Georg Friedrich Händel: Serse, 42. HÄNDEL-FESTSPIELE 2019, Badisches Staatstheater Karlsruhe
(am 24.2.2019 /4. Vorstellung seit der Premiere am 15.02.2019)
Pretty Woman Fashion and the „Frustrated Lovers“
Die Inszenierung von Händels «Serse» von Regisseur Max Emanuel Cencic ist schlichtweg als grandios zu bezeichnen. Cenci hat unter Berücksichtigung barocker Interpretationsgewohnheiten (biblische Symbolik des 18.Jahrhunderts) hingeschaut und hingehört, welche Geschichte Händel erzählen will.
Alle Figuren des Stücks werden von Lastern getrieben, die die christliche Morallehre zu den Todsünden (Habgier, Trägheit, Wollust, Neid, Eifersucht, Zorn und Hochmut) zählt. Allen voran Serse, der schon alles hat und doch nicht genug bekommen kann. Gleich in seiner ersten Arie, dem berühmten Larghetto „Ombra mai fu“, spricht Serse das Thema der Oper an: das Schicksal. Als Urheber des unabänderlichen Schicksals galten in der Antike die Moiren/Parzen, im christlichen Denken ist es Gott. Das am Schluss der Oper alle wieder da sind, wo sie am Anfang standen, nimmt der Schlusschor auf: „Was Gott vorherbestimmt hat, kann der Mensch nicht ändern“. Xerxes Schicksal ist es König zu sein und nicht lieben zu dürfen (oder zu können) und Arsamenes Schicksal ist es nicht König zu sein, aber lieben zu dürfen. Die Oper zeigt, dass der Mensch, der das ihm zugewiesene Schicksal nicht annimmt, sich lächerlich macht. Im Lachen über sich selbst erfolgt die Katharsis.
Wo sind nun die von den Lastern getriebenen Menschen am besten zu beobachten? In einem Sünden-Babel (sic!). Für den barocken Menschen war dies Babylon, heute ist es Las Vegas. So erzählt Cencic die Geschichte mit Bildern, die der Zuschauer von heute versteht. Damit die innere Reinigung nicht zu grob und damit kontraproduktiv wird, ist die Handlung in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts angelegt.
Das Ideenfeuerwerk, das Cencic nun im Bühnenbild Rifail Ajdarpasic abbrennt, zeigt wie genau gearbeitet wurde.
Foto: Falk von Traubenberg
Das Larghetto gibt Serse, hier Moderator einer Show für Nachwuchstalente, gleich selbst zum Besten und begleitet sich dazu selbst am Flügel. Während der inszenierten Ouvertüre hat Serse schon klargestellt, dass sein Verhältnis zur Haushälterin Amastre mit Liebe nichts zu tun hat. Vom flackernden Licht haben sich die beiden nicht stören lassen. Für die folgenden Bilder hat sich Cencic auf der Dreh-Bühne eine Konstruktion erstellen lassen, die die Villa Serses und andere Schauplätze darstellen kann.
Foto: Falk von Traubenberg
Sei es die Poolparty mit den Häschen, das Shopping der Schwestern Romilda und Atalanta im Pretty Women Fashion-Store (während die Herren sich im „The frustrated Lovers“ stärken) oder die Sitzung in der Zentrale des Plattenkonzerns mit dem Auftritt Heinos: Die Inszenierung bietet vier Stunden hervorragende, bestens ausgearbeitete Unterhaltung. Als Atalanta Serse anruft, klingelt das Handy. Erst beim zweiten Klingeln entdeckt man, dass das Orchester klingelt…
Foto: Falk von Traubenberg
Ein einziges Fest für das Auge (und die Sinne), sind die Kostüme von Sarah Rolke (Mitarbeit Kostüme Wicke Naujoks). Grandios, wie sie das hässliche Entlein Atalanta von ihrer Schwester Romilda absetzt, ohne Atalanta aber auch nur ansatzweise blosszustellen. Die Beleuchtung von Stefan Woinke und die Choreografie von David Laera unterstützen den überragenden Gesamteindruck
Keine Wünsche offen lässt die Gestaltung des Bruderpaares Serse und Arsamene durch die Counter-Tenöre Franco Fagioli und Max Emanuel Cencic. Beide sind in absoluter Höchstform zu erleben! Perfekte Technik und perfekte emotionale Durchdringung der Arien und keine Scheu vor schauspielerischen Aufgaben liessen die Darbietung der beiden Sänger, deren Stimmen perfekt harmonierten, zum wahren Vergnügen werden. Ihnen ebenbürtig die amerikanische Sopranistin Lauren Snouffer als Romilda und die Schottin Katherine Manley als Atalanta. Hervorragend, wie sie die Intrigantin Atalanta mit grosser Liebenswürdigkeit spielen konnte. Ariana Lucas in der Rolle der Haushälterin Amastre hatte schon nach der Ouvertüre alle Sympathien auf ihrer Seite. Pavel Kudinov als Ariodate und Yang Xu als Elviro lieferten ebenfalls hochstehende Rollenportraits ab.
Die Deutschen Händel-Solisten brillierten unter der musikalischen Leitung von George Petrou, den Händel-Festspielchor hatte Marius Zachmann vorbereitet
Ein Traum! Besser ist Händel im Moment wohl kaum zu erleben!
Weitere Aufführungen im Rahmen der 42. INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 2019:
Dienstag, 26.02.2019, 19:00
Weitere Aufführungen im Rahmen der 43. INTERNATIONALE HÄNDEL-FESTSPIELE 2020 (Voverkauf hat begonnen!):
Mit David Hansen, Max Emanuel Cencic, Lauren Snouffer, Katherine Manley, Ariana Lucas u.a.
Freitag, 21.02.2020, 19:00
Sonntag, 23.02.2020, 15:00
Mittwoch, 26.02.2020, 19:00
25.02.2019, Jan Krobot/Zürich