Wiener Volksoper verbunden ist und sie zum Gastspiel nach Tokio begleitete.

 In der Titelrolle bestach die junge Mezzosopranistin Stefanie Schaefer sowohl stimmlich wie schauspielerisch, wobei sie im Kostüm des Hofnarren ihre stärksten Auftritte hatte. Dass sie sich als verliebter Fantasio Oberkleidung und Hemd vom Körper reißen musste, war kein besonders guter Regie-Gag, musste sie doch im schwarzen BH die Liebesszene zu Ende spielen. Der Nachteil einer Hosenrolle… Komisch wirkte es allemal.

Ihr ebenbürtig die Sopranistin Jennifer Riedel als Prinzessin Theres, die ihre Abneigung gegen die Zwangsheirat eindrucksvoll spielte und stimmlich alle Koloraturen ihrer Rolle mühelos meisterte. Als Hofdame Flamel überzeugte die quirlige Mezzosopranistin Kristina Stanek bei ihren Bemühungen, der Prinzessin das Brautkleid überzuziehen. Eine der humorvollsten Szenen der Aufführung.

 Der Bariton Gabriel Urrutia Benet als Prinz von Mantua und der Tenor Matthias Wohlbrecht als sein Adjutant Marinoni, die vor der geplanten Hochzeit in München ihre Kostüme und Rollen tauschten, spielten ihr witzig-komisches Talent breit aus, verfielen aber leider zu stark in Klamauk. Wie der starke Szenenapplaus für die beiden bewies, kamen ihre komischen Szenen beim Publikum jedoch gut an. Ein wenig blass blieben die Schauspieler Luiz Molz als König von Bayern und Peter Pichler als Haushofmeister Rütten.

 Gut besetzt waren die vier Studenten Spark, Facio, Max und Hartmann, die eine Revolte in Bayern anzetteln wollen. Die beiden Tenöre Max Friedrich Schäffer als Facio und Nando Zickgraf als Max sowie der Bariton Dennis Sörös als Spark (mit dem Glockenlied) und der Bass Daniel Pastewski als Hartmann waren allesamt mit ausgelassener Spiellaune am Werk. 

Sehr stimmkräftig agierte der Badische Staatsopernchor (Einstudierung: Ulrich Wagner), während bei der Statisterie des Badischen Staatstheaters des Öfteren ihr komisches Talent gefragt war.

 Das Publikum der B-Premiere, das sich gut unterhielt und auch mit Szenenbeifall nicht geizte, belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus.

 Udo Pacolt

 

 

 

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