STREIK DER DIEBE
Ein Filmexposé von Jura Soyfer
sowie eine Posse von Georg Mittendrein
mit Liedern von Georg Herrnstadt
156 Seiten, Marsyas Verlag, 2023
Jura Soyfer (1912-1939) wurde nur 27 Jahre alt. Geboren im damals russischen Charkow, aufgewachsen und tätig in Wien, starb er im Konzentrationslager Buchenwald. In der kurzen Zeit, die ihm gegeben war und wo er als engagierter „linker“ Autor ununterbrochen schrieb und agitierte,, verfasste er fünf Theaterstücke, die immer wieder gespielt werden, zahllose Kabarettszenen und Zeitungsartikel.
Neben den bekannten und veröffentlichten Werken gibt es auch noch manches Unbekannte, und Georg Mittendrein, verbriefter Soyfer-Kenner, der lange Jahre das Jura-Soyfer-Theater in Wien geleitet hat, holte eine Skizze aus dem Nachlass.
Nur wenige Seiten lang, ist „Streik der Diebe“ ein Filmexposé, das in der zugrundeliegenden Liebesgeschichte ganz an die harmlosen Kinolustspiele der dreißiger Jahre erinnert – reiches Bankierstöchterchen verliebt sich in Meisterdieb, keiner offenbart dem anderen anfangs seine Identität, das Happyend ist dennoch unvermeidlich.
Tatsächlich aber ging es Soyfer um die kabarettistisch-ironische Überlegung, welchen sozialen Rang das kriminelle Handwerk des Diebstahls in der kapitalistischen Welt einnimmt. Vielmehr, was dessen Fehlen nach sich zieht. Was, wenn die Diebe, frustriert angesichts eines leeren Tresors, schlicht und einfach streiken?
Kein Verbrechen – keine Sicherheitsindustrie, keine Banken (weil man das Geld ja zuhause behalten kann), keine Polizei, und schließlich gehen auch die Zeitungen ein, die nichts Süffiges mehr zu berichten haben… (Das dem Stück voran gestellte Zitat „Es gäbe ein heilloses Durcheinander, wenn alle Gauner plötzlich rechtschaffene Leute würden“, stammt übrigens von Karl Heinrich Waggerl…)
Das amüsierte Mittendrein, der aus der Mini-Vorlage ein ganzes Musical schuf, das den Hauptteil des Buches ausmacht. Er hat in 18 Bildern kurze flotte Szenen reichlich mit 13 Songtexten angereichert, die von Georg »Schurli« Herrnstadt, einem Mitbegründer der „Schmetterlinge“, vertont wurden (die Noten sind im Anhang zu finden).
Nie wirklich ernst gemeint, aber doch mit allerlei Wahrheiten durchsetzt, stolpern da mit leichter Hand Gauner (die ein bisschen an die Typen der „Dreigroschenoper“ erinnern) durchs Geschehen, in absichtlicher Simplizität verläuft die Liebesgeschichte von Hans und Lillian. Ihr Vater, Bankdirektor Kessler, muss anerkennen, dass der künftige Schwiegersohn in seiner (und dessen) Branche den besten Ruf genießt….
Es ist ein Stück, das weniger – wie am Buchumschlag postuliert – an eine Nestroy’sche Posse erinnert, als an die kunstvolle Simplizität eines Original-Soyfer. Jedenfalls erfordert es die leichte Hand eines Regisseurs – uraufgeführt in Altenburg (ehemalige DDR), wo Mittendrein einst Intendant war, hat der zuständige Spielleiter vor allem eine modernistische Klamotte daraus gemacht.
Kurz, der „Ball der Diebe“ harrt in seiner hintergründigen, nur scheinbar simplen Heiterkeit noch der richtigen Bühnen-Interpretation. Für Theater ist das Stück nun zwischen Buchdeckeln jedenfalls leicht zugänglich.
Renate Wagner