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KARL ERNST UND GERTRUD OSTHAUS

09.01.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

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Rainer Stamm / Gloria Köpnick
KARL ERNST UND GERTRUD OSTHAUS
DIE GRÜNDER DES FOLKWANG-MUSEUMS UND IHRE WELT
368 Seiten, ‎Verlag C.H.Beck, 2022

Zweierlei steht hinter dem Buch über Karl Ernst und Gertrud Osthaus. Zuerst das 2022 gefeierte 100-Jahr-Jubiläum des Folkwang-Museums in Essen (obwohl man eigentlich das 120. Jahr der ursprünglichen Gründung in Hagen nicht vergessen sollte), und zweitens das Phänomen des Kunstsammler-Ehepaars. In diesem Fall waren es Karl Ernst und Gertrud Osthaus, deren Zusammenwirken entscheidend war.

Österreich hat diesbezüglich eine große Tradition – schon die Sammlung von Herzog Albert von Sachsen-Teschen wäre ohne die kundige (und finanzielle) Unterstützung seiner Gattin, Erzherzogin Marie Christine, nicht zu denken gewesen. Das Sammler-Ehepaar Agnes und Karlheinz Essl schuf ein eigenes Museum in Klosterneuburg (dessen Besitztümer mittlerweile in den Bestand der Albertina modern über gegangen sind. Rudolf Leopold hätte seine sensationelle Sammlung ohne die kundige Hilfe seiner Gattin Elisabeth niemals leisten können, und das aus Koblenz stammende Ehepaar Peter und Irene Ludwig hat einen Teil seiner Werke dem Wiener mumok zur Verfügung gestellt. Das Phänomen ist also bekannt.

Um Kunst zu sammeln, braucht man in erster Linie Geld, ohne dieses geht es nicht. Aber man braucht auch Geschmack – und eine Vision. Und unendliche Liebe zur Kunst: „Der Renoir ist so rasend schön“, ist ein Seufzer, der sich nicht für jeden erfüllt. Und man braucht die richtigen Leute.

Karl Ernst Osthaus (1874-1921) aus Hagen im Ruhrgebiet hatte in vielem Glück, mit seiner finanziellen Situation (sein Großvater ,mütterlicherseits war vor Ort die wichtigste Unternehmerpersönlichkeit der Epoche), mit seinen Interessen, mit seiner Frau, die nicht nur aus ähnlich reichen Verhältnissen stammte, sondern auch seine Ideale teilte. Tragisch nur seine kurze Lebenszeit, er wurde nur 51 Jahre alt, Opfer des Ersten Weltkriegs, wo er sich an der Front seine tödliche Krankheit zuzog. Tragisch auch seine zerbrochene Familie am Lebensende. Aber als er starb, hatte er sein Lebensziel erreicht und ein Museum gegründet.

Die Autoren dieser Biographie über das Ehepaar Osthaus sind selbst Museumsdirektoren, Gloria Köpnick ist Direktorin der Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg, Rainer Stamm Direktor des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg. Sie schildern chronologisch und ausführlich den Weg, den das Ehepaar nahm, die Besessenheit, mit dem sie ihn verfolgten.

Henry van de Velde, der berühmte belgische Jugendstil-Architekt, den sie heranzogen, als sie ihr Museum in Hagen planten (dazu hatte Osthaus in Hamburg ein Museumspraktikum absolviert), konnte nur bewundern, mit welchem Enthusiasmus und Fanatismus die Osthaus den Plan eines öffentlichen Museums verfolgten – gegen den Widerstand der Mitwelt, die das nur als Geldverschwendung ansah. Aber die beiden ließen nicht locker.  Sie kauften Kunst, sie planten, sie ließen das Museum an der Hochstraße in Hagen errichten und gaben dem 1902 eröffneten Haus den nordischen Namen „Folkwang“ und stellten es unter den Schutz der Göttin Freya, zuständig für Schönheit…

Hatte Osthaus bis dahin eher konservativen Geschmack gezeigt, so wendete sich das unter van der Veldes Einfluß. Nun wurde er zum Hohepriester der Moderne, der Maler auch in ihren Ateliers aufsuchte. Und Gertrud wurde, wie manche Sammler-Gattin (man denke an Tilla Durieux, die Ehefrau des Berliner Kunsthändlers Paul Cassirer) von berühmten Künstlern gemalt (von dem 70jährigen Auguste Renoir, von Max Oppenheimer).

Ein Van Gogh, ein Gauguin waren damals noch nicht unumstrittene Künstler – Osthaus kaufte sie. Er und seine Frau kreuzten den Weg von Cezanne und Matisse, und es ist ein Vorzug des Buches, viele der Meisterwerke, die er erwarb, in Farbe abzubilden. Später wurden auch Emil Nolde und die Künstler des „Blauen Reiter“ für den unermüdlich nach Neuem Ausschau haltenden Sammler Osthaus interessant.

Wichtig war er auch für die Österreicher. Zwar konnte er sich nicht zum Ankauf eines wichtigen Klimt-Gemäldes entschließen, das die damals von Carl Moll geleitete Galerie Miethke ihm anbot, aber er kaufte wichtige Werke von Schiele und Kokoschka von den Künstlern persönlich. Für beide war das Folkwang das erste Museum der Welt, das ihre Werke in seinen Bestand aufnahm.

Das Museum in Hagen wurde das erste Deutschlands, das sich der „Moderne“ widmete. Osthaus entwickelte weitere Projekte, u.a. eine Künstlerkolonie, und wie nebenbei erwähnen die Autoren, dass Gertrud Osthaus – als wäre das keine Leistung – im Lauf der Jahre noch fünf Kinder zur Welt brachte. Die neue Villa, die van der Velde für die Familie baute, war schon aus Platzgründen nötig.

Dennoch zerbröckelte die Ehe nach der Geburt des fünften Kindes tragisch, wohl an den homoerotischen Neigungen, die Osthaus entwickelte. und auch die historischen Ereignisse trugen zum allgemeinen Untergang bei. Schon vor dem Ernsten Weltkrieg gab es finanzielle Schwierigkeiten, danach (Osthaus kehrte aus dem Feld heim) stand man vor einer total veränderten Welt. Osthaus, der mit seiner Kehlkopftuberkulose von einem Kurort zum nächsten reiste, starb am 27. März 1921 in Meran und hinterließ das Museum seinem Günstling, seiner Familie nur, was die Pflichtteile erforderten…

So erklärt sich auch der tragische Untergang des Museums in Hagen, das allerdings wieder auferstand, als die Stadt Essen die Kunstwerke kaufte und 1922 ihr eigenes Folkwang-Museum eröffnete. Gertrud Osthaus  hat bald nach dem Tod ihres Mannes ein zweites Mal geheiratet.

Renate Wagner

 

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