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KARLSRUHE/Badisches Staatstheater: PHÈDRE von Jean-Baptiste Lemoyne. Eine Kooperation mit Palazetto Bru Zane – Centre de musique romantique française

Jean-Baptiste Lemoyne: Phèdre • Badisches Staatstheater Karlsruhe • Vorstellung: 27.02.2025

(4. Vorstellung • Premiere am 25.01.2025)

 Eine Kooperation mit Palazetto Bru Zane – Centre de musique romantique française

 Deutsche Erstaufführung

Ein mehr als lohnenswerter Ausflug ins französische Repertoire

Die Produktion von Lemoynes «Phèdre» gehört nicht zu den Händel-Festspielen, ist aber eine festspielwürdige Ergänzung. Und ein überaus erhellender Ausflug in die Operngeschichte und das im deutschen Sprachraum viel zu wenig gepflegte französische Opernrepertoire jenseits von «Carmen» und «Werther». Die Karlsruher Programmlinie, die sich in den kommenden Jahren gezielt dem unbekannteren französischen Repertoire widmen wird, darf also mit grosser Spannung erwartet werden.

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Foto© Felix Grünschloss

Der Komponist der «Phèdre», Jean-Baptiste Lemoyne, wurde am 3. April 1751 in Eymet im Périgord geboren. Die erste musikalische Ausbildung erhielt er von seinem Onkel, Kapellmeister an der Kathedrale von Périgeux. Seine Karriere begann Lemoyne als Dirigent fahrender Operntruppen. Die Tournee einer dieser Truppen nutzte er, um 1770 nach Berlin, damals dank Friedrich dem Grossen eine führende Musikmetropole der Zeit, zu gehen. Zu Lemoynes Berliner Lehrern gehörten Johann Gottlieb Graun, Johann Philipp Kirnberger und Johann Abraham Peter Schulz. Seine Fähigkeiten wurden rasch erkannt und mit dem Posten des zweiten Kapellmeisters des Königlichen Hoftheaters honoriert. Den immer enger werdenden Verbindungen zwischen Berlin und Warschau folgte Lemoyne in die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts aufstrebende Kulturmetropole, wo er 1775 seinen Opernerstling «Le Bouquet de Colette» zur Aufführung brachte. Die Hauptrolle hielt er seiner jungen französischen Gesangsschülerin Antoinette Saint-Huberty zu, die später wesentlich zu seinen Erfolgen als Opernkomponist (u.a. 1782 «Electre» und 1786 «Phèdre») beitragen sollte. Mit seiner Rückkehr 1780 geriet Lemoyne mitten in den hochkochenden «Piccinistenstreit», die Auseinandersetzung von italienischer und französischer Schule um das Primat von Musik oder Text. Die wegen ihrer Einzigartigkeit von Publikum und Presse kritisierte «Electre» und «Phèdre» zeigen, dass Lemoyne über dieser Auseinandersetzungstand stand, mit einer Synthese schon weitergekommen war. Bei «Phèdre» ist weder ein Primat der Musik noch des Textes auszumachen: Der Text trägt mit seiner Verständlichkeit selbst in den intensivsten Momenten das Drama und die Musik unterstützt mit grösstmöglichem Farbenreichtum und Melodik das Geschehen. Diese «Synthese» macht die grosse Faszination von Lemoynes aus. Gerne würde man mehr von diesem Komponisten erleben!

Mit Attilio Cremonesi hat ein ausgewiesener Spezialist für die Musik des 18. Jahrhunderts die musikalische Leitung und führt die historisch informiert aufspielende Badische Staatskapelle zu einer mitreissenden Höchstleistung. Cremonesi wählt straffe Tempi, drängt voran, ohne zu hetzen, baut ideale Spannungsbögen und lässt die Farben der Partitur in allen Facetten leuchten. Der Badische Staatsopernchor (Leitung: Ulrich Wagner) überzeugt mit wunderbar sattem, bestens fokussiertem Wohlklang und grosser Spielfreude.

Christoph von Bermuth lässt mit seiner Inszenierung dem Drama den Raum zu leben und deutet die Szene jeweils nur an. Der Wald besteht aus einem Dutzend Holzstangen, eine grosse Freitreppe repräsentiert den öffentlichen Raum und ein hermetisch abgeschlossener Trichter repräsentiert Phèdres Seelenraum (Bühne: Oliver Helf). Mit dem handgeschriebenen Schriftzug «Hippolyte» visualisiert von Bermuth die Unbezwingbarkeit der Liebe, das Hauptthema der Oper. Die Kostüme von Karine Van Hercke zitieren die Mode der Zeit.

Die enorm fordernde Hauptrolle der Phèdre ist mit Ann-Beth Solvang besetzt. Ihr Rollenporträt bestich in erster Linie durch die enorme Bühnenpräsenz. Die Stimme spricht tadellos an und trägt im ganzen Haus. Über der Mittellage, vornehmlich in besonders intensiven Momenten, neigt die Stimme rasch dazu scharf zu werden . Als Gestaltungsmittel ist das nur bedingt plausibel. Krzysztof Lachman gibt den Hippolyte mit gut fokussiertem Tenor mit Schmelz und Strahlen. Scheint die Stimme anfänglich noch unter Druck, gelingt es dem jungen polnischen Tenor sich im Laufe des Abends freizusingen. Kammersänger Armin Kolarczyk triumphiert mit strahlendem Bariton, traumhaften Farben und überragender Bühnenpräsenz als Thésée. Anastasyia Taratorkina überzeugt mit prächtiger Stimme als Oenone. Oğulcan Yılmaz als Staatsminister und Philipp Hohner als Acamas (stumme Rolle) ergänzen das Ensemble.

Absolute Empfehlung!

Weitere Aufführungen: 08.03.2025, 14.03.2025, 23.03.2025 und 17.04.2023.

28.02.2025, Jan Krobot/Zürich

 

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