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Karl-Joachim Hölkeskamp: THEATER DER MACHT

29.12.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Karl-Joachim Hölkeskamp:
THEATER DER MACHT
DIE INSZENIERUNG DER POLITIK IN DER RÖMISCHEN REPUBLIK
Erschienen in der Reihe Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung
710 Seiten, Verlag C.H.Beck. 2023

Politik ist Theater, das hat man immer gewusst. Die großen Säle der Parlamente und weltumspannenden Organisationen erinnern als „Theaterschauplatz“ an den römischen Senat, wenn zu gegebenen Anlässen die Panzer auffahren und die Soldaten in Reih und Glied marschieren, sind es die Triumphzüge gegenwärtiger Herrscher, und wenn römische Machthaber von der Rostra herab in großen Gesten zum Volk sprachen, taten sie nichts anderes als die Regierenden von heute bei ihren Fernsehansprachen an die Nation. Und wenn man direkt gewählt werden wollte / will, musste man heute wie damals direkt die Hände schütteln. Im Prinzip hat sich nichts geändert.

Die Weltmacht Rom, die ihre Siege und lange Zeit ihre Beständigkeit ihrer glänzenden Organisation verdankte, ist noch immer Vorbild für vieles, ohne dass man sich dessen Gewahr würde. Rückblicke können erhellend sein, und ausführlicher als Karl-Joachim Hölkeskamp, emeritierter Professor für Alte Geschichte an der Universität zu Köln, kann man das Thema gar nicht ausbreiten. Sein Forschungsschwertpunkt ist (laut Wikipedia) „die politische Kultur der römischen Republik, die Mentalitätsgeschichte der republikanischen Aristokratie und die Begriffsgeschichte der römischen Oberschicht“, und all das fließt in dieses Buch ein.

15 Jahre Arbeit daran, über 700 Seiten (davon 200 Seiten Anhang), betrachten das Theater der Politik als Inszenierung in der Römischen Republik, wobei er am Ende Augustus  (mit dem die so genannte „Römische Kaiserzeit“ begann) noch einbezieht, macht aber auch seine „Schlenker“ in andere Epochen, das Mittelalter oder die Welt des Sonnenkönigs, wo auch verschwenderische Pracht herrschte. Die Antike hat nicht nur für die Gegenwart die Weichen gestellt.

Der Autor stellt Shakespeares „All the world’s a stage“ als Motto voran (und verweist am Ende darauf, dass Augustus in seiner Sterbestunde gefragt hätte, ob er seine Rolle gut gespielt habe…). Nirgends waren die Inszenierungsformen rigider als in der Römischen Republik (und im folgenden Augusteischen Zeitalter). Die Republik hat, bei allen Stürmen, die sie erschütterten, gut 500 Jahre überlebt. Und zweifellos wurde sie durch ihre festen Formen und Strukturen zusammen gehalten, die jedem seinen Platz zuwies und im Grunde alles vorbestimmte.

Die Ämterlaufbahn der Adeligen und Reichen war ebenso genau vorgeplant (inklusive das Alter, in dem man die einzelnen Stufen erklimmen durfte) wie das öffentliche Leben. Inszenierungen, denen man folgte, ohne sie zu hinterfragen – bis am Ende die Republik genau am Zerrütten der gegebenen Formen scheiterte. Augustus baute seine neue Macht nach der verheerenden Epoche der Bürgerkriege und Zerstörungen schließlich wieder auf den alten Traditionen auf.

Natürlich bestimmten die Mächtigen, wie das Leben zu laufen hatte, aber sie wussten immer, dass sie einem „Volk“ gegenüber standen, das sie zahlenmäßig weit überragte. Aber dieses Volk – es war eine Republik, so allmächtig der Senat auch war – hatte als römische Bürger das Wahlrecht, sie waren das umworbene Publikum in der Vorstellung, die die Großen gaben. Und sie konnten nicht nur mit Applaus, sondern auch mit Pfiffen und Schmährufen reagieren. („Populär“ kommt von Populus, Volk.) Denn wenn ein hochrangiger Mann den mühsamen Weg durch die Ämter gegangen war und das höchste anstrebte, das Konsulat, dann hatte er sich, wie jeder Politiker heute,  „herunter“  zu lassen und um die Gunst der Leute zu buhlen. Und man musste sie vor allem mit spektakulären Theater- und Zirkus- Aufführungen bestechen, die zu den klassischen „Ritualen“ der Zeit gehörten. Es wurden Vermögen ausgegeben, um wilde Tiere aus Afrika für die Arenen nach Rom zu schaffen…

Das Leben eines Adeligen verlief im allgemeinen (wenn die Familie nicht verarmt war) in größtem Luxus, und man stellte seine Traditionen aus (die Ahnenbilder, die in der Eingangshalle jeder römischen Adelsvilla hingen). Wer konnte, sorgte auch für die eigene Verewigung zumindest in Büsten-Darstelllungen – die Triumphbögen, die unter den eigenen Namen errichteten Tempel und Theater waren dann der allerhöchsten Schicht vorbehalten.

Doch das Leben eines Adeligen war kein reines Honiglecken, es wurde auch viel von ihnen verlangt – in der Verwaltung der Provinzen (auch wenn dies oft zur Bereicherung diente), aber vor allem im Kriegsdienst. Auch das Verhalten eines Feldherrn gegenüber seinen Soldaten hatte seine genauen Regeln. Gelangen spektakuläre Siege, dann war der „Triumph“ in Rom ein Höhepunkt für alle Beteiligten – außer für die Gefangenen, die hier mitgeschleppt (und später hingerichtet) wurden.

Das Umschlagbild des Buches,  „Der Triumph Caesars“ – zeigt, was da an Schätzen aus den eroberten Ländern  mitgebracht wurde, Auch das zielte, wie die großen Spiele, auf die Überwältigung des Volkes als Publikum ab, das sich solcherart in das Leben der Großen einbezogen fühlte.

Und hatte ein Römer der Oberschicht alle Ämter und Ehren durchgemacht, erlebte er die letzte zwar nicht mehr mit, wusste aber aus vielen Beispielen, wie prunkvoll man als Toter zu seinem Scheiterhaufen getragen und verabschiedet wurde (während Geburt und Hochzeit eher private Zeremonien blieben).

Selbstverständlich spielten auch religiöse Rituale eine besondere Rolle, wobei von „Gläubigkeit“ in unseren Sinn nicht die Rede sein konnte, aber „Götter“ (die Römer anerkannten alle, wenn sie keine Störungen verursachten) waren wichtig für die Hierarchie einer Gesellschaft, Opfergaben verkörperten nötige Respektsbezeugungen.

Das Fazit: Alles war in der römischen Republik fest gelegt, eine riesige Inszenierung von Festen, Ritualen, Zeremonien hielt die Mächtigen und das Volk zusammen. Das alles wird nicht populär, sondern in Wissenschaftsanspruch ausgeführt, ein Buch für Spezialisten, aber auch für alle Interessenten am ewigen Thema „Rom“, das ein Paradigma für Aufstieg und Untergang ist.

Und dass totalitäre Systeme sich erfolgreich der vorgegebenen römischen Modelle von  „Inszenierungen“ bedienten (man denke nur an den Nationalsozialismus), ist historisch belegbar  – Hitler hat sein „Drittes“ Reich schließlich ideologisch auf den Römern und dem „Heiligen Römischen Reich“ aufgebaut. Glücklicherweise von wesentlich geringerer Dauer und mit weit weniger Glanz für die Nachwelt.

Renate Wagner

 

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