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KARLSRUHE/Badisches Staatstheater: SIMON BOCCANEGRA

Musikalisch eindeutig, szenisch unentschieden

11.03.2018 | Allgemein, Oper


Die Rats-Szene. Copyright: Felix von Traubenberg

Karlsruhe; „SIMON BOCCANEGRA“ 10.3. 2018 (Premiere 20.1.) – Musikalisch eindeutig, szenisch unentschieden

Verdis Dogendrama, zumal in der überarbeiteten und heute meist gespielten Fassung von 1881 ist in seiner aus einer höchst transparenten und ausgeklügelten Instrumentierung  erwachsenen musikalischen Stimmungsdichte ein besonderes Juwel im Oeuvre des Komponisten, und leider auch eines der diesbezüglich immer noch zu wenig bekannten Stücke. Das nur etwa halb volle Badische Staatstheater bei dieser Samstag Abend-Gala-Vorstellung mit zwei Gästen stimmte jedenfalls traurig ob der sich auch jetzt wieder so bewundernswert entfaltenden Partitur, die Verdi über die Politik und Privates höchst raffiniert verstrickte Handlung ausbreitete. So schwer diese in allen ihren Strängen zu durchschauen ist, benötigt sie eine klare stringente Erzählweise und keine aufgedrängten Gedanken seitens des Regieteams. David Hermann und sein Ausstatter Christoph Hetzer haben sich indes leider ein Konzept erdacht, das in seiner zeitlichen Unentschiedenheit zwischen frühem Christentum, Renaissance und Gegenwart als schriftlich festgehaltene Interpretations-Ideen berechtigt sein mag, bei einer unmittelbaren Wiedergabe jedoch mehr verkompliziert und Verwirrung stiftet. Dass der Prolog als Rückblende in das historische Zeitalter der Geschichte gedacht ist und das Volk in seinen urchristlichen Gewändern mit einem nachgestellten Bild der Abendmahlszene für eine seitdem verankerte Demokratie steht, erfährt der Besucher erst aus dem mit „Ein Passionsspiel“ übertitelten Interview mit den szenisch Verantwortlichen, erschließt sich aber in der Praxis nur dann, wenn die Bereitschaft besteht, sich von den unmittelbaren Vorgängen und zahlreichen emotionalen Höhepunkten ablenken zu lassen.     

Parallelen zu (laut Regisseur) heute noch in den Palazzi von einst regierenden Staats- und Stadtoberhäuptern, die in diesen Räumen in eine Art historisches Trauma verfallen, mögen sich jedem mitdenkenden Zuschauer mehr oder weniger von selbst erschließen, sie sind kein triftiger Grund, Simone als einen solchen Repräsentanten der Gegenwart oder den Rebellen Gabriele Adorno in Jeans und Lederjacke in die im übrigen mittels Drehbühne recht geschickt verwandelbaren Räume mit historischen Versatzstücken zu stellen. Dieses zeitliche Durcheinander beeinträchtigt leider immer wieder die doch so dicht aufeinander bezogenen Personen-Konstellationen. Immerhin zeigt sich Hermann als recht geschickter Arrangeur personeller Beziehungen, wie z.B. die so zerrissenen Liebesbande zwischen Amelia/Maria und Gabriele.

Musikalisch gesehen ist von einer überwiegend erfüllten, aber nicht über alle szenischen Fragwürdigkeiten dominierenden Aufführung zu berichten. Die Basis für die düster grundierte, aber darüber mit teils fast impressionistisch aufgelichteten Farben gezeichnete Musik legte Johannes Willig mit der nur in den Tutti manchmal etwas zu wenig konzentrierten Badischen Staatskapelle. Einleitungen (zu Amelias Auftrittsarie), Zwischenspiele oder Nachklänge (zu Fiescos Arie), aber auch die eine so lautmalerisch spannende Funktion einnehmenden Holzbläser in der machtvoll aufgebauten Ratsszene lotete der Dirigent im Zuge seiner in den Tempi recht ausgeglichenen Leitung besonders liebevoll bzw. nachdrücklich aus.

Die Krone unter den Solisten gebührt – renommierte Gäste hin oder her – dem Ensemble eigenen Mexikaner Rodrigo Porras Garulo, weil er Gabriele, den letztendlichen Nachfolger des sterbenden Boccanegra mit einer so tief greifenden und dadurch Raum sprengenden Leidenschaft ausfüllt, die mit seinem dynamisch beweglichen, sich zwischen hochtourigen Abschnitten immer wieder auf Zurücknahme besinnenden Vortrag zu einer Einheit verschmilzt. Der erregend dunkel, so typisch lateinamerikanisch timbrierte Tenor lässt sich von den wechselnden Emotionen richtig mitreißen und wahrt doch die Kontrolle über die Führung seiner Stimme. Seine Arie im zweiten Akt als Reaktion auf die Enthüllung Amelias als Simones Tochter geriet zu einem Fixpunkt der Vorstellung.

Diese wurde von Serena Farnocchia in allen Belangen hochanständig, mit sicher verankertem, sich in den Spitzen nur minimal verhärtendem Sopran gesungen. Nicht nur ihr Timbre, auch ihr Vortrag ist eher als neutral und manchmal zu wenig nuanciert einzustufen, wogegen ihr szenisches Profil mehr Spontaneität und spürbare Anteilnahme aufwies.

Giovanni Meoni überzeugte in der Titelrolle vor allem in der vokalen Konsequenz, mit der er sich den Part (Debut 2016 in Valencia) in allen Phasen erarbeitet hat, d.h. mit einer rundum sicher gestützten Linie, die auch in Ausbrüchen und in der erregenden Ansprache der Ratsszene gewahrt blieb. Dem hell geprägten Bariton fehlen nur hin und wieder eine schattigere Grundierung, doch fand er im Zuge seines schleichenden Verfalls durch das von Paolo verabreichte Gift auch zu einem passend fahleren und gebrocheneren Tonfall. Als zentrale Persönlichkeit wird er mit zunehmender Erfahrung sicher noch reifen.

Als adelsstolzer Fiesco ist Avtandil Kaspeli eine imposante Erscheinung, veredelt durch einen gleichmäßig kultiviert strömenden Bass mit sauberem Legato. Allerdings würde ihm etwas mehr stimmliche Schwärze sowie eine ausdrucksvollere Phrasierung gut anstehen.

Diesbezüglich ist ihm Nicolas Brownlee als antreibender Paolo voraus, sein leicht angerauhter Bass-Bariton hat ausreichend tiefe Grundierung und gleichzeitig eine fast explosive Höhe sowie eine füllige Deklamation. Yang Xu assistiert ihm als Pietro in den wenigen Passagen mit recht sattelfestem Bass. Der Badische Staatsopern- und Extrachor wurde von Ulrich Wagner als aufgerüttelte, revoltierende und zuletzt besänftigte Volksmenge bestens präpariert.

Das Publikum verteilte seine Begeisterung differenziert auf alle Protagonisten.

  Udo Klebes

 

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